Seit nunmehr einem guten Jahr kämpfen wir als Gesellschaft gegen die Corona-Pandemie. Jede:r auf andere Art und Weise, jede:r mit unterschiedlichen Schwierigkeiten. Ein anderer Artikel in diesem Blog lautete „Klatschen reicht nicht aus!“, diesem Motto möchte ich mich anschließen und ergänzen: „Raus auf die Straße! Rein ins Netz!“.
Ostbayern ist eines der Epizentren der Verschwörungsmysthiker:innen mit engen Verbindungen in die rechtsoffene, rechte und rechtsextreme Szene. Als Redner:innen, Anmelder:innen und Ordner:innen der Demos der Schwurbler:innen fungieren auch Ex-NPD Vorsitzende, Aktivist:innen des III. Weg, neonazistischen Kameradschaften, Autonome Nationalisten und einige lokale AfD-Prominenz.
Woher wissen wir das? Durch die ausdauernde Arbeit von antifaschistischen Dokumentationspersonen die deren Demos besuchen, Facebook-Gruppen durchkämmen und Telegram-Chats sichten.
Im Rahmen der Pandemie legten wir als SPD und als Jusos, wie viele Linke, den Fokus auf einen unserer Kernwerte: die Solidarität. Solidarität mit vulnerablen Gruppen (immerhin bis zu 40% der Bevölkerung), Angestellten, Vermeidung von Infektionen, etc. Dieser Ansatz war und ist richtig, was wir darüber aber vergessen haben ist der antifaschistische Kampf!
Wir haben die Straße den NazisAntisemiten überlassen und einzelnen antifaschistischen Aktivisti. Selbstverständlich haben wir unsere politischen Differenzen mit manchen Akteur:innen der politischen Linken (zählt unser Landesverband doch eher zu den Tradis), aber diese Abgrenzeritis und die damit verbundene Schwächung hilft nur unserem gemeinsamen politischen Gegner. Die höchste Beteiligung an Gegendemos gibt es traditionell in Regensburg, aber in den restlichen Orten Ostbayerns? Uff.
Das ist ein Problem auf vielen Ebenen, u.a.:
- Fokussierung der (medialen) Aufmerksamkeit auf Schwurbler:innen
- (Wieder-)Erstarken rechter Strukturen
- Überlastung antifaschistischer Strukturen
In Ostbayern finden seit Wochen je Woche bis zu VIER Demonstrationen mit Corona-Bezug statt, es gibt unzählige Telegram- und Facebook-Gruppen und einige hyperaktive Aktivist:innen auf Seiten der Menschenfeind:innen. All das sorgt für eine Überlastung bei denjenigen die im Hintergrund arbeiten, die aber auch auf (fast) jeder Demonstration – teils körperlich (!) – angegriffen werden. Wir laufen Gefahr relevante Teile antifaschistischer Strukturen wegen Burn-Out zu verlieren.
Wir brauchen Solidarität auch hier!
Ohne Präsenz im Netz, ohne Sichtbarkeit auf der Straße finden wir keine Mitglieder und keine Wähler:innen. Den Menschen ist nicht klar, wofür wir stehen, und da hilft kein Wahlkampfstand, keine Flyeraktion, kein Großplakat. Es bringt nichts zwei Monate vor jeder Wahl aktiv zu werden!
Deswegen:
- Raus auf die Straße, schwenkt die Fahne, tragt das Transpi!
- Raus auf die Straße, schützt die Dokumentationspersonen!
- Raus auf die Straße, teilt eure Informationen!
- Rein ins Netz, verbreitet Mobi-Aufrufe!
- Rein ins Netz, nutzt die angebotenen Informationen!
- Rein ins Netz, haltet dagegen!
!! SUPPORT YOUR LOCAL ANTIFA !!
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung, die Zahlen aus dem Jahr 2018 nimmt, hat ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands einen so genannten Migrationshintergrund. Dazu zählt jeder, bei der zumindest ein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist. In Landshut schauen die Statistiken nicht anders aus. Hier fällt die Quote sogar leicht höher aus, man spricht laut Integrationsbericht der Stadt von ca. 23.000 Menschen. Bei 73.000 Bewohnerinnen (Stand Mitte 2020) ist das mehr als 30%. Nun kommen wir jedoch zu einem – meiner Meinung nach großem – Problem: die Repräsentation dieser Bevölkerungsgruppe. Der Stadtrat von Landshut hat 44 Mitglieder. Keiner der aktuell gewählten Stadträte ist Migrantin. Zu diesem Sachverhalt nun eine kurze Analyse unserer Partei:
Multikulturalität und die SPD. Über diese Beziehung kann man generell sehr viel schreiben. Wir haben auf der einen Seite den Multikulturalismus, der de facto unser Integrationsleitbild in der Bundestagswahl 2005 war. Auf der anderen Seite haben wir einen Altkanzler, der ebenjenes Konstrukt als „Illusion von Intellektuellen“ ansieht. Und wiederum haben wir auch Mitglieder gehabt, die durch rassistische Kampfschriften eine breite gesellschaftliche Debatte losgetreten haben, ob denn nun „Ausländer*innen“ pauschal einen geringeren IQ hätten oder nicht.
Obwohl die SPD durch diese Entgleisungen Glaubwürdigkeit in ihrer Migrantenwählerschaft eingebüßt hat, bleibt sie gefühlt meiner Meinung nach dennoch einer der wichtigsten Parteien für dieses Milieu. Gründe dafür sind auch u.a. engagierte SPD-Parlamentarierinnen mit Migrationshintergrund. Als Beispiel möchte ich hier Herrn Arif Taşdelen anbringen, der – so wie es der Zufall auch will – eine meiner ersten SPD-Kontakte wurde. Arif – oder „Arif abi“, wie ich ihn lieber nenne (für „großer Bruder“) – hat innerhalb der letzten Jahre als bayerischer Landtagsabgeordneter unserer Partei viele Themen in das Maximilianeum gebracht, die erstens, so ganz sicher nicht dort behandelt worden wären, und zweitens, die vielen Migrantinnen an sich sehr wichtig sind. Als Beispiele kann ich die bayerisch-staatliche Akzeptanz von islamischen Bestattungsriten und die Unterstützung der Uiguren – mit München als größte Diaspora der Uiguren – bringen.
Auf kommunalpolitischer Ebene hingegen merke ich als Laie, dass unsere Partei engagierte Migrantinnen – und Nachfahren dieser – leider auf hintere Listenplätze setzt. Die Fehler, die von konservativ-bürgerlichen Parteien gemacht werden, sollten von uns vermieden werden. Wenn ein Parlament die Vertretung des Volkes an sich darstellt, dann müssen auch in einer Stadt mit 30% Migrantinnen-Quote meiner Meinung nach diese Zahlen in ihren Parlamenten finden. Und gerade unsere Partei, die sich u.a. für die Schwächsten in der Gesellschaft einsetzt, sollte engagiert dabei sein, diese Repräsentationsgerechtigkeit „durchzuboxen“.
Was ich übrigens nicht zählen lasse: Vor der Stadtratswahl in Landshut hat ein Politiker einem Bekannten von mir folgendes gesagt: „Man muss doch kein Migrant sein, um Migranten vertreten zu können.“ Unrecht hatte er nicht. Aber wenn man diesem Argumentationsmuster folgt, bräuchte man auch keine Frauen in Parlamenten.
Dieser Tage sieht man sie überall: Die Posts in den Sozialen Medien, die Beifall klatschen für Pflegekräfte, Erzieher*innen und all jene Menschen systemrelevanter Berufe. Dass sich in dieser Masse von Beklatscher*innen und Danke-Sager*innen natürlich auch die bayerische Staatspartei einklinken muss, scheint konsequent: So hat die CSU in den letzten Tagen sogar eigens eine Webseite unter dem Titel „Bayernhelden“ auf den Schild gehoben. „Sagen wir gemeinsam Danke! Es ist nur eine kurze Botschaft, aber eine große Anerkennung für eine tolle Leistung!“, so unterstreicht die CSU ihren massiven Einsatz für die Menschen, die sich tagtäglich abrackern und aufopfern für unsere Gesellschaft. Einfach mal nur ein warmes, inhaltsleeres Danke sagen!
Seien wir mal ehrlich: Dieses Beifall-Klatschen und das vom Balkon herunterzwitschernde „DANKE“ ist nichts weiter als blanker Hohn all denjenigen gegenüber, die nun auf einmal ganz unerwartet als systemrelevant gelten. Es ist blanker Hohn gegenüber denjenigen, die bereits seit Jahren mit dem massiven Ärzt*innenmangel und Pflegenotstand arbeiten und sich nun mit einer sich noch weiter zuspitzenden Lage arrangieren müssen. Diese Menschen schieben Überstunden über Überstunden, setzen sich tagtäglich massiven Gefahren aus und jetzt sollen sie sich plötzlich über schöne, warme Dankesworte unseres Ministerpräsidenten und der CSU freuen. Diese rosa Wolke von neuer Wärme und vermeintlicher Liebe zu den systemrelevanten Berufen seitens der CSU soll doch nur eines tun: Den dunklen, stickigen Nebel des immer deutlicher zu Tage tretenden kapitalistischen und kollapsanfälligen Gesundheitssystems der Republik zu verbergen und ein vermeintlich wohliges Gefühl vermitteln. Warum spricht denn von den Konservativen und Liberalen niemand von den erheblichen Problemen des Gesundheitssystems? Ganz einfache Antwort: Damit könnte das eigene Fundament neoliberaler, gewinnorientierter und damit ausbeuterischer Gesundheitspolitik noch deutlicher zu Tage geführt werden und man müsse sich selbst eingestehen, Fehler gemacht zu haben. Fehler, die aber gerade durch die Corona-Krise noch deutlicher ans Tageslicht befördert werden: Privatisierungen im Gesundheitssystem, massiver Kostendruck durch Fallpauschalen, Outsourcing zentraler Aufgaben, grausame Bezahlung von pflegerischem Personal und ein dadurch erheblich auftretender Pflegekräftemangel sind nicht erst seit heute ein massives Problem. Ob das deutsche Gesundheitssystem mit diesen strukturellen Mängeln auch die anstehenden Herausforderungen und die bisher noch sehr dunkle Zahl von potentiell an Covid-19 erkrankten Personen stemmen kann?
Klar zu sagen ist an dieser Stelle, dass das gegenwärtige prekäre Gesundheitssystem durch seine gewinnorientierte Praxis noch vor massiven Herausforderungen in der Bewältigung der aktuellen Pandemie steht. Ja, es ist durchaus zu bezweifeln, dass es hierfür sogar gewappnet ist: Durch die Einführung der DRG-Pauschalen vor etlichen Jahren wurde festgelegt, dass es im gesamten System der Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen nur darum geht, die Diagnose wie Therapie von erkrankten oder verletzten Patient*innen in möglichst kurzer Zeit so auszurichten, dass möglichst viele Kriterien der jeweiligen Pauschalen erfüllt und abgewickelt werden können. Kurz: Je weniger Arbeits- und Kostenaufwand für eine Behandlung, desto höher der Gewinn für den sogenannten „Fall“. Abgesehen von dieser tiefblickenden und selbsterklärenden Praxis bedeutet dies aber wiederum, dass innerhalb des Systems auch schlicht keine Kapazitäten für Katastrophen, Massenanfällen von Verletzten oder eben Epi- bis Pandemien verfügbar sind: Denn Kohle gab und gibt es auch nur für erbrachte und geplante Leistungen und keine potentiellen, unvorhergesehenen Katastrophen. Weder diese noch irgendwelche nicht eingeplanten standardmäßigen Versorgungsaufgaben können durch die Krankenhäuser vor Ort geleistet werden, obwohl doch genau das deren Aufgabe sein sollte: Daseinsvorsorge für Alle!
Stattdessen werden vielerorts – vor allem in ländlichen Gebieten – Krankenhäuser geschlossen, wenn die betriebswirtschaftliche Rechnung nicht aufgeht. Besonders kleine Kliniken, die für eine basale medizinische Versorgung auf dem Land sorgen sollten, machen aufgrund des DRG-Systems massive Defizite, denn Leistungen von Grundversorgungsmaßnahmen werden nach diesen Pauschalen schlicht nicht ausreichend bezahlt. Und da viele dieser Kliniken gerade auch unter kommunaler Trägerschaft stehen, können sich Kommunen – aufgrund ihrer ohnehin hohen Aufgabenlast – diese jahrelang angehäuften Defizite einfach nicht mehr leisten: Schließungen, die zur kompletten Unterversorgung in der ganzen Region führen, sind die Konsequenz. Oder aber die kommunalen Träger*innen versuchen die medizinische Infrastruktur zumindest durch einen Verkauf an private Krankenhauskonzerne zu retten. Doch daraus wird die Situation nicht im geringsten besser, denn die eigentlich breite Grundversorgung wird aufgegeben: Noch schlechtere Arbeitsbedingungen und Gehälter des medizinischen und pflegerischen Personals, Schließung der nicht profitablen Sektoren wie beispielsweise der Geburtshilfe oder der Pädiatrie und vor allem die Umnutzung der Krankenhausbetten für profitable Bereiche wie beispielsweise das operative Geschäft sind die Folge. Dieses dem ach so sozialen Markt überlassene Geschäft hat dazu geführt, dass von 1991 bis 2017 die Zahl der bayerischen Krankenhäuser von 424 auf 354 zusammengeschrumpft ist. Davon befinden sich nach den aktuellsten Zahlen 44 in freigemeinