An manchen Tagen wäre ich gern US-Amerikaner. Nicht, weil ich dann jede Woche Bier aus Pappbechern bei einem Footballspiel trinken würde oder mir beim Walmart meines Vertrauens für 20$ eine halbautomatische Waffe kaufen könnte[1], sondern wegen des ersten Verfassungszusatzes. Dieser verbietet u.a. dem Kongress Gesetze zu erlassen, die die Meinungsfreiheit einschränken. Die ganze leidige Debatte nach dem Verbot der „linksextremen“ Website „linksunten.indymedia“ hätte man sich dort vermutlich komplett gespart. Die Website wäre nämlich nie verboten worden, Free speech eben.
Im „Land der Dichter und Denker“ ist die Mentalität aber eine andere, in der BRD hat man die besagte Seite, verbunden großem Medienwirbel, für verboten erklärt. Nach dem großen Aufschrei wegen der gewalttätigen Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels, sah sich die etablierte Politik verpflichtet, einen symbolischen Schlag gegen die angeblich so gefährliche linke Szene vorzunehmen. Es brauchte nur ein paar maulende CDU/CSU-Politiker*innen und Sympathisant*innen, welche täglich Statements der Sorte „gegen Nazis macht ihr ständig was aber radikale Linke sind euch komplett egal“ vom Stapel ließen und schon war man zu diesem Schritt bereit. Woraus resultiert aber dieses schräge Bedürfnis der deutschen Politik „links“ und „rechts“ stets gleichsetzen zu wollen und radikale Linke Ansätze für so bedrohlich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu halten? Meiner Meinung nach hat das Ganze sehr viel mit der Geschichte unseres Landes zu tun.
In der BRD und ihren Vorläuferstaaten hat die staatliche Mobilisierung gegen linke Gruppierungen eine lange und unrühmliche Tradition. Beginnend mit dem Deutschen Kaiserreich, das durch die Sozialistengesetzte die Sozialdemokratie verbieten ließ und der SPD mit Polizeiknüppel und Zensur zu Leibe rückte sowie Sozialdemokrat*innen als vaterlandslose Gesellen brandmarkte. Danach waren in der Weimarer Republik weite Teile der bürgerlichen Schichten von permanenter Angst vor Bolschewismus und roter Gefahr erfüllt. So angsterfüllt waren sie, dass sie einen erfolglosen Kunstmaler aus Österreich zu ihrem Führer bestimmten, der den Kampf gegen alles Linke zur Staatsräson erklärte und in der Folge ein Blutbad anrichtete. Schließlich konnte man sich in der BRD nach der totalen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wenigstens dazu durchringen, neben Marxismus und Sozialismus auch Nationalismus und völkisches Gedankengut zu verdammen. Aber auch in der Zeit des Kalten Krieges, in einem demokratischen Deutschland ließen Konservative und Liberale keine Gelegenheit aus, die Teilung Deutschlands und die Existenz der realsozialistischen Staaten in Osteuropa auszunutzen, um die politische Linke zu verteufeln und sie mit den leninistischen Zwangsregimen gleichzusetzen. Verbot der KPD, Berufsverbote und Extremismustheorie waren die Blüten dieser Politik.
Deutschland ist also ein Land, das über 40 Jahre autoritäres Kaiserreich, 15 Jahre wackelige Weimarer Demokratie, 12 Jahre Nazi-Barbarei und Jahrzehnte des Kalten Krieges hinter sich hat. Alles Zeiträume, in denen ein gewachsenes Misstrauen gegenüber der Linken perfekt gedeihen konnte und teils staatlich gefördert wurde. Der Umgang mit radikal-linken Strukturen – wie „linksunten.indymedia“ – wundert im Kontext dieser Vergangenheit nicht.
Wir können als Sozialist*innen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis ziehen. Wir müssen dafür kämpfen, dass Deutschland seine reaktionären Eierschalen endlich abwirft und seine tradierte Feindschaft gegenüber den progressiven Kräften aufgibt. Aufklärung in Form von politischer Bildung, wie sie die Jusos Bayern schon seit langen Jahren auf vorbildliche Art und Weise leisten, hat hier oberste Priorität.
[1] Ich entschuldige mich bei allen Anti-Ds, die diesen Artikel lesen werden für diese plakative und böswillige Stereotypisierung amerikanischer Kultur ?
Selten wurden Frauen* in der Film- und Fernsehwelt so emotional diskutiert, wie diese Woche.
