Trumponomics oder Wie löst man einen Handelskrieg aus?

 

Die Zollpolitik ist zurück. Schon überwunden geglaubt nach erfolgreichen WTO-Verhandlungsrunden, und dem Traum von freiem, fairem Handel näher als früher, setzt nun wieder eine handelspolitische Eiszeit ein. In Wild-West Manier fuchtelt US-Präsident Trump mit seiner Handelspolitik herum wie mit einer Pistole und schießt blind gegen alles und jeden. Heute mal gegen die EU, China und andere Handelspartner im Streit um Handelsüberschüsse. Zur Zeit setzt er der EU und anderen die Pistole auf die Brust und droht mit Strafzöllen auf Aluminium und Stahl.

Zwischenstand: USA 1, EU 0

Am Dienstag hat Donald Trump die Entscheidung über die Strafzölle auf europäischen, mexikanischen und kanadischen Stahl und Aluminium um vier Wochen auf 1. Juni vertagt. Der US-Präsident ordnete im März 2018 zusätzliche Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium an. Grund hierfür sei die nationale Sicherheit. Importe seien existenzbedrohend für die heimische Branche; diese sei aber wegen ihrer Bedeutung für die Streitkräfte und Infrastruktur essenziell für die Sicherheit des Landes. Die Handelsbarrieren sollen die inländische Produktion so stärken, dass die USA weniger abhängig von ebendiesen Importen ist. Vertreter aus Brüssel, Ottawa und Mexiko-Stadt versuchen in Verhandlungen mit Washington einen Kompromiss und eine dauerhafte Ausnahme zu erzielen. Für den Fall, dass die Strafzölle doch noch in Kraft treten, hat die EU bereits Gegenmaßnahmen wie Zölle auf verschiedene US-Güter angekündigt.

Doch wieso wird sofort von einem Handelskrieg gesprochen? Am Beispiel Stahl sieht man die Auswirkungen der Strafzölle auf Europa. Einerseits steigen die Stahlpreise in den USA, da Importe nun mit einer „Steuer“ belegt werden. Stahlproduzent:innen aus dem Rest der Welt können jetzt nicht mehr mit US-amerikanischen Unternehmen auf dem US-Markt konkurrieren, da sie vergleichsweise teuer werden. Es wird weniger Stahl in die USA verkauft und das Angebot dort verknappt sich. Deswegen können inländische Unternehmen nun deutlich höhere Preise verlangen.

Exkurs: Wer sind die Gewinner und Verlierer dieser Handelspolitik in den USA?

 

US-amerikanische Firmen, die diesen Stahl kaufen und weiterverarbeiten, und – in zweiter Konsequenz – auch amerikanische Konsument:innen tragen die höheren Kosten, die durch die Strafzölle entstehen. Stahlproduzent:innen und –arbeiter:innen profitieren hingegen von den höheren Preisen und der geringeren Konkurrenz. „America first“ bedeutet in diesem Fall wohl eher „US-Stahlindustrie first“. Genau deshalb ist die Kritik auch innerhalb der Vereinigten Staaten groß. Gesamtökonomisch betrachtet ist diese Politik nämlich trump’scher Unsinn: Strafzölle, sind ein Schuss, der nach hinten losgeht.  Konsument:innen leiden, Unternehmen, die Stahl als Vorprodukt verwenden, leiden auch und die Zolleinnahmen, die neu generiert werden, können dies nicht wettmachen. Trump, der sich als Beschützer amerikanischer Stahl-Arbeitsplätze inszeniert, vergisst, dass diese nun in anderen Bereichen der Wirtschaft abgebaut werden.

Andererseits können Produzenten aus dem Rest der Welt jetzt weniger exportieren, da sie durch den Zoll künstlich weniger konkurrenzfähig gemacht worden sind. Wenn der Nachfrageeinbruch in den USA sehr groß ist, d.h. wenn die USA zuvor sehr viel Stahl und Aluminium importiert hat, können die Preise auf dem Weltmarkt sogar sinken. Für die europäische Stahlindustrie wäre das sehr negativ.

