Die deutsche Bundesregierung verhält sich in den letzten Tagen und Wochen beinahe schizophren. Auf der einen Seite solidarisieren sich völlig zurecht viele deutsche Politiker*innen mit dem russischen Oppositionellen Alexei Nawalny, fordern dessen Freilassung und kritisieren den Kreml dafür scharf. Auf der anderen Seite betreiben unzählige Minister*innen, Ministerpräsident*innen und nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel enorme Lobbyarbeit für die angebliche „fast letzte Brücke zu Russland“ (Zitat von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 06.02.2021). Die Rede ist von der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2.  

Die Fertigstellung dieser Erdgas-Pipeline wäre „energiewirtschaftlich unnötig, umweltpolitisch schädlich und betriebswirtschaftlich unrentabel“, so Claudia Kemfert, eine Autorin für eine Studie des DIW aus dem Jahr 2018, welche sich genau mit diesem Thema beschäftigte. Die Kritik an diesem Projekt bestand also schon seit einigen Jahren, flammte jedoch seit der Verhaftung Nawalnys erneut auf.  

Doch was ist Nord Stream 2 eigentlich genau? 

Um diese Frage zu beantworten, muss man zeitlich etwas zurückgehen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es für deutsche Energieunternehmen lukrativ in russische Erdgaswirtschaft zu investieren. So fusionierten beispielsweise 2002 die Energiekonzerne E.ON und Ruhrgas unter dem Vorwand, die deutsche Energieversorgung mit Erdgas aus Russland zu sichern. Obwohl damals Monopolvorwürfe laut wurden, kam es zu einer Genehmigung dieser Fusion. Sehr zur Freude russischer Erdgasunternehmen, welche nun eine Chance sahen, neue Märkte in Westeuropa zu erschließen.  

Anfangs versuchte Russland sein Erdgas hauptsächlich über die Ukraine an die westeuropäischen Abnehmer*innen zu exportieren. Jedoch wurde die Transportroute über die Ukraine wegen vermehrter politischer Konflikte immer schwieriger für die staatlichen Gaskonzerne Russlands. So versuchte die russische Regierung Alternativen zur Transitroute über die Ukraine zu finden. Im Jahr 2011 wurde schließlich die Gaspipeline Nord Stream 1 eröffnet, welche das Erdgas vom russischen Wyborg, nahe der Stadt Sankt Petersburg über die Ostsee bis nach Lubmin, im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern transportierte.  

Doch wenn man nun einen Blick auch auf die „jüngere Schwester“ Nord Stream 2 wirft, wird klar, dass Russland mit diesen Projekten ganz klar Geopolitik betreibt. Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014 und seit dem Krieg im Donbass bemüht sich der Kreml zunehmend um eine Diversifizierung seiner Erdgas-Exportrouten. Eine davon ist Nord Stream 2, welche ebenfalls wie Nord Stream 1 Erdgas von der Region Sankt Petersburg nach Mecklenburg-Vorpommern und von dort in verschiedene europäische Staaten transportieren soll.  

Dieses Projekt ist umstritten und das völlig zurecht. 

Der erste Kritikpunkt betrifft die Außenpolitik Deutschlands und weiterer europäischer Länder: Nach Außen hin wird Nord Stream 2 als europäisch-russisches Energieprojekt auf Augenhöhe dargestellt. Doch diese Darstellung entspricht mit Nichten der Realität. Zwar waren zu Beginn europäische Energieunternehmen (Deutschland mit Uniper und Wintershall, Österreich mit OMV, Frankreich mit Engie und das britisch-niederländische Unternehmen Royal Dutch Shell) gemeinsam mit Gazprom an der Nord Stream 2 AG beteiligt, jedoch besaß der russische Staatskonzern schon seit Gründung im Jahr 2015 den größten Anteil an der Aktiengesellschaft. Ein Jahr später zogen sich die europäischen Unternehmen vollständig aus der Nord Stream 2 AG zurück und überließen so Russland die alleinigen Anteilsrechte.  

Altkanzler Gerhard Schröder wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Nord Stream 2 AG ernannt und betrieb bereits damals enorme Lobbyarbeit für die Umsetzung des Projekts. Durch das bisweilen rücksichtslose Vorgehen Gazproms und von Vertreter*innen Russlands zeigte sich schnell, dass Russland mit Nord Stream 2 mehr als nur wirtschaftliche Interessen verfolgt. Bei einer Fertigstellung und Inbetriebnahme der Gaspipeline könnte sich Europa noch abhängiger von russischen Gasexporten machen und wäre somit bei Konflikten, wie in der Ukraine, leichter von Russland erpressbar. Die russische Regierung könnte womöglich eine Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen der EU fordern und damit weiterhin ihre Macht demonstrieren. Kritik am Kreml, wie in der Causa Nawalny, würde vielleicht in Zukunft nicht mehr so einfach werden. Deutschland und seine europäischen Partner*innen sollten deshalb die Stärke besitzen, die Fertigstellung von Nord Stream 2 zu verhindern und nicht mit einem Regime, welches Menschenrechte und demokratische Partizipation mit Füßen tritt, zusammenarbeiten.  

Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Macht es wenigstens aus ökonomischen Gesichtspunkten Sinn, eine weitere Erdgas-Pipeline in der Ostsee zu bauen? 

Keineswegs. Eines der Ziele der Projektgesellschaft um Nord Stream 2 ist die nachhaltige Stärkung der europäischen Energiesicherung. Dies würde somit einen Nachfrageüberhang europäischer Staaten nach Erdgas voraussetzen. Tatsächlich wurde jedoch eine sinkende Nachfrage Deutschlands nach Erdgas in den nächsten Jahren und Jahrzehnten berechnet. In Zukunft wird fossiles Erdgas generell nur noch eine untergeordnete Rolle in der deutschen Energieversorgung spielen. Gründe dafür sind vor allem die langfristig niedrigen Strompreise, hohe Überkapazitäten in der konventionellen Energieproduktion und Fortschritte im Bereich der regenerativen Energien. Somit zeigt sich deutlich, dass es derzeit und auch in den kommenden Jahrzehnten keinen Bedarf für zusätzliche Erdgasimporte geben wird.  

Doch wie sieht es mit den Kosten und Erlösen aus? 

Ebenfalls nicht gut. Die Baukosten von insgesamt 9,5 Milliarden Euro werden zur Hälfte von Russland, zur anderen Hälfte von den europäischen Teilnehmerstaaten getragen. Insgesamt werden die Kosten für Nord Stream 2 mit 17 Milliarden US-Dollar angegeben, die kalkulierte Ersparnis für die Umgehung der Ukraine wurde nur mit 700 Millionen US-Dollar angegeben. Da sich aber, wie oben bereits erläutert, der Absatz an Erdgas in Europa nicht erhöhen wird, sondern sogar verringern wird, wird jährlich mit Verlusten in Milliardenhöhe gerechnet. Zusätzliche Gasleitungen in Deutschland, welche für die Fertigstellung von Nord Stream 2 benötigt werden, kosten noch einmal etwa 500 Millionen Euro, welche auf die Verbraucher*innen umgelegt werden sollen.  

Mögliche weitere ökonomische Konsequenzen, welche aktuell noch nicht kalkuliert werden können, sind beispielsweise Wirtschaftssanktionen der USA gegen europäische Staaten. Sowohl die damalige Trump-Administration als auch die aktuelle Regierung unter Präsident Joe Biden stehen dem Vorhaben ablehnend gegenüber. Sanktionsdrohungen der USA führten bisweilen schon zum Ausstieg einiger Firmen aus Nord Stream 2 und gefährden möglicherweise die Fertigstellung des Projekts auf den letzten, fehlenden Kilometern. So belegte die ehemalige Regierung unter Donald Trump noch am 25.01.2021 das russische Unternehmen KVT-RUS mit Sanktionen und erklärte das Verlegeschiff „Fortuna“ zu „blockiertem Eigentum“. Doch auch unter Präsident Biden sind weitere Maßnahmen gegen russische und auch europäische Unternehmen nicht völlig ausgeschlossen. Der Standpunkt der neuen US-Regierung bleibt der gleiche wie unter Trump. Die deutsche Bundesregierung bemühte sich währenddessen schon um „Einigungsversuche“ mit den Vereinigten Staaten. 

Es steht also völlig außer Frage, dass dieses Projekt ökonomisch gänzlich unrentabel ist.  

Doch auch aus ökologischen Gründen kann und muss Nord Stream 2 kritisiert werden.  

Im Jahr 2020 hat das Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht an der Technischen Universität Berlin ein Rechtsgutachten über die Umweltverträglichkeit einer weiteren Gaspipeline in der Ostsee und aller damit einhergehenden Konsequenzen erarbeitet. Das Resultat des Gutachtens war alarmierend. So gebe es „erhebliche Hinweise darauf […], dass die Methanemissionen der Gasförderung in Europa und Russland tatsächlich höher sind, als bislang angenommen bzw. von den Vorhabenträger[*innen] angegeben.“ (Zitat von der Umwelt-Rechtsanwältin Cornelia Ziehm aus der „WirtschaftsWoche“ vom 05.03.2020).  

Laut der Deutschen Umwelthilfe muss der Einfluss von Erdgas auf das Klima noch genauer erforscht werden. Des Weiteren muss geklärt werden, unter welchen ökologischen Standards das Erdgas gefördert werden kann, wie es verarbeitet und transportiert werden kann. Die Verbrennung von Erdgas an sich ist weitgehend umweltschonend, jedoch wird beim Abbau des fossilen Gases Methan freigesetzt. Dies ist dahingehend problematisch, weil Methan ein weitaus klimaschädlicheres Gas als Kohlenstoffdioxid ist. Die Auswirkung von Methan auf unser Klima ist in etwa 84-mal stärker als das bei Kohlenstoffdioxid der Fall ist, bei einer Betrachtung über einen Zeitraum von 20 Jahren. Laut Aussagen der Nord Stream 2 AG werden alle anerkannten Standards sowohl bei der Förderung als auch beim Transport umgesetzt. Dies wird allerdings von der Deutschen Umwelthilfe stark angezweifelt, weshalb weitere Überprüfungen durchgeführt werden sollen, welche das Projekt verzögern würden. Die an Nord Stream 2 beteiligten Unternehmen sehen keinen Grund für weitere Überprüfungsmaßnahmen und verweisen stattdessen auf die Genehmigungen diverser Behörden, wie durch das Bergamt Stralsund für die Anladestation und das deutsche Küstenmeer.  

Die deutsche Regierung sollte jegliche Beteiligung an Nord Stream 2 einstellen, denn Deutschland gefährdet dadurch seine eigene Energiewende und seine Klimaziele, setzt mutwillig die Souveränität der Ukraine und weiterer Staaten aufs Spiel, investiert Unmengen an Geld in ein nicht zukunftsfähiges, unrentables und unwirtschaftliches Vorhaben und zieht sich selbst blindlings in eine geopolitische Katastrophe ungeahnten Ausmaßes hinein. Die Bundesregierung wäre besser beraten, wenn dieses Geld dort eingesetzt werden würde, wo es aktuell so dringend gebraucht wird: Im Bildungssystem, für erneuerbare Energie, für Klimaforschung, für die Mobilitätswende und in unser Gesundheitswesen.  

Denn anders scheint der aktuelle Umgang der EU mit den Menschen in Moria nicht zu erklären zu sein. Die Situation in dem provisorischen Lager, das für ursprünglich 2800 Menschen gedacht war, war bereits vor den vernichtenden Bränden verherrend. 13.000 Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, befinden sich nun ohne zugelassene Hilfe von NGOs auf der Straße – während einer Pandemie. Die Würde dieser Schicksale, die nun Abwasser trinken müssen, weil sie keine andere Wahl haben, scheint der EU egal zu sein. Nur wenige Staaten sind bereit, der humanitären Katastrophe entgegenzuwirken. Das Land mit 83 Millionen Einwohner*innen und einer Fläche von 357.582 km2 traut sich nicht mehr als wenig Hundert „besonders Schutzbedürftige“ zu und Menschenhasser wie Orban, Kurz oder die gesamte PiS-Partei blocken vollkommen ab. Die Europäische Union scheitert in dieser Hinsicht auf ganzer Linie. Die Kanzlerin muss sich der Verantwortung der deutschen Ratspräsidentschaft bewusst werden und konsequent für Artikel 1 unserer Verfassung eintreten. Konsequenterweise müsste man interne Störfriede die Leviten lesen.

Bei einer Abstimmung, eingebracht von der Opposition, hätte das Elend auf Moria bereits früher beendet werden können. Der Sozialdemokratie schien der Koalitionsfriede jedoch wichtiger gewesen zu sein als Menschenleben zu retten. Klingt hart, ist aber leider so. Die SPD muss nun endlich für ihre Werte einstehen und der Union Druck machen. Die Katastrophe in Moria muss endlich beendet werden, das Lager aufgelöst und die Menschen gerecht auf alle EU-Staaten verteilt werden. Wir haben Platz!

Und an alle konservativen Politiker*innen, die dann Angst haben, dass nun alle Flüchtlinge ihre Lager anzünden: Schämt euch.

Seit nun mehr sieben Wochen gehen auf der ganzen Welt Schüler*innen auf die Straße um für eine bessere, nachhaltigere Klimapolitik zu demonstrieren. Sie rufen: „Wir sind hier wird sind laut weil ihr uns die Zukunft klaut“.

Bei uns in Deutschland haben diese eine ganz eigene Debatte losgetreten, nämlich um die Schuldpflicht. Zumeist aus Union und FDP lautet es, es ist schön, dass die Schüler*innen sich für Politik interessieren, aber sie sollen es doch bitte in ihrer Freizeit tun und nicht während der Schulzeit. Diese Auffassung erscheint etwas bizarr, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass wir in den letzten Jahren sehr viel Unterrichtsausfall hatten und die Unions und liberal geführten Länder sich hervortun, um diesem Trend entschieden entgegenzuwirken, so wichtig scheint der Bildungsauftrag dann doch nicht zu sein.

Ein Argument, welches oft von den Demo-Befürworter*innen aufgeworfen wird ist, dass in vielen Bildungsgesetzen, meist recht prominent zu Beginn des Gesetzes als Ziel der Bildung genannt wird, dass man die Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen dieser Gesellschaft heranzuziehen. Da zur Mündigkeit der Bürger*innen auch die Wahrnehmung von Grundrechten gehört, dürfte unstrittig sein.

Was mir in der ganzen Diskussion fehlt ist, dass überhaupt nicht darauf geschaut wird, wer hier auf die Straße geht. Die Schüler*innen sind die kommenden Generationen, die dieses Land in Zukunft steuern werden. Die Betonung liegt hierbei auf ZUKUNFT. Der wohl größte Teil der Demonstrant*innen ist unter 18, also nach unserem Recht nicht wahlberechtigt. Für mich ist dies das Hauptargument warum diese jungen Menschen ein höheres Anrecht darauf haben, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren und zwar wann sie wollen und wo sie wollen.

Die Begründung ist recht einfach bedarf aber einem kleinen Exkurs ins Staatsrecht. Nach unserem demokratisch-politischen Verständnis muss jede politische Entscheidung die getroffen wird, auf den Willen des (Wahl) Volkes zurückzuführen sein. Diese Legitimation liegt hauptsächlich in den Wahlen zum Bundestag und dem jeweiligen Landtag die wir in einem festen Turnus abhalten. Die Wahlen dienen hierbei als Kontrolle der Regierung, die je nachdem wie die Wählerschaft entscheidet dann entweder weiterregiert oder von einer neuen Regierung abgelöst wird.

So wird entschieden welche Politik von der demokratischen Mehrheit gewollt (oder zumindest von Nichtwähler*innen hingenommen) ist und welche nicht.