Es begann mit der Veröffentlichung einer Studie zum Thema „audiovisuelle Diversität“, die von Forscher*innen der Uni Rostock und der malisa-Stiftung durchgeführt wurde. Diese Studie zeigt die Verhältnisse von männlichen und weiblichen Charakteren in TV- und Kinoproduktionen auf, und splittet diese Daten noch einmal in verschiedene Sparten, wie z.B. Alter und Genre, auf. Die Daten sind erschreckend: Im Schnitt kommen auf eine Frau zwei Männer, ab dem 50. Lebensjahr kommen auf eine Frau sogar acht (!) Männer. In einem Drittel der Produktionen lässt sich nicht einmal mit der Lupe eine Hauptdarstellerin finden.
Auch der Begriff des „mansplaining“ bekommt in dieser Studie ein völlig neues Gesicht: Unter den Moderator*innen und Journalist*innen liegt der männliche Anteil bei 80%, bei Expert*innen ebenfalls, und bei Sprecher*innen von non-fiktionalen Formaten sind es mal eben 96%. Männer erklären also (mal wieder), was so passiert in der Welt. Man könnte also durchaus von einer noch immer präsenten Dominanz männlicher Akteure auf dem Bildschirm sprechen. Könnte man. Außer man heißt Claus Kleber.
Dieser sieht das nämlich ganz anders. In einem Interview mit Maria Furtwängler, einer der Gründerinnen der malisa-Stiftung und damit Auftraggeberin der Studie, sowie ihres Zeichen selbst Schauspielerin, warf er ihr nicht nur vor, mit der Studie eine Agenda zu verfolgen (stellt euch das mal vor. Eine wissenschaftliche Studie, deren Ziel es ist, eine These zu untermauern oder in Frage zu stellen. Unglaublich!), sondern auch eine gesellschaftliche Umerziehung anzustreben. Aus seiner Sicht als Vater zweier Töchter, was ihn automatisch zu einem Superfeministen macht, sei Gleichberechtigung zwar wichtig, aber doch eigentlich schon lange Realität. Überhaupt habe er das Gefühl, dass Frauen die Medienwelt längst dominierten. Und schließlich gäbe es auch genügend Frauen, die lieber Sprechern zuhören als Sprecherinnen.
Wo.
Fangen.
Wir.
An.
Zuerst einmal klingeln beim Wort „Umerziehung“ einige Alarmglocken im rechten Ohr. Diesen Begriff benutzen schließlich mit Vorliebe unsere Mitbürger*innen am rechten Rand, kurz bevor sie Gendermainstreaming brüllen und auf einem Fluss aus den Tränen alter weißer heterosexueller Männer davon schwimmen. Kritische Berichterstattung ist wichtig – aber eine solche Wortwahl lässt nicht auf Kritik, sondern reinen Antifeminismus schließen.
Hinzu kommt der klassische Rechtfertigungsmechanismus namens „Ich bin ja selbst Vater von Töchtern“- das überflüssigste Argument aller Zeiten. Und zweitens, nur weil Sie einen Hund haben, kämpfen Sie nicht automatisch für Tierrechte. Wenn die Vaterschaft aus Männern wie Herrn Kleber automatisch Feministen machen würde, hätten sich vielleicht manche schon früher dazu geäußert, dass 9 von 10 Charakteren in (imaginären) Kinderserien männlich sind, und somit Mädchen kaum Identifikationsmöglichkeiten auf dem Bildschirm sehen. Dann hätten wir nicht die peinliche Frage eben jenes Herrn Klebers hören müssen, ob denn Benjamin Blümchen jetzt ebenfalls dem Gendermainstreaming zum Opfer fällt. Aber logisch, wer fordert, dass die Verteilung gerecht sein sollte, meint damit automatisch, alle männlichen Charaktere abzumähen, aus allen nur noch weibliche Rollen zu schaffen, und die wenigen männlichen Rollen auch direkt mit Frauen zu besetzen. Immer diese radikalen Feministinnen!
Interessant ist außerdem der Vorwurf der bereits realen Dominanz von Frauen in TV-Programmen. Auf eine wissenschaftliche, durchaus repräsentative Studie, die belegt, dass Frauen offensichtlich wenig sichtbar, und ab gewissen Altersgrenzen sogar unsichtbar sind, zu antworten, man hätte aber das Gefühl, dass Frauen einige Bereiche „an sich gerissen hätten“, ist wohl das mansplainigste Mansplaining aller Zeiten. Was wollen die Weiber wieder mit ihren Fakten, wenn doch ein Mann sich anders fühlt? Und das von einem der renommiertesten Journalisten des Landes wohlgemerkt.
Zu der Aussage, dass auch Frauen häufig Sprechern lieber zuhören, muss man sagen: Ja, das stimmt. Auch dazu gibt es Studien. Man könnte sich natürlich die Frage stellen, ob das daran liegt, dass hier seit Jahrzehnten Männer dominieren (sechsundneunzig Prozent sag ich da nur) und viele Menschen in den vorherrschenden patriarchalischen Strukturen Männerstimmen eine höhere Glaubwürdigkeit zuweisen. Könnte man. Aber wieso reflektieren, wenn man es sich auch einfach machen kann.
Das Fazit der Studie könnte sein, dass Frauen noch immer unterrepräsentiert sind. Könnte es. Außer man ist ein alter weißer Mann, der es einer Frau vor laufender Kamera mal so richtig zeigen kann, und dafür auch seine journalistische Integrität über Bord wirft. Dann sind das alles doch nur Hirngespinste dieser verrückten Feministinnen, die eigentlich gar keine Ahnung haben.
Das zweite weibliche Großereignis dieser Woche war die Bekanntgabe der neuen Besetzung des Doctors aus Doctor Who. Nur dass es eben keine Besetzung „des“ Doctors war, sondern „der“. Für alle nicht-Whovians ein paar kurze Vorabinfos: Der Doctor ist der Protagonist der Serie Doctor Who, die mit Unterbrechungen seit 1963 von der BBC produziert wird. Er ist ein Außerirdischer vom Planeten Gallifrey, ein sogenannter Timelord, der mit seinem Raumschiff, der TARDIS, durch Zeit und Raum reisen kann. Dabei hat er eine meist weibliche Begleitung, genannt Companion, dabei. Der Clou an der Sache ist, dass er nicht sterben kann, sondern stattdessen regeneriert, also einen neuen Körper annimmt. Praktisch, da die ersten Besetzungen inzwischen verstorben sind, und die Serie somit trotzdem am Laufen bleibt. In Großbritannien ist die Präsentation der neuen Besetzung ein großes Ereignis, das in den Zeiten vor dem Internet ein echter Straßenfeger war. Nach dem Wimbledonfinale am letzten Sonntag präsentierte also die BBC die neue Inkarnation des Doctors. Schon zuvor wurde lange darüber spekuliert, wem wohl diese Ehre, die der Verkörperung der Rolle des James Bonds in nichts nachsteht, zuteil wird. Die Wahl fiel dabei auf (*Trommelwirbel*) Jodie Whittaker. Manche kennen sie vielleicht aus der Krimiserie Broadchurch (in der übrigens der zehnte Doctor David Tennant den Ermittler spielt, ein Alien, gespielt von Olivia Colmanaus Staffel 5 Folge 1 die Ermittlerin, und der ehemalige Companion Arthur Darvill den verdächtigten Pastor), die man unbedingt gesehen haben sollte.
Lange Rede, kurzer Sinn: Für viele meist männliche Fans brach damit eine Welt zusammen. „I’m not a sexist, but the Doctor has to be male“ war da noch der harmloseste Tweet. Natürlich könnte man sagen, dass es doch nur eine Fernsehserie ist, und was da das ganze Mimimi soll. Als jemand, die diesen Beitrag gerade in ihrem Tardispullover schreibt, und dazu Tee aus einer Tardistasse schlürft (Beweisfoto folgt), kann ich aber durchaus sagen, dass das schon ein ziemlich großes Ding ist. Die Aufregung um die Besetzung kann ich deshalb nachvollziehen. Die Aufregung darum, dass es eine Frau ist, nicht.
Gerade Doctor Who war schon lange sehr fortschrittlich. Durch einige sehr progressive Schreiber (ja, Schreiber. Vielleicht ja auch bald eine Schreiberin?) wie z.B. Mark Gatiss, der auch Sherlock geschrieben und darin Mycroft Holmes gespielt hat, waren Themen wie Homo-, Inter- oder Transsexualität schon lange kein Tabu mehr. Mein persönlicher Favorit ist die Beziehung einer modernen Echsenfrau aus dem Innersten der Erde, die mit einer Menschenfrau im 19. Jahrhundert zusammenlebt. Wer das verstehen will, sollte die Serie schauen. Es war für die Meisten nur eine Frage der Zeit, bis eine weibliche Doctor vorgestellt wird. Und trotzdem stellt das für viele Männer einen riesigen Eingriff in ihre Männlichkeit und ihre Privilegien dar. Die Frauen nehmen uns alles, aber nicht den Doctor! Tja, Pech gehabt, meine Lieben. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Aufregung schnell legt. Es braucht immer etwas Zeit, um sich an eine*n neue*n Doctor zu gewöhnen. Vielleicht verfliegen die Ressentiments gegenüber Jodie Whittaker ähnlich schnell, wie die, gegenüber der letzten Besetzung. Damals fanden viele den Schauspieler Peter Capaldi zu alt.
Allerdings war es damals nicht der erste Impuls britischer Tabloids wie der Sun, Nacktbilder des Schauspielers zu veröffentlichen. Es überrascht kaum, dass mit „Oh mein Gott, man hat ihren Körper schon mal nackt im Fernsehen gesehen, sie wird alle unsere Kinder krank und lesbisch und übersexualisiert machen“-Rufen auf die Besetzung einer Frau reagiert wird.
Aber egal. Für die britische Fernsehlandschaft ist das erstmal ein riesiger Schritt nach vorn.
Und ich hoffe, dass es Claus Kleber schafft, sich diese wundervolle und so sehenswerte Serie anzuschauen, ohne in seinen antifeministischen Tränen zu ertrinken.
Mehr Infos zur Studie findest du hier: https://malisastiftung.org/studie-audiovisuelle-diversitaet/
Hier kannst du das Video zur neuen Doctor-Besetzung anschauen: http://www.bbc.com/news/av/entertainment-arts-40626273/doctor-who-s-13th-time-lord-unveiled
Die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester ist für viele Menschen traditionell die Zeit um Bilanz über das vergangene Jahr zu ziehen. Gerade dieses Jahr fällt diese Bilanz bei den meistens leider düster aus: Wir mussten Abschied nehmen von vielen bekannten Persönlichkeiten aus Politik und Kultur, sodass die Sorge berechtigt ist, bald keine „elder states(wo)men“ mehr zu haben. Auch um die beiden großen angelsächsischen Demokratien, die für Jahrhunderte für Europa und die ganze Welt Vorbilder in Sachen Freiheit und Grundrechte waren, scheint es nicht gut zu stehen. Die Amerikaner*innen wählten mit Donald Trump einen rassistischen und sexistischen Hetzer an ihre Spitze, während sich die Brit*innen für einen Austritt aus der europäischen Gemeinschaft entschieden. Auch auf dem europäischen Festland sind die Rechtspopulist*innen auf dem Vormarsch, in Deutschland zog die AfD mit großem Erfolg in mehrere Landtage und in Österreich haben 46% der Bürger*innen für den strammen Rechtsausleger Hofer gestimmt. An Europas Grenzen und in unserer unmittelbaren Nachbarschaft spielten sich 2016 Szenen unvorstellbaren Leids ab. Die Bilder aus Aleppo und anderen syrischen Stätten machten betroffen, wütend und sprachlos; zugleich zeigten sie die Ohnmacht der Weltgemeinschaft im Angesicht dieser grausamen Verbrechen. Wie wichtig dem Westen seine eigenen Werte sind zeigen zudem die über 4000 dieses Jahr im Mittelmeer ertrunkenen Menschen, ein trauriger Rekord. Wer es schaffte vor Assad, Islamisten oder russischen Bomben zu fliehen, scheiterte allzu oft an der Festung Europa. Es ist zynisch, dass man sich trotz dieser Zahl in Deutschland munter über sinkende Flüchtlingszahlen freute und trotz alledem die bayrischen Rufe nach einer Obergrenze nicht leiser wurden. 2016 war auch das Jahr, in dem die Bedrohung durch den Terrorismus allgegenwärtig wurde. Die Anschläge von Brüssel, Nizza, Berlin und anderorts galten uns allen. Sie stellen uns vor die schwierige Aufgabe unsere Freiheit und Sicherheit zu verteidigen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren und gleichzeitig einer Instrumentalisierung dieser Taten durch die politische Rechte entschieden entgegenzutreten.
Bei all diesen düsteren Ereignissen gab es dennoch auch kleine Lichtblicke. Pokemon Go schaffte es im Sommer für einige Woche, in vielen wieder Kindheitserinnerungen zu wecken. Während die Welt um uns herum immer mehr aus den Fugen gerat, konnte man endlich mal wieder unbeschwert durch Wiesen, Parks und Wälder laufen und sich ganz dem unschuldigen Spiel hingeben. Zudem sorgte 1 nice Sprache vong Gönnung her für so machen Lacher und dürfte außerdem einige ergraute Deutschlehrer zur Weißglut getrieben haben. Messen wir ihr, bei aller Trivialität, diese subversive Kraft zu, kann sie durchaus als Protest der Jugend gegen den alten, weißen, patriachalischen Mann verstanden werden. Mit dem Literaturnobelpreis für Bob Dylan hat es zeitgleich ein Autor von Protestsongs, eine Ikone der Gegen- und Popkultur in den Olymp der Hochkultur geschafft. Zuletzt schaffte es die Seifenoper im Hause Lombardi, dass plötzlich unser aller Ruf kaputt geht und wir uns fragen mussten, wer denn jetzt ein normaler Mensch sei.
Nach all den schrecklichen Ereignissen wünschen sich viele, dass diese Jahr bald zu Ende geht und 2017 alles besser wird. Dabei dürfen wir aber unseren eigenen Beitrag nicht vergessen. Oft ertönt im vergangenen Jahr die Frage „Was ist das für 1 life?“. Auch sie mag erst einmal nur ironische Floskel jugendlicher Subkultur sein, doch auch in ihr kann man einen ernsten Hintergrund erkennen. Gerade in solch schwierigen Zeiten kann man sie als die Frage nach dem Sinn, vielleicht auch die Frage nach dem Richtigen im Falschen interpretieren. Ebenso war, gerade gegen Ende des Jahres, die Antwort auf vieles einfach nur „Hauptsache Alessio geht’s gut“. Vor kurzem kam mir auf einem Spieleabend die Idee, Frage und Antwort des Jahres miteinander in Verbindung zu bringen. Vielleicht ist Alessio ja die Metapher für das Wohl der Kinder und Jugendlichen, sowie für unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Und tatsächlich, ging es nach der Jugend wären Trump, der Brexit und viele andere Dinge nicht geschehen, auch Norbert Hofer und eine AfD hätten schlechter abgeschnitten. Es liegt also an uns jungen Menschen, uns unserer politischen Verantwortung bewusst zu werden, für unsere Ziele und Ideale zu kämpfen und 2017 zu unserem Jahr zu machen. Lasst uns verhindern, dass das neue Jahr so wie sein Vorgänger wird.
Ich wünsche euch einen guten Rutsch und eine eskalative Silvesternacht!
Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ist vorbei. Die Entscheidung der Wähler*innen ist mit einer Wahlbeteiligung von 61,6% gefallen. Leif-Erik Holm (AfD) postuliert: „Und vielleicht ist das heute der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels!“ Ich will jetzt aber eigentlich gar nicht darüber schreiben, wie die Wahl gelaufen ist, was einzelne Parteien besser oder schlechter hätten machen können und was passiert wäre, wenn die Variable ‚x‘ anders wäre. Dazu gibt es spätestens morgen genug Zeitungsartikel, Blogeinträge und YouTube-Videos. Mir liegt ein Thema am Herzen, das vor allem im Vorfeld der Wahl auffällig ist. Wie wird im Internet und in sozialen Netzwerken eigentlich diskutiert?
Vielleicht betrachten wir erst einmal das Ideal einer Diskussion: Wir haben Person A und Person B bis X mit verschiedenen Standpunkten. Jeder legt zuerst seine*ihre Position dar. Danach wird darüber geredet warum und wie und aus welchen Gründen diese Position vertreten wird. Person A versucht Person B zu überzeugen, dass seine*ihre Meinung richtig oder besser ist oder sieht ein, dass es einen Fehler in seiner*ihrer Logik gibt und muss die eigene Position überdenken. Hierbei können sich – auch durch Recherche und gut fundierte Aussagen – neue Meinungen entwickeln und alte Konzepte verworfen werden. Für viele ist das Wichtigste daran, dass man auch nach einer hitzigen Diskussion noch gemütlich was zusammen trinken kann, ohne sich direkt in die Haare zu bekommen.
Betrachten wir nun Diskussionen im Internet. Die großen Vorteile gegenüber einer Diskussion in der Kneipe, oder an einem anderen Ort im realen Leben, ist die Tatsache, dass man für seine Meinung direkt im Internet Belege und Quellen suchen kann und dass man Überlegen kann, bevor man schreibt. Statistiken zu Gewaltverbrechen, Bevölkerungsentwicklung, Tieren in Zoos, Anzahl der Schultüten im Saarland oder auch Niederschläge aufs Jahr pro Quadratmeter in Finsterau sind einfach und unkompliziert zu finden. Die Diskussion ist also im Idealfall fundiert und die Diskutierenden haben die Möglichkeit über ihre Antwort nachzudenken und sie gegebenenfalls noch zu ändern. Im echten Leben sähe es doch seltsam aus, wenn ein Diskussionspartner zwei Minuten schweigend da sitzt, während er*sie über eine Antwort nachdenkt.
So schön das alles klingt, ist die Realität doch anders. Eine Diskussion ist nicht mehr der verbale Schlagabtausch zwischen Personen. Jede*r hat seine*ihre vorgefestigte Meinung und weicht von dieser auch keinen Millimeter ab. Man schreibt seine Meinung auf, diskutiert aber nicht. Es gibt keinen Grund nett und sachlich zu diskutieren, man kennt die andere Person sowieso nicht und wird sie im Zweifelsfall niemals treffen. Quellen, die nicht ins eigene Konzept passen, werden als unwahr und vom Staat gelenkt dargestellt, statt die eigene Meinung zu hinterfragen Aber wieso bitte sollten Tagesschau, Zeit, Süddeutsche und Co lügen, aber Russia Today, Magyar Televízó aus Ungarn und dubiose Websites und Blogs aus dem Internet Recht haben? Wieso sind alle Menschen, die nicht meiner Meinung sind automatisch uninformiert und doof?
Bei einer Diskussion unter einem Artikel auf der Facebookseite der Passauer Neuen Presse über Sebastian Frankenberger ging es natürlich primär um das vor sechs Jahren initiierte Rauchverbot und die damalige Volksabstimmung. Der eine Teil der Kommentierenden war der Meinung, dass jeder, der vor 6 Jahren nicht bei der Volksabstimmung dabei war, selbst schuld sei und die Möglichkeit zur Mitbestimmung gehabt hätte. Der andere Teil – der gegen ein Rauchverbot in Innenräumen ist – spricht von „Minderheitenpolitik“ und fragt, ob „bei der Wahl denn alles mit rechten Dingen zugegangen sei“. Alles, was nicht ins eigene Bild passt, wird geleugnet oder als Lüge dargestellt.
Wenn ich Facebook-Kommentare lese, rege ich mich sehr oft auf. Aus einfachen Meinungsposts, die aufeinander folgen, sich wiederholen und zumeist in keinem großen Zusammenhang stehen wird mitunter sehr schnell ein „Halt die Fresse, du dummer Nazi!“ oder „Verpiss dich, du Zecke!“. Die Eskalationsstufe ist schnell erreicht und man hat das Gefühl, dass Menschen sich im Internet sicherer fühlen, frei zu schreiben, was sie anscheinend denken. Mittlerweile wird auch unter Klarnamen und mit angegebenem Arbeitgeber munter gehetzt, beleidigt und gedroht. Ich habe Angst, dass diese zunehmende Verrohung auch weiterhin auf das echte Leben übergreift. Dass sich Menschen gegenseitig so weit aufputschen, dass sie im echten Leben Straftaten verüben.
Wir müssen zurückfinden, zu einer angemessenen Diskussionskultur, auch im Internet. Wir müssen wieder lernen, auf die anderen einzugehen und versuchen sie zu überzeugen und sie nicht anzuschreien. Ich will nicht sagen, dass wir rechte Kommentare einfach stehen lassen sollten. Wir müssen sachlich und fundiert dagegenreden, um auch Leser*innen, die nicht mitdiskutieren wollen die Möglichkeit zu geben mitzukommen. Wenn man sich nur gegenseitig beleidigt erweckt es in mir ein Bild von zwei streitenden Kindergartenkindern, die sich mit der Schaufel verprügeln – sowas kann ich nicht ernst nehmen.
Vor allem müssen wir lernen, die Fehler nicht immer beim anderen zu suchen. Statt „DANKE MERKEL!!“ zu schreiben und die Islamisierung des Abendlandes zu predigen, kann man doch einfach mal in seinem Ort schauen, ob es dort die Möglichkeit gibt, mit Asylbewerber*innen in Kontakt zu kommen und sie kennenzulernen. Meistens beißen sie nicht und tragen auch keine Burka. Eine gespaltene Gesellschaft bringt uns nicht weiter. Hören wir also auf uns anzuschnauzen und fangen wir an, aufeinander zuzugehen. Statt Angst sollten wir Verständnis schaffen. Statt bösen Blicken die Hand reichen und gemeinsam gegen die Bedrohungen in der Welt stehen.