Neben den Zöllen an sich, ist auch die Art und Weise der eventuellen Einführung problematisch: Firmen versuchen sich natürlich auf die Handelspolitik zu reagieren. So werden sie z.B. weniger in Europa investieren, wenn sich die Gewinnaussichten wegen der Zölle hier verschlechtern. Auch US-Firmen werden sich wegen der erwarteten Verteuerung der Produktionsinputs nach Alternativen umsehen. Da Präsident Trump nun aber die Entscheidung weiter in die Zukunft verlegt hat, können sich Konsument:innen und Firmen noch nicht oder nur unter Spekulationen auf die Veränderungen vorbereiten. Zu Recht kritisiert die EU-Kommission: „Die US-Entscheidung verlängert die Unsicherheit auf den Märkten.“

Zudem darf man nicht einfach nur die ökonomischen Auswirkungen der amerikanischen Zölle heute betrachten, sondern muss auch deren längerfristige Folgen miteinbeziehen. Bereits jetzt hat die EU vor Vergeltungszölle auf US-Importe zu erheben. Ein immer weiter eskalierender Handelskrieg scheint nicht weit.

Aus diesen Gründen versucht die EU, z.B. durch Verhandlungen und US-Besuche von Macron und Merkel, die drohenden Zölle abzuwehren. Bis jetzt nur mit kleinen Erfolgen.

Faktencheck: US-amerikanische und europäische Zölle im Vergleich

 

Doch was steckt hinter den Zolldrohungen? Trump beklagt ein generelles, eklatantes Ungleichgewicht im Warenverkehr mit Europa. Dies misst er am hohen EU-Überschuss im Handel mit den USA: 2017 waren es etwa 120 Milliarden Euro. Zudem wirft der US-Präsident den Europäern vor, deutlich höhere Zölle als die USA zu erheben, z.B. auf Autoimporte. Hat er Recht? Leider ja.

Die EU ist nicht das Paradies für Freihandel, für das sie sich gerne hält, insbesondere im Vergleich mit den USA. Die folgende Tabelle zeigt: Der ungewichtete Durchschnittszoll der EU liegt bei 5,2%, jener der USA bei 3,5%, wie das ifo Institut berichtet. Das bedeutet, dass die EU insgesamt höhere Zölle erhebt als die Vereinigten Staaten. Außerdem verbergen diese Durchschnittswerte hohe Zollspitzen in vielen wichtigen Branchen, wie etwa in der besagten Automobilindustrie. Wenn Präsident Trump also über „massive Zölle“ klagt, hat er zumindest teilweise nicht Unrecht.

Vergleich: Europäische vs. US-Zölle

Der Exportweltmeister Deutschland sollte sich hier vielleicht einmal an die eigene Nase fassen. Lebt die deutsche Wirtschaft und Regierung eine aggressive Exportkultur? Um diese Frage abschließend zu beantworten, könnte man einen zweiten Artikel über europäische Exportsubventionen an die Agrarwirtschaft, die viel zitierten Milchseen und Butterberge, deutsche Lohnzurückhaltungen, und, und, und, schreiben.

Strukturelle Ungleichgewicht im Welthandel hin oder her, Strafzölle sind nicht die richtige Antwort. Ganz im Gegenteil: ein Rückschritt. Sie legen Welthandelsströme und damit die internationale (Wirtschafts-)Zusammenarbeit auf Eis und befeuern nationalistische Ressentiments á la Trump. Seine „America first“-Politik verfolgt ein bestechend einfaches Muster: Finde Schuldige für einen Missstand und tu das, worin Trump am besten ist: diskriminiere sie, mobbe sie, schließe sie aus. 2017 war es unter anderem der sog. „Muslim ban“, der Bürgern aus einigen mehrheitlich muslimischen Staaten die Einreise in die USA verbot; Schuld seien sie am Terror. Heute sind es Handelsprodukte aus dem bösen Europa und China; Grund für den Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand, wie argumentiert wird. Was wird es morgen sein?

Stein für Stein setzt Trump sein Wahlversprechen einer Mauer um. Doch nein, der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko stockt, weil vom Kongress noch nicht genug Geldmittel freigegeben wurden. Die Mauer, die der US-Präsident viel erfolgreicher baut, ist die Mauer in den Köpfen unserer Gesellschaft. Jedes Mal, wenn Twitter-Trump Tiraden gegen wen auch immer verfasst, wird es ein Stück normaler und gewohnter in seinen Kategorien zu denken: Wir gegen die anderen. Nicht wir alle gemeinsam und solidarisch für eine bessere Welt, sondern halt „America first“. Auch gerne auf Kosten anderer.

Es ist die Ironie unserer Zeit: Noch nie war die Welt so globalisiert, so vernetzt und Entfernungen so nah. Und gleichzeitig scheinen manche Mauern unüberwindbar wie eh und je.

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