Im Gegensatz zur wahlberechtigten Bevölkerung ist nun die Nicht-Wahlberechtigte zu sehen, also ein Großteil der Demonstrant*innen die Woche für Woche auf die Straße gehen. Kinder und Jugendliche haben nicht die Möglichkeit über das politische Geschick mitzuentscheiden und so z.B. eine ökologischere Politik zu bestimmen. Ihnen bleibt nur der Protest um am politischen Diskurs teilzunehmen und ihrer Meinung gehör zu verschaffen.

Die Bundesregierung ist sich indes uneins. So bequemte sich zu Beginn des aufkommenden Protestes noch Peter Altmaier, seines Zeichens Bundesminister für Wirtschaft und Energie, zu einer Kundgebung in Berlin, jedoch wurde dies recht schnell als von ihm als „Scheißidee“ bezeichnet, weil er nur lauten Unmut der Demonstrierenden zu hören bekam, aber wen wundert das auch. Lösungen sind in der Politik aktuell nicht zu sehen, es wird viel lieber lamentiert, dass man ja die Klimaziele schon noch erreichen wird, dass man doch jetzt mit dem Kohle-Austiegsdeal zum Jahr 2038 einen guten Kompromiss gefunden hätte, der von Vertreter*innen aus Wirtschaft, Gewerkschaft und Umweltschutz ausgehandelt wurde.

Dieser Deal hat nur einen großen Haken, nämlich den, dass das Klima sich blöderweise nicht an Deals hält. Der Klimawandel kommt, wie stark er sich auswirkt kommt auf unser Handeln, jetzt und in den nächsten Jahren an.

Der Umbruch in eine klimafreundliche Wirtschaft kostet Arbeitsplätze und viele Menschen werden es nicht schaffen sich durch Umschulungen am ersten Arbeitsmarkt halten zu können. Das schmerzt besonders die Sozialdemokratie, als starke Arbeiter*innenbewegung, aber das gehört zur Wahrheit dazu. Wenn wir diesen schmerzhaften Weg jetzt nicht gehen wird es umso schwieriger für die kommenden Generationen und diese werden uns zurecht fragen, warum wir nichts getan haben um das zu verhindern, wenn wir doch so lange schon die Anzeichen gesehen und auch erkannt haben was diese bedeuten.

Um es mit Greta Thubergs Worten zu schließen:

„Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute.“

2016 war ein entscheidendes Jahr. Nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für die ganze Welt. Ein Mann, der durch Tweets seine Entscheidungen verkündet, diskutiert seitdem mit Machthabern wie Kim Jong-un oder Wladimir Putin. Er nutzt nicht wie frühere amerikanische Präsidenten sein rhetorisches Können und große Worte, um die Welt zu beeinflussen. Er wird in die Geschichte mit einem Tweet eingehen. In den Medien regieren seine schnell getippten in der Anzahl eingeschränkten Worte. Seinen erneuten Antritt zur Präsidentenwahl hat er jetzt verlautet. Doch wo ist die andere große Partei aus der USA? Was ist ihre Strategie für die Kongress- und Präsident*innenwahlen? Die Demokrat*innen setzen auf das Element, welches Trump am aller Meisten stören werden: die Vielfalt. Weiblichkeit, Religionszugehörigkeit oder/und Menschen mit Migrationshintergrund sollen gestärkt werden.

Die Demokrat*innen haben einen neuen Weg eingeschlagen. Sie wollen alle „Alt-Politiker*innen“ mit neuen, vielen unterschiedlichen Gesichtern besetzen. Sie wollen eine bunte Partei und es nach außen zeigen.

Mit Rashida Tlaib hat eine Kandidatin die Vorentscheidung für den Kongress gewonnen. Durch sie wird die aller erste Muslima in den amerikanischen Kongress einziehen. Zu ihrem Vorteil: die Republikaner*innen haben in ihrem Wahlbezirk keinen Kandidierenden. Ein großer Schritt für diese Religionsgemeinschaft, dass sie nun eine Vertreterin bekommen. Traurig, dass es erst jetzt geschieht.

Eine weitere Kandidatin ist die Latina Alexandria Ocasio-Cortez. Sie beschreibt sich selber als links- und auch von außen wird so eingeschätzt. Sie tritt zum ersten Mal für ein Amt an und möchte Stimmen für sich gewinnen mit Themen, die alle Amerikaner*innen betreffen. (nicht so wie Trump- der nur für seine Mitreichen entscheidet). Das Strafrecht muss reformiert werden und eine Krankenversicherung zwei der großen Prioritäten. Ihrer Meinung nach „Das sind die Probleme, die zu den Herzen der Wähler*innen sprechen und ihre Zukunft mitentscheiden.“

Mit ihrer Herkunft spricht sie Minderheiten an, denn die Arbeiter*innen sind nicht nur weiß und männlich. Sie möchte aber für alle sprechen. Ihre Erfahrungen sollen ihre Politik entscheiden. Die USA wird von Menschen mitgetragen, die aus allen Ethnien, Religionsgruppen und Ländern der Welt kommen. Sie wollen sich wieder auf „working class“ fokussieren. Back to the roots!

Nach der Niederlage 2016 musste sich die Partei aufstellen. Latinas und Latinos wollen mehr präsenz in der Politik haben und nicht mehr unsichtbar sein. Diese Chance bietet diese Partei.

Aber man muss aufpassen, dass die Minderheiten nicht für die Macht ausgenutzt werden und nur helfen sollen die Partei aus der Asche wieder auferstehen zu lassen. Die Möglichkeit muss genutzt werden, Agenda Setting selbst in die Hand zu nehmen.

Es ist jetzt die Möglichkeit, die politische Realität in den USA zu verändern und die Democrats wieder Einfluss zu ermöglichen, um den Irrsinn zu beenden. Es ist ein Weg, um die linke Bewegung weltweit voranzubringen.

Als ich heute morgen das Morgenmagazin eingeschaltet habe, war das erste, was ich gehört habe: „eine Lösung ist in der Asylpolitik gerade nicht abzusehen, aber jetzt geht’s erstmal in die Sommerpause.“ Meinen Kaffee zum Wachwerden brauchte ich da nicht mehr, das hat das Adrenalin erledigt.

Aber beginnen wir von vorne. Kurz und knapp, ihr kennt den Inhalt vermutlich sowieso. Neu entbrannt ist das Thema durch den Asylstreit der Union. Hier hat die CSU mit ihrem Gepoltere nicht nur die Unionsgemeinschaft aufs Spiel gesetzt, sondern auch die deutsche Regierung und massiv gegen Europa geschossen. Angela Merkel hat sich mit den Regierungschef:innen Europas getroffen, um einen Kompromiss auszuhandeln, mit dem auch die CSU einverstanden sein kann. Letztendlich gab es einen Unionskompromiss, den die SPD wiederum ablehnte. Stattdessen tagte der Koalitionsausschuss, um sich auf Forderungen zu einigen, die allesamt im Koalitionsvertrag stehen. Jetzt könnte man meinen: Das passt doch. Aber weit gefehlt.

Ich bin froh, dass die SPD Haltung gezeigt hat und es geschafft hat, dass die CSU keine ihrer unsäglichen Punkte durchsetzen konnte. Aber die Verteidigung des Status Quo sollte nicht der Anspruch progressiver und, vor allem in der Flüchtlingspolitik, auch menschlicher Politik sein. In der Einigung aus dem Koalitionsausschuss steht auch, die Regierung wolle FRONTEX stärken und Außengrenzen besser schützen. Das wollen auch die EU-Staaten. Was heißt das nun aber?

Sicherung der Außengrenzen

Beginnen wir mit der Sicherung der Außengrenzen. Die Europäische Union schützt ihre Außengrenzen entweder durch Zäune, wie in Ungarn, oder durch Deals mit Machthabern wie Erdogan in der Türkei oder Mahamadou Issoufou im Niger. Entwicklungszusammenarbeit soll vor allem mit sogenannte Transitländer stattfinden, also in Ländern, die auf Fluchtrouten liegen. Ob diese Länder Menschenrechte achten oder nicht, ist hierbei sekundär – Flüchtlinge aufzuhalten, bevor sie zum Mittelmeer kommen scheint das einzige Ziel zu sein. Hierbei arbeitet die Europäische Union auch mit Omar al-Bashir, dem wegen Völkermordes angeklagten Präsidenten des Sudan, oder Isaias Afwerki, der seit 1993 Chef der amtierenden „Übergangsregierung“ Eritreas ist – ohne Opposition. Um die Fluchtrouten zu schließen, gibt es Geld, Ausbildung der Soldat:innen und Technik.[1]

Das hält Menschen aber nicht davon ab, vor Krieg, Hunger und Perspektivlosigkeit zu fliehen. Durch die Maßnahmen der EU wird diese Flucht aber gefährlicher. Die Internationalen Organisation für Migration (IOM) geht davon aus, dass in der Ténéré-Wüste im westafrikanischen Staat Niger ungefähr drei Mal so viele Menschen sterben wie im Mittelmeer. Da die Checkpoints auf den sicheren Routen geschlossen wurden, weichen die Schleuser in die Wüste aus.[2]  Niemand kann genau sagen, wie viele Tote dort mittlerweile liegen.

Internationale Journalist:innenteams werden häufig mit dem Verweis, es sei zu gefährlich nicht in die Wüste vorgelassen. Auch die Camps in Libyen sind für Journalist:innen gesperrt. Misshandlungen, Vergewaltigungen und menschenunwürdige Bedingungen sind hier an der Tagesordnung. [3] „Dort herrschten entsetzliche Zustände, kritisierte er [der UN-Sprecher]. In diesen Lagern seien auch Tausende von Menschen untergebracht, die nach Einschätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks Anrecht auf Asyl oder zumindest internationalen Schutz haben.“ [4] Hauptsache niemand sieht das Elend der Menschen. Hauptsache, die Menschen kommen nicht nach Europa.

FRONTEX stärken

Aufgrund der aktuellen Situation im Mittelmeer hat für mich der Ausbau von FRONTEX einen enorm bitteren Beigeschmack. Im letzten Monat sind so viele Menschen ertrunken wie noch nie, weil man die Menschen, die nicht zusehen können und helfen, kriminalisiert und an ihrer Arbeit hindert. Dieses Jahr wurden 40% der Rettungseinsätze durch private Helfer durchgeführt. Das Verbot der NGO-Aufklärungsflugzeuge, die nach in Seenot geratenen Schiffen suchen, zeigt doch wieder einmal, dass man einfach wegschauen will. [5]

Die EU will hier verstärkt mit der sogenannten Libyschen Küstenwache zusammenarbeiten. Niemand weiß genau, welchem Machthaber die Einheiten unterstehen. Diese bekommen schon länger Geld und Ausrüstung durch die Europäische Union. Seit 2016 weitete die EU das Mandat auf die Ausbildung der Küstenwache und Marine aus. Immer wieder gibt es allerdings Nachrichten über Attacken auf Flüchtlingsretter:innen und Einsätze, die für die Flüchtlinge tödlich enden.

Franziska Vilmar, Amnesty International: „Bei den Seenotrettungseinsätzen hat die Libysche Küstenwache sehr rabiat gehandelt. Wir haben immer wieder festgestellt, dass Menschen dabei selbst gefährdet worden sind, dass sie teilweise auch ihr Leben verloren haben, aber dass sie, sobald sie an Bord waren, auch geschlagen worden sind und unter Waffengewalt zurückgebracht worden sind in die libyschen Lager.“ [6]

Trotzdem möchte die Europäische Union noch mehr auf die libyschen Küstenwächter:innen setzen, es soll dort eine eigene Leitstelle entstehen.  Die Küstenwache gilt als zutiefst korrupt. Immer wieder wird ihnen Zusammenarbeit mit den Schleuser:innen vorgeworfen. Erst letzten Monat wurde Abd Al Rahman al-Milad, Leiter der Küstenwache in Zawiyah[7], auf die UN-Sanktionsliste gesetzt. Ihm wird Menschenschmuggel und die mutwillige Versenkung eines Flüchtlingsbootes mit Schusswaffen vorgeworfen. Ich glaube nicht, dass wir, die uns für Menschlichkeit und Demokratie feiern, mit solchen Organisationen zusammenarbeiten dürfen.

Und nun?

Seehofer will mit Orban und Kurz einen Plan erstellen, wie man die Mittelmeerroute schließt. Davon wird mir schlecht und das macht mir Angst. Wie sowas aussehen kann, erleben wir jetzt grade. Die europäischen Häfen machen für die Boote freiwilliger Hilfsorganisationen dicht. In Malta steht der Kapitän des Lifeline vor Gericht, nachdem sie eine Woche lang mit 234 Menschen an Bord durch das Mittelmeer gefahren sind und kein Land sie anlegen lassen wollte.

Das ist nicht mein Europa. Ich habe nach wie vor die Vision eines offenen und solidarischen Europas. Solidarisch nicht nur untereinander (wobei selbst das gerade fragwürdig ist), sondern auch mit anderen Ländern dieser Erde und vor allem solidarisch mit Menschen. Wir brauchen legale Fluchtkorridore, damit Menschen nicht gezwungen werden illegale und gefährliche Wege zu gehen. Sebastian Kurz, der österreichische Kanzler, der nun ein halbes Jahr lang den EU-Ratsvorsitz hat, stellt in Frage, ob “alle 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, wirklich automatisch das Recht haben, dass sie einen Asylantrag in Europa stellen können, oder ob sie den nicht auch anderswo auf der Welt stellen könnten.”  Er sprach sich dagegen aus, dass in den von der EU geplanten Aufnahmezentren die Möglichkeit geschaffen wird, Asylanträge zu stellen. Breaking News: Ja, alle Menschen haben erst einmal das Recht einen Asylantrag zu stellen.

Unser Ansatz darf aber nicht sein, den Menschen ihre zustehenden Rechtsmöglichkeiten zu nehmen, sondern ihnen keinen Grund zur Flucht zu geben. Niemand setzt sich aus Spaß in ein überfülltes Schlauchboot. Die Menschen sind sich bewusst, dass sie bei dieser Überfahrt sterben können, trotzdem machen sie sich lieber auf den Weg. Fluchtursachen bekämpft man nicht, indem man Grenzen hermetisch abzuriegeln versucht. Fluchtursachen bekämpft man, indem man aufhört Waffen in Krisengebiete zu schicken, indem man aufhört dubiose Machthaber:innen zu unterstützen und indem man aufhört andere Länder zu unseren Gunsten auszubeuten. Falls ihr euch fragt, wie das geht, verweise ich an dieser Stelle auf einen Blogbeitrag aus dem Jahr 2016, der nach wie vor aktuell ist:

Fairer Handel auch mit Afrika!

 

Was tun?

Mein Appell? Hört auf mit Menschenleben Politik zu machen! Mir ist vollkommen egal woher Menschen kommen, wenn sie Hilfe brauchen, dann muss man helfen.

Wir spielen uns auf als das wunderbare, friedliche Europa und vor unseren Türen ist ein Massengrab. Helft, spendet, schreibt euren Abgeordneten und zeigt ihnen, dass wir vor diesem Sterben nicht die Augen verschließen wollen!

Wenn andere es schon nicht machen, lasst uns ein Zeichen für Menschlichkeit setzen. Lasst uns das Europa sein, das wir wollen. Das schaffen wir nicht durch wegschauen oder meckern, das schaffen wir nur, wenn wir zusammen anpacken.

 

[1]http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/fluechtlinge-aus-afrika-eu-deals-mit-afrikas-diktatoren-a-356517

[2]https://www.tagesschau.de/ausland/niger-fluechtlingsroute-101.html

[3]https://youtu.be/BqA2uhfYEfE

[4]https://www.tagesschau.de/ausland/papst-migrationspolitik-101.html

[5]https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-mittelmeer-251.html

[6]https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/toedliche-seenotrettung-100.html

[7]https://www.maritime-executive.com/article/un-blacklists-libyan-coast-guard-leader-for-migrant-smuggling#gs.kHdB=3w

Am Ende des EU-Gipfels steht ein simples Ergebnis: Teile des Fundaments der Europäischen Union werden demontiert. Die Solidarität, einst das Komplement zur wirtschaftlichen Freizügigkeit und damit der Sicherungsmechanismus gegen Marktversagen, ist dahin. Übrig bleibt eine Union, in der Entscheidungen auf Minimalkonsens reduziert werden. Jegliche Vereinbarung, die kurzfristigen nationalen Interessen zuwider läuft, wird, obgleich ihrer langfristigen Vorteilhaftigkeit, für nichtig erklärt. Das Ziel der langfristigen EU-Integration, des Zusammenwachsens, der Vereinigten Staaten von Europa, ist weit in die Ferne gerückt, in manchen Ländern aufgegeben.

Dies alles ist Ergebnis einer nationalen Politik, die entweder bereits von Rechtspopulist*innen gestaltet wird, wie in Österreich, Ungarn, Italien oder Polen, oder einer Politik, die aus der Angst heraus, kurzfristig mit unpopulären Maßnahmen Prozentpunkte in Umfragen an Rechtspopulist*innen abzutreten, gelähmt in ihrem Gestaltungsanspruch ist, wie in Deutschland oder den Niederlanden. 

Man kann den demokratischen Kräften Europas ein einfaches Zeugnis ausstellen: Die Aufgabe ihrer humanitären Grundwerte in der Asylpolitik entspricht einer Bankrotterklärung, einem Räumen des Felds. Politik ohne Gestaltungsanspruch und ohne Werte reduziert das eigene Regieren auf das bloße Verwalten. Langfristig marginalisieren die demokratischen Kräfte Europas damit nicht nur die EU, sondern auch sich selbst. 

Jubeln werden die Rechtspopulist*innen: Ohne die Mehrheit im Europäischen Parlament wird nun trotz alledem aus schierer Angst und Paralyse genau die von ihnen eingeforderte Asylpolitik betrieben: Mehr Abschottung, weniger Menschenrecht, weniger Flüchtlinge, mehr Tote.

Dabei wäre die Kapitulation der demokratischen Kräfte vermeidbar gewesen: Rückläufige Asylzahlen führen zu einem Abbau der Fallzahlen in den Ämtern und damit zu einem absehbaren Ende der Überlastung von Verwaltung und Justiz. Ein brummender Arbeitsmarkt in Kontinentaleuropa und ein Aufschwung in den südeuropäischen Ländern schaffen Platz für Integration und einen leistungsfähigen Sozialstaat. Und der Rückzug der USA als Gestaltungsmacht der globalen Außenpolitik bedeutet Raum für die europäische Diplomatie, die Alternativen zu Auslandseinsätzen zum Zweck der globalen Friedenssicherung und -stiftung aufzeigen hätte können.

Ergebnis einer solidarischen EU wäre langfristig Prosperität, ausgleichende Stabilität und internationale Reputation gewesen. All dies hätte zur Identifikation mit der EU beitragen und den Rechten das Wasser abgraben können. Stattdessen aber entschließen sich die demokratischen Kräfte, in die gegensätzliche Richtung zu marschieren. Anstelle von Solidarität treten nun nationale Egoismen. Anstelle von ausgleichender Stabilität tritt nun mehr Volatilität auf den europäischen Märkten, und damit stärkere Zyklen bei Löhnen, Arbeitslosigkeit und Preisen. Und anstelle des internationalen Einsatzes für das Menschenrecht schaut die EU künftig bei Menschenrechtsverletzungen weg. 

Langfristig kann das Projekt EU nur dann Erfolg haben, wenn es die geltende Freizügigkeit mit einer starken Solidargemeinschaft flankiert. Dass die am Gipfel verhandelnden Staats- und Regierungschefs daran in großen Teilen nicht interessiert sind, das ist das eigentliche Ergebnis des Treffens.

 

Die Zollpolitik ist zurück. Schon überwunden geglaubt nach erfolgreichen WTO-Verhandlungsrunden, und dem Traum von freiem, fairem Handel näher als früher, setzt nun wieder eine handelspolitische Eiszeit ein. In Wild-West Manier fuchtelt US-Präsident Trump mit seiner Handelspolitik herum wie mit einer Pistole und schießt blind gegen alles und jeden. Heute mal gegen die EU, China und andere Handelspartner im Streit um Handelsüberschüsse. Zur Zeit setzt er der EU und anderen die Pistole auf die Brust und droht mit Strafzöllen auf Aluminium und Stahl.

Zwischenstand: USA 1, EU 0

Am Dienstag hat Donald Trump die Entscheidung über die Strafzölle auf europäischen, mexikanischen und kanadischen Stahl und Aluminium um vier Wochen auf 1. Juni vertagt. Der US-Präsident ordnete im März 2018 zusätzliche Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium an. Grund hierfür sei die nationale Sicherheit. Importe seien existenzbedrohend für die heimische Branche; diese sei aber wegen ihrer Bedeutung für die Streitkräfte und Infrastruktur essenziell für die Sicherheit des Landes. Die Handelsbarrieren sollen die inländische Produktion so stärken, dass die USA weniger abhängig von ebendiesen Importen ist. Vertreter aus Brüssel, Ottawa und Mexiko-Stadt versuchen in Verhandlungen mit Washington einen Kompromiss und eine dauerhafte Ausnahme zu erzielen. Für den Fall, dass die Strafzölle doch noch in Kraft treten, hat die EU bereits Gegenmaßnahmen wie Zölle auf verschiedene US-Güter angekündigt.

Doch wieso wird sofort von einem Handelskrieg gesprochen? Am Beispiel Stahl sieht man die Auswirkungen der Strafzölle auf Europa. Einerseits steigen die Stahlpreise in den USA, da Importe nun mit einer „Steuer“ belegt werden. Stahlproduzent:innen aus dem Rest der Welt können jetzt nicht mehr mit US-amerikanischen Unternehmen auf dem US-Markt konkurrieren, da sie vergleichsweise teuer werden. Es wird weniger Stahl in die USA verkauft und das Angebot dort verknappt sich. Deswegen können inländische Unternehmen nun deutlich höhere Preise verlangen.

Exkurs: Wer sind die Gewinner und Verlierer dieser Handelspolitik in den USA?

 

US-amerikanische Firmen, die diesen Stahl kaufen und weiterverarbeiten, und – in zweiter Konsequenz – auch amerikanische Konsument:innen tragen die höheren Kosten, die durch die Strafzölle entstehen. Stahlproduzent:innen und –arbeiter:innen profitieren hingegen von den höheren Preisen und der geringeren Konkurrenz. „America first“ bedeutet in diesem Fall wohl eher „US-Stahlindustrie first“. Genau deshalb ist die Kritik auch innerhalb der Vereinigten Staaten groß. Gesamtökonomisch betrachtet ist diese Politik nämlich trump’scher Unsinn: Strafzölle, sind ein Schuss, der nach hinten losgeht.  Konsument:innen leiden, Unternehmen, die Stahl als Vorprodukt verwenden, leiden auch und die Zolleinnahmen, die neu generiert werden, können dies nicht wettmachen. Trump, der sich als Beschützer amerikanischer Stahl-Arbeitsplätze inszeniert, vergisst, dass diese nun in anderen Bereichen der Wirtschaft abgebaut werden.

Andererseits können Produzenten aus dem Rest der Welt jetzt weniger exportieren, da sie durch den Zoll künstlich weniger konkurrenzfähig gemacht worden sind. Wenn der Nachfrageeinbruch in den USA sehr groß ist, d.h. wenn die USA zuvor sehr viel Stahl und Aluminium importiert hat, können die Preise auf dem Weltmarkt sogar sinken. Für die europäische Stahlindustrie wäre das sehr negativ.

Neben den Zöllen an sich, ist auch die Art und Weise der eventuellen Einführung problematisch: Firmen versuchen sich natürlich auf die Handelspolitik zu reagieren. So werden sie z.B. weniger in Europa investieren, wenn sich die Gewinnaussichten wegen der Zölle hier verschlechtern. Auch US-Firmen werden sich wegen der erwarteten Verteuerung der Produktionsinputs nach Alternativen umsehen. Da Präsident Trump nun aber die Entscheidung weiter in die Zukunft verlegt hat, können sich Konsument:innen und Firmen noch nicht oder nur unter Spekulationen auf die Veränderungen vorbereiten. Zu Recht kritisiert die EU-Kommission: „Die US-Entscheidung verlängert die Unsicherheit auf den Märkten.“

Zudem darf man nicht einfach nur die ökonomischen Auswirkungen der amerikanischen Zölle heute betrachten, sondern muss auch deren längerfristige Folgen miteinbeziehen. Bereits jetzt hat die EU vor Vergeltungszölle auf US-Importe zu erheben. Ein immer weiter eskalierender Handelskrieg scheint nicht weit.

Aus diesen Gründen versucht die EU, z.B. durch Verhandlungen und US-Besuche von Macron und Merkel, die drohenden Zölle abzuwehren. Bis jetzt nur mit kleinen Erfolgen.

Faktencheck: US-amerikanische und europäische Zölle im Vergleich

 

Doch was steckt hinter den Zolldrohungen? Trump beklagt ein generelles, eklatantes Ungleichgewicht im Warenverkehr mit Europa. Dies misst er am hohen EU-Überschuss im Handel mit den USA: 2017 waren es etwa 120 Milliarden Euro. Zudem wirft der US-Präsident den Europäern vor, deutlich höhere Zölle als die USA zu erheben, z.B. auf Autoimporte. Hat er Recht? Leider ja.

Die EU ist nicht das Paradies für Freihandel, für das sie sich gerne hält, insbesondere im Vergleich mit den USA. Die folgende Tabelle zeigt: Der ungewichtete Durchschnittszoll der EU liegt bei 5,2%, jener der USA bei 3,5%, wie das ifo Institut berichtet. Das bedeutet, dass die EU insgesamt höhere Zölle erhebt als die Vereinigten Staaten. Außerdem verbergen diese Durchschnittswerte hohe Zollspitzen in vielen wichtigen Branchen, wie etwa in der besagten Automobilindustrie. Wenn Präsident Trump also über „massive Zölle“ klagt, hat er zumindest teilweise nicht Unrecht.

Vergleich: Europäische vs. US-Zölle

Der Exportweltmeister Deutschland sollte sich hier vielleicht einmal an die eigene Nase fassen. Lebt die deutsche Wirtschaft und Regierung eine aggressive Exportkultur? Um diese Frage abschließend zu beantworten, könnte man einen zweiten Artikel über europäische Exportsubventionen an die Agrarwirtschaft, die viel zitierten Milchseen und Butterberge, deutsche Lohnzurückhaltungen, und, und, und, schreiben.

Strukturelle Ungleichgewicht im Welthandel hin oder her, Strafzölle sind nicht die richtige Antwort. Ganz im Gegenteil: ein Rückschritt. Sie legen Welthandelsströme und damit die internationale (Wirtschafts-)Zusammenarbeit auf Eis und befeuern nationalistische Ressentiments á la Trump. Seine „America first“-Politik verfolgt ein bestechend einfaches Muster: Finde Schuldige für einen Missstand und tu das, worin Trump am besten ist: diskriminiere sie, mobbe sie, schließe sie aus. 2017 war es unter anderem der sog. „Muslim ban“, der Bürgern aus einigen mehrheitlich muslimischen Staaten die Einreise in die USA verbot; Schuld seien sie am Terror. Heute sind es Handelsprodukte aus dem bösen Europa und China; Grund für den Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand, wie argumentiert wird. Was wird es morgen sein?

Stein für Stein setzt Trump sein Wahlversprechen einer Mauer um. Doch nein, der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko stockt, weil vom Kongress noch nicht genug Geldmittel freigegeben wurden. Die Mauer, die der US-Präsident viel erfolgreicher baut, ist die Mauer in den Köpfen unserer Gesellschaft. Jedes Mal, wenn Twitter-Trump Tiraden gegen wen auch immer verfasst, wird es ein Stück normaler und gewohnter in seinen Kategorien zu denken: Wir gegen die anderen. Nicht wir alle gemeinsam und solidarisch für eine bessere Welt, sondern halt „America first“. Auch gerne auf Kosten anderer.

Es ist die Ironie unserer Zeit: Noch nie war die Welt so globalisiert, so vernetzt und Entfernungen so nah. Und gleichzeitig scheinen manche Mauern unüberwindbar wie eh und je.

Seit 2010 veröffentlicht die jüdische NGO „Simon Wiesenthal Center“ in Los Angeles jährlich eine Liste mit den „Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“, den 10 schlimmsten antisemitischen und antiisraelischen Verunglimpfungen. Auf diesen Listen finden sich bekannte Namen, wie etwa der amerikanische Neonazi Richard Spencer oder etwa der Israelhasser und Pink Floyd-Bassist Roger Waters. Als das SWC dieses Jahr androhte, den regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, auf diese Liste zu setzen, da er sich nicht ausreichend gegen BDS, kurz für „Boycott, Divestment, Sanction“, positionierte, wurden schnell Konsequenzen gezogen. Er sicherte zu, dass sich seine Stadt mit rechtlichen Schritten gegen BDS, sowie den alljährlich in Berlin stattfindenden antisemitischen Al-Kuds-Marsch einsetzen würde, woraufhin er nicht auf dieser Liste landete.

Diese Einsicht hätte eigentlich schon viel früher kommen müssen. BDS ist nichts anderes als eine zutiefst antisemitische Kampagne und gerade die politische Linke, in der Antisemitismus unter dem Deckmantel der „Israelkritik“ heutzutage vielerorts hoffähig ist, muss sich damit befassen, warum der Kampf gegen diese vom Selbstverständnis her „antiimperialistische“ Organisation so wichtig ist.

Nazimethoden

BDS ist eine von Palästinenser*innen gegründete Bewegung, die, wie der Name schon vermuten lässt, kulturellen, akademischen und wirtschaftlichen Boykott, sowie Desinvestitionen und Sanktionen gegen den Staat Israel fordert. Ihrer Argumentation nach, sei Israel ein „Apartheidsstaat“, in welchem Palästinenser*innen von der jüdischen Mehrheitsbevölkerung unterdrückt würden. Dies geht natürlich klar gegen die Faktenlage, Israel ist ein säkularer, demokratischer Rechtsstaat, der Einzige in dieser Region der Welt. Die Bewegung ist durchsetzt von antisemitischen Verschwörungstheorien, welche aber in meist links gesinnten Köpfen, welche Palästinenser*innen in einem Kampf gegen imperialistische Besatzungsmächte wähnen, gerade in Amerika oder dem UK durchaus auf Anklang stoßen. So bekennen sich einige Labour-Politiker*innen offen zu BDS und auch der ehemalige amerikanische Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders toleriert und fördert in seinem politischen Umfeld Aktivist*innen dieser Bewegung.

Hierzulande tut sich BDS bislang eher schwer, wächst jedoch in Großstädten weiter an. Dies ist gerade in Deutschland ein Skandal. Häufig sind es Nachkommen der Täter*innen der Shoa, die heute zum Boykott gegen Waren aus Israel aufrufen, was stark an die „Kauft nicht bei Juden“-Kampagnen im Nationalsozialismus erinnert, oder am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, eine Demonstration gegen den jüdischen Staat planen. Von verschiedensten politischen Seiten, bis hinein in die Linke, werden der Bewegung daher zurecht Nazimethoden vorgeworfen.

Doppelstandards bei Israel

Im politischen Diskurs wird, wenn es um Israel geht, häufig mit zweierlei Maß gemessen. Die unkritische Aufnahme des Wortes „Israelkritik“ in den Duden ist ein Beispiel hierfür. Für kein anderes Land gibt es ein vergleichbares Wort. Niemand spricht, wenn es um Kritik an einer ausländischen Regierung geht, etwa von Dänemarkkritik oder Australienkritik. Das Wort „Israelkritik“ impliziert, dass es um die Kritik am Staat Israel als solches und damit in letzter Konsequenz um das Existenzrecht geht.

In der Öffentlichkeit wird bei israelischen Antiterrormaßnahmen häufig nur von getöteten Palästinenser*innen berichtet, ohne darauf zu verweisen, dass es sich bei diesen oft um Mitglieder terroristischer Vereinigungen handelt oder aber unterstellt, der Staat wäre alleine für die schwierige Lage im Gaza-Streifen verantwortlich, nicht etwa die Hamas. Dieses Narrativ treibt BDS voran, ohne irgendwelche Aspekte, etwa die israelische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu würdigen.

Zu wirklicher Unterdrückung von Volksgruppen in anderen Regionen der Welt, etwa türkischen Kurd*innen oder Georgier*innen in Russland oder Tibeter*innen in China nimmt die Kampagne keinerlei Stellung und es gibt auch keine vergleichbare weltweit agierende Bewegung. Der Verdacht liegt daher nahe, dass es diese Kampagne nur gibt, weil Israel ein jüdischer Staat ist und diejenigen, die sie betreiben, versuchen ihren Antisemitismus zu rationalisieren.

BDS ist keine Hilfe für Palästinenser*innen

Als einen der größten Erfolge verbucht BDS für sich, dass das israelische Unternehmen „Soda Stream“ eine Fabrik östlich von Jerusalem geschlossen hat. Dass daraus die Arbeitslosigkeit mehrerer hundert Palästinenser*innen resultierte, interessiert BDS nicht. Ein großer Teil der palästinensischen Bevölkerung findet Arbeit bei israelischen Unternehmen, ein Boykott von diesen würde also die wirtschaftliche Situation der Palästinenser*innen stark verschlechtern, viele Existenzen zerstören. BDS geht es ausschließlich um das Zugrunderichten der israelischen Wirtschaft und damit des israelischen Staates, das Leid, das sie dabei bei der palästinensischen Bevölkerung hervorrufen würde, ist der Kampagne egal. Sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde, als auch die al-Quds-Universität lehnen BDS ab.

Geradezu absurd erscheint, dass BDS weltweit Musiker*innen auffordert nicht in Israel aufzutreten, ja selbst dem Berliner Pop-Kultur Festival sprangen Künstler*innen ab, die zuvor von BDS unter Druck gesetzt wurden, da sich die israelische Botschaft mit 500€ am Festival beteiligte. Andere zeigten sich von den Drohungen unbeeindruckt, etwa die Band Radiohead, die ihren Auftritt in Tel Aviv trotz massiver Proteste nicht absagte.

„Gegen jeden Antisemitismus – Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung“

So war der Antrag übertitelt, den die Münchner Stadtratsfraktionen der SPD und CSU am 11.7.2017 beschlossen, womit in Zukunft BDS keinerlei städtische Räume bekommt. Die Grüne Jugend verurteilte BDS bereits, sowie die Jusos und die SPD Berlin. Ein solcher Beschluss der Bundes-SPD muss in naher Zukunft folgen. Es braucht eine aktive und wache Zivilgesellschaft, um alle Formen des Antisemitismus zu bekämpfen.

Was macht ein Juso-Funktionär auf einer CSU-Veranstaltung, besser gesagt einem politischen Frühschoppen der CSU mit Manfred Weber als Hauptredner? Zuhören! Hinterfragen! Inhaltlich auseinandersetzen! – Meine Intention ist es, den Auftritt von Manfred Weber, eine Woche vor der Bundestagswahl zu analysieren und aus sozialistischer Sichtweise eine Auseinandersetzung zu betreiben.

Angekündigt wird Manfred Weber vom heimischen CSU-Kreisvorsitzenden beinahe als Lichtgestalt und Juwel der CSU. Er rezitiert Weber mit den Worten „die Grenzen Europas müssen gesichert werden, notfalls mit Gewalt.“ Dies war das Moment, als sich bei mir als Zuhörer der Puls schlagartig erhöhte. Mit welchen Waffen, mit welcher Legitimation, mit welcher Armee will Weber das umsetzen? Wie will er dies völkerrechtlich legitimieren? In seinem sehr sachlichen und inhaltsbezogenen Vortrag erwähnt Weber diese scharfe, wenn nicht eine seiner schärfsten Aussage nicht.

In der Tat behandelt Weber natürlich die Themen innere Sicherheit und Asylpolitik in der Hauptsache. Er wird hierbei weder polemisch noch hetzerisch, allerdings fällt es auch ihm schwer eine überzeugende Bilanz der Bundesregierung aufzustellen. Als großen Erfolg der Union stellte Weber heraus, dass die Mütterrente eingeführt wurde. Aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt, aber die Finanzierungsgrundlage halte ich für die grundliegend falsche. Die Mütterrente muss aus Steuermitteln und nicht aus der Rentenkasse finanziert werden. Die Einführung der PKW-Maut trägt auch Weber wie eine Monstranz vor sich her. Hierzu muss ich inhaltlich nichts sagen, allerdings ist es schon bemerkenswert, wie die PKW-Maut, die es mit Merkel vor vier Jahren ja niemals geben werde, immer noch als der größte Wurf der CSU in der Bundesregierung herhalten muss.

Meine Absicht ist es, Manfred Weber als Europapolitiker zuzuhören und seine Standpunkte zu hören. Positiv bewerte ich seine Aussagen über die positive Haltung vieler Menschen in Bayern, als die geflohenen Menschen unsere sofortige Hilfe und Solidarität brauchten. Was ich allerdings deutlich zurückweißen muss, dass Weber es als legitimes Mittel von Victor Orban ansieht, wenn dieser zur Sicherung der EU-Außengrenze einen Zaun baut. Insgesamt fehlt mir auch bei Herrn Weber die grundsätzliche Kritik an Victor Orban, der sein Land wie ein Diktator führt, aber dank der engen Freundschaft zur CSU offiziell keiner ist.

Manfred Weber ist ernsthaft der Ansicht, dass Griechenland mit Andonis Samaras an der Spitze  heute aus der Staatskrise herausgekommen wäre. Es liegt nur am Kommunisten Alexis Tsipras, weswegen Griechenland noch unterstützt werden müsse. Ich unterstelle Manfred Weber etwas dreist, dass er das Gesagte wirklich glaubt. Daher wundert es mich auch nicht, dass Weber uns Zuhörern unterschlägt, dass es bei den vier geretteten Ländern der EU, ein Land gibt, dass sich bewusst dem Spardiktat des „schwarze Koffer“-Schäuble, entzogen hat und sich trotzdem aus eigener Kraft gestärkt hat. Aber es verwundert mich nicht, dass das sozialistisch geführte Portugal nicht selbst dafür verantwortlich sein darf, sondern eben die EVP und „Sparminister-Schäuble“.

Ganz offen spricht Manfred Weber es an, dass es wegen der deutlichen Exportüberschüsse Deutschlands noch zu harten Auseinandersetzungen mit den USA und ganz besonders mit Donald Trump führen kann. Umso weniger verständlich ist es für mich, dass Weber dann die Schuldenbremse, die „schwarze 0“ – gemeint ist hier der Bundeshaushalt und nicht der Finanzminister, und den Sparhaushalt des Freistaates Bayern über den Schellenkönig lobt. Was ich Manfred Weber nicht zugetraut hätte, dass er auch vor seiner parteipolitisch überwiegend schwarzen Anhängerschaft offen zugibt, dass Deutschland von der Rettung der Euroländer finanziell profitiert hat und auch Länder wie Italien dafür zahlen. Diese Ehrlichkeit schätze ich am Europapolitiker Weber.

Etwas schade finde ich, dass Manfred Weber bedauert, dass es für bayerische Unternehmen schwierig sei mit Tschechien Geschäfte zu machen, da diese den Euro noch nicht besitzen, er allerdings anderen betroffenen Nachbarländern in den Rücken fällt, indem er klar äußert, dass einige EU-Länder noch keinen Euro einführen sollten. Hier ist deutlich zu erkennen: wenn Bayern profitiert ist es in Ordnung, wenn andere europäische Länder profitieren würden, gelten andere Regeln.

Leider hat Manfred Weber keine Vision für eine europäische Verteidigungsarmee, die Nato nimmt einen viel zu starken Stellenwert ein und er spricht sich, wenn auch sehr leise und nicht klar formuliert, für eine starke Verteidigung der EU-Einzelstaaten aus. Außerdem vergisst Weber in seiner Rede zu erwähnen, dass wir Griechenland und Italien mit den Problemen der Grenzsicherung über Jahre im Regen stehen ließen und es unser verdammte Pflicht der Solidarität verlangt, asylsuchende Menschen in ganz Europa zu unterstützen und die betroffenen Mittelmeerstaaten tatkräftig zu unterstützen.

Insgesamt fühlt sich Manfred Weber von Russland und Nord-Korea zu sehr bedroht. Natürlich kommt dies bei den Menschen an, allerdings muss hier aus meiner Sicht viel stärker differenziert werden. Natürlich ist Nordkorea im Besitz einer Wasserstoffbombe, allerdings eben nicht in der Lage diese exakt zu steuern, da die vorhandenen Langstreckenraketen Überbleibsel der Sowjetunion der 70er-Jahre sind.  Richtig finde ich die Aussage von Weber, dass deutsche Politiker*innen, Weber spricht natürlich nur von Politikern, diplomatische Gespräche in Russland führen sollten. Ich füge hinzu, es muss nicht in, sondern mit Russland verhandelt werden, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen.

Die schockierendste Aussage  Webers findet erst bei der Beantwortung der Publikumsfragen seinen Platz: Er bedauert es, dass die Gewerkschaften in Frankreich so stark sind. Außerdem kritisiert er eine 35-Stunden-Woche für nicht mehr zeitgemäß. Und diese Unterstellung sei mir erlaubt: Weber träumt sicher nicht von der 30-Stunden-Woche. Spätestens jetzt sollte allen abhängig-beschäftigten Wählerinnen und Wählern klar sein, welche Partei definitiv nicht an ihrer Seite steht.

Ich werde mich der Aufforderung Webers natürlich nicht anschließen, mit beiden Stimmen die CSU zu wählen. Interessant für unsere politische Auseinandersetzung fand ich den Frühschoppen allerdings.  Mein politischer Kompass ist durch diese politische Veranstaltung fester genordet denn je, ich bin und bleibe bekennender Sozialist.

Am 19.07.2017 war es soweit. Prinz William und Herzogin Kate samt Nachwuchs besuchten die Bundesrepublik. Für viele ein Highlight und für viele andere ein Staatsbesuch wie jeder andere. Die Zeitungen überbieten sich in den Lobpreisungen des royalen Paares, was trägt Kate, wie süß sind die Kinder und ganz wichtig, was gab es bei den Merkels zu essen. Mindestens drei Fernsehsender sendeten Live-Berichterstattung, damit auch kein Schritt des Paares unbeobachtet blieb.

Aber was repräsentieren sie eigentlich? Auf den ersten Blick eine merkwürdige Frage. Natürlich repräsentieren sie Großbritannien, wie es für uns Bundespräsident Frank Walter Steinmeier macht. Doch sie stehen auch für die Monarchie. Aber ist das nicht völlig veraltet? Ist das nicht etwas, was längst überkommen sein sollte? Wir haben unser Kaiserhaus nach dem Ersten Weltkrieg abgeschafft und waren noch sehr nett zu unserem Kaiser, wir habe ihn nur ins Exil in die Niederlande geschickt. In Frankreich war man da nicht so zimperlich und köpfte die Reichen und Mächtigen.

Hört man sich um, scheint das Royale so beliebt zu sein wie schon lange nicht mehr. Die Klatschpresse ist voll mit Victoria von Schweden, Haakon von Norwegen und Felipe von Spanien. Verzückt werden die Hochglanzbilder verträumt betrachtet und die Mode strengstens unter die Lupe genommen.

Doch wehe man hinterfragt den hoheitlichen Status, da versteht der*die treue Untertan*in keinen Spaß, da wird jedes Argument fundiert niedergemacht. Es sei doch soooo schön, dass die Royals jetzt endlich auch Bürgerliche heiraten dürfen. Da fragt man sich doch, sind die Royals etwa keine Bürger*innen? Stehen sie über den Normalsterblichen?

Einmal Prinz*essin sein, das wärs doch. Sein eigenes Schloss und nie wieder selbst einen Finger rühren, wofür hat man denn seinen Bediensteten. Und wenn man es schon nicht selbst werden kann, gibt es immer noch einige, die auch hierzulande gerne wieder einen König sehen würden. Doch kleiner Tipp am Rande, das ist mit unserer aktuellen Verfassung nicht möglich und wenn man das möchte, wäre eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag nötig, good luck with that.

Am schlimmsten wird es, wenn man die Legitimation der Repräsentant*innen hinterfragt. Denn betrachtet man es mal ganz nüchtern, erbt man hier so mir nichts, dir nichts das Amt des Staatsoberhauptes. Woher kommt dieses Recht? Nur weil irgendein*e Vorfahr*in sich einmal im mittelalterlichen Machtpoker durchsetzen konnte? Wieso sollte jemand in ein Amt kommen, nur weil er oder sie geboren wurden? Da müsste doch einem jeden Demokraten und jeder Demokratin das Herz bluten. Es muss doch jede Staatliche Macht und auch die Vertretung nach außen auf den Willen des Volkes zurückzuführen sein. Natürlich haben die meisten Königshäuser nichts mehr zu melden, haben mit den Geschicken eines Landes also nur noch am Rande zu tun und das ist auch gut so, nichts destotrotz sind sie nicht demokratisch bestätigt.

Die demokratische Variante hat auch unschlagbare Vorteile. Das offensichtlichste ist die Absetzbarkeit des Staatsoberhauptes. Der Bundespräsident hat eine begrenzte Amtszeit, wohingegen die Amtszeit bei den König*innen nur endet, wenn sie ihren Thron aufgeben oder das Zeitliche segnen. Doch leider haben viele eine sehr romantische Verklärung, der verschiedenen Zeitalter unter adeliger Regentschaft. Es kommt einem so vor, als ob es stets den gütigen König*innen aus den Märchen gibt und dieser sich bis zum letzten für seine Untertanen einsetzt. Vergessen sind der Dreißigjährige Krieg, der österreichische Erbfolgekrieg und der spanische Erbfolgekrieg.

Natürlich hat auch das Königshaus seine Vorzüge. Es ist klar, wer das nächste Oberhaupt wird. Der Nachwuchs wird sein Leben lang auf sein Amt vorbereitet, steht allerdings auch sein Leben lang unter der Aufsicht der Öffentlichkeit, gerade für die Kinder eine enorme Belastung, da sie nie Kind sein können. Dies zeigt sich in Depressiven Störungen und anderen Erkrankungen, die darauf zurückzuführen sind.

Wie es mit den Königshäusern weitergeht, werden die Brit*innen, Schwed*innen und so weiter entscheiden, bis es soweit ist, heißt es im Reich von William und Kate weiterhin am Ende der Hymne „god save the queen (oder king)“.