Irgendwas mit Medien – Irgendwas ohne Frauen.

Selten wurden Frauen* in der Film- und Fernsehwelt so emotional diskutiert, wie diese Woche.
Es begann mit der Veröffentlichung einer Studie zum Thema „audiovisuelle Diversität“, die von Forscher*innen der Uni Rostock und der malisa-Stiftung durchgeführt wurde. Diese Studie zeigt die Verhältnisse von männlichen und weiblichen Charakteren in TV- und Kinoproduktionen auf, und splittet diese Daten noch einmal in verschiedene Sparten, wie z.B. Alter und Genre, auf. Die Daten sind erschreckend: Im Schnitt kommen auf eine Frau zwei Männer, ab dem 50. Lebensjahr kommen auf eine Frau sogar acht (!) Männer. In einem Drittel der Produktionen lässt sich nicht einmal mit der Lupe eine Hauptdarstellerin finden.

Auch der Begriff des „mansplaining“ bekommt in dieser Studie ein völlig neues Gesicht: Unter den Moderator*innen und Journalist*innen liegt der männliche Anteil bei 80%, bei Expert*innen ebenfalls, und bei Sprecher*innen von non-fiktionalen Formaten sind es mal eben 96%. Männer erklären also (mal wieder), was so passiert in der Welt. Man könnte also durchaus von einer noch immer präsenten Dominanz männlicher Akteure auf dem Bildschirm sprechen. Könnte man. Außer man heißt Claus Kleber.

Dieser sieht das nämlich ganz anders. In einem Interview mit Maria Furtwängler, einer der Gründerinnen der malisa-Stiftung und damit Auftraggeberin der Studie, sowie ihres Zeichen selbst Schauspielerin, warf er ihr nicht nur vor, mit der Studie eine Agenda zu verfolgen (stellt euch das mal vor. Eine wissenschaftliche Studie, deren Ziel es ist, eine These zu untermauern oder in Frage zu stellen. Unglaublich!), sondern auch eine gesellschaftliche Umerziehung anzustreben. Aus seiner Sicht als Vater zweier Töchter, was ihn automatisch zu einem Superfeministen macht, sei Gleichberechtigung zwar wichtig, aber doch eigentlich schon lange Realität. Überhaupt habe er das Gefühl, dass Frauen die Medienwelt längst dominierten. Und schließlich gäbe es auch genügend Frauen, die lieber Sprechern zuhören als Sprecherinnen.

Wo.

Fangen.

Wir.

An.

Zuerst einmal klingeln beim Wort „Umerziehung“ einige Alarmglocken im rechten Ohr. Diesen Begriff benutzen schließlich mit Vorliebe unsere Mitbürger*innen am rechten Rand, kurz bevor sie Gendermainstreaming brüllen und auf einem Fluss aus den Tränen alter weißer heterosexueller Männer davon schwimmen. Kritische Berichterstattung ist wichtig – aber eine solche Wortwahl lässt nicht auf Kritik, sondern reinen Antifeminismus schließen.

Hinzu kommt der klassische Rechtfertigungsmechanismus namens „Ich bin ja selbst Vater von Töchtern“- das überflüssigste Argument aller Zeiten. Und zweitens, nur weil Sie einen Hund haben, kämpfen Sie nicht automatisch für Tierrechte. Wenn die Vaterschaft aus Männern wie Herrn Kleber automatisch Feministen machen würde, hätten sich vielleicht manche schon früher dazu geäußert, dass 9 von 10 Charakteren in (imaginären) Kinderserien männlich sind, und somit Mädchen kaum Identifikationsmöglichkeiten auf dem Bildschirm sehen. Dann hätten wir nicht die peinliche Frage eben jenes Herrn Klebers hören müssen, ob denn Benjamin Blümchen jetzt ebenfalls dem Gendermainstreaming zum Opfer fällt. Aber logisch, wer fordert, dass die Verteilung gerecht sein sollte, meint damit automatisch, alle männlichen Charaktere abzumähen, aus allen nur noch weibliche Rollen zu schaffen, und die wenigen männlichen Rollen auch direkt mit Frauen zu besetzen. Immer diese radikalen Feministinnen!

Interessant ist außerdem der Vorwurf der bereits realen Dominanz von Frauen in TV-Programmen. Auf eine wissenschaftliche, durchaus repräsentative Studie, die belegt, dass Frauen offensichtlich wenig sichtbar, und ab gewissen Altersgrenzen sogar unsichtbar sind, zu antworten, man hätte aber das Gefühl, dass Frauen einige Bereiche „an sich gerissen hätten“, ist wohl das mansplainigste Mansplaining aller Zeiten. Was wollen die Weiber wieder mit ihren Fakten, wenn doch ein Mann sich anders fühlt? Und das von einem der renommiertesten Journalisten des Landes wohlgemerkt.

Zu der Aussage, dass auch Frauen häufig Sprechern lieber zuhören, muss man sagen: Ja, das stimmt. Auch dazu gibt es Studien. Man könnte sich natürlich die Frage stellen, ob das daran liegt, dass hier seit Jahrzehnten Männer dominieren (sechsundneunzig Prozent sag ich da nur) und viele Menschen in den vorherrschenden patriarchalischen Strukturen Männerstimmen eine höhere Glaubwürdigkeit zuweisen. Könnte man. Aber wieso reflektieren, wenn man es sich auch einfach machen kann.

Das Fazit der Studie könnte sein, dass Frauen noch immer unterrepräsentiert sind. Könnte es. Außer man ist ein alter weißer Mann, der es einer Frau vor laufender Kamera mal so richtig zeigen kann, und dafür auch seine journalistische Integrität über Bord wirft. Dann sind das alles doch nur Hirngespinste dieser verrückten Feministinnen, die eigentlich gar keine Ahnung haben.

Das zweite weibliche Großereignis dieser Woche war die Bekanntgabe der neuen Besetzung des Doctors aus Doctor Who. Nur dass es eben keine Besetzung „des“ Doctors war, sondern „der“. Für alle nicht-Whovians ein paar kurze Vorabinfos: Der Doctor ist der Protagonist der Serie Doctor Who, die mit Unterbrechungen seit 1963 von der BBC produziert wird. Er ist ein Außerirdischer vom Planeten Gallifrey, ein sogenannter Timelord, der mit seinem Raumschiff, der TARDIS, durch Zeit und Raum reisen kann. Dabei hat er eine meist weibliche Begleitung, genannt Companion, dabei. Der Clou an der Sache ist, dass er nicht sterben kann, sondern stattdessen regeneriert, also einen neuen Körper annimmt. Praktisch, da die ersten Besetzungen inzwischen verstorben sind, und die Serie somit trotzdem am Laufen bleibt. In Großbritannien ist die Präsentation der neuen Besetzung ein großes Ereignis, das in den Zeiten vor dem Internet ein echter Straßenfeger war. Nach dem Wimbledonfinale am letzten Sonntag präsentierte also die BBC die neue Inkarnation des Doctors. Schon zuvor wurde lange darüber spekuliert, wem wohl diese Ehre, die der Verkörperung der Rolle des James Bonds in nichts nachsteht, zuteil wird. Die Wahl fiel dabei auf (*Trommelwirbel*) Jodie Whittaker. Manche kennen sie vielleicht aus der Krimiserie Broadchurch (in der übrigens der zehnte Doctor David Tennant den Ermittler spielt, ein Alien, gespielt von Olivia Colmanaus Staffel 5 Folge 1 die Ermittlerin, und der ehemalige Companion Arthur Darvill den verdächtigten Pastor), die man unbedingt gesehen haben sollte.
Lange Rede, kurzer Sinn: Für viele meist männliche Fans brach damit eine Welt zusammen. „I’m not a sexist, but the Doctor has to be male“ war da noch der harmloseste Tweet. Natürlich könnte man sagen, dass es doch nur eine Fernsehserie ist, und was da das ganze Mimimi soll. Als jemand, die diesen Beitrag gerade in ihrem Tardispullover schreibt, und dazu Tee aus einer Tardistasse schlürft (Beweisfoto folgt), kann ich aber durchaus sagen, dass das schon ein ziemlich großes Ding ist. Die Aufregung um die Besetzung kann ich deshalb nachvollziehen. Die Aufregung darum, dass es eine Frau ist, nicht.

Gerade Doctor Who war schon lange sehr fortschrittlich. Durch einige sehr progressive Schreiber (ja, Schreiber. Vielleicht ja auch bald eine Schreiberin?) wie z.B. Mark Gatiss, der auch Sherlock geschrieben und darin Mycroft Holmes gespielt hat, waren Themen wie Homo-, Inter- oder Transsexualität schon lange kein Tabu mehr. Mein persönlicher Favorit ist die Beziehung einer modernen Echsenfrau aus dem Innersten der Erde, die mit einer Menschenfrau im 19. Jahrhundert zusammenlebt. Wer das verstehen will, sollte die Serie schauen. Es war für die Meisten nur eine Frage der Zeit, bis eine weibliche Doctor vorgestellt wird. Und trotzdem stellt das für viele Männer einen riesigen Eingriff in ihre Männlichkeit und ihre Privilegien dar. Die Frauen nehmen uns alles, aber nicht den Doctor! Tja, Pech gehabt, meine Lieben. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Aufregung schnell legt. Es braucht immer etwas Zeit, um sich an eine*n neue*n Doctor zu gewöhnen. Vielleicht verfliegen die Ressentiments gegenüber Jodie Whittaker ähnlich schnell, wie die, gegenüber der letzten Besetzung. Damals fanden viele den Schauspieler Peter Capaldi zu alt.

Allerdings war es damals nicht der erste Impuls britischer Tabloids wie der Sun, Nacktbilder des Schauspielers zu veröffentlichen. Es überrascht kaum, dass mit „Oh mein Gott, man hat ihren Körper schon mal nackt im Fernsehen gesehen, sie wird alle unsere Kinder krank und lesbisch und übersexualisiert machen“-Rufen auf die Besetzung einer Frau reagiert wird.

Aber egal. Für die britische Fernsehlandschaft ist das erstmal ein riesiger Schritt nach vorn.
Und ich hoffe, dass es Claus Kleber schafft, sich diese wundervolle und so sehenswerte Serie anzuschauen, ohne in seinen antifeministischen Tränen zu ertrinken.

 

 

Mehr Infos zur Studie findest du hier: https://malisastiftung.org/studie-audiovisuelle-diversitaet/

Hier kannst du das Video zur neuen Doctor-Besetzung anschauen: http://www.bbc.com/news/av/entertainment-arts-40626273/doctor-who-s-13th-time-lord-unveiled

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Ein Kommentar zu "Irgendwas mit Medien – Irgendwas ohne Frauen."

  1. Matthias Forster sagt:

    Schon Ralf Dahrendorf hat vorhergesagt, dass die Sozialdemokratie nicht mehr benötigt werden wird und daher verschinden wird.
    Juso-Clows, wie ihr es seid, stellen das mit aller Deutlichkeit unter Beweis..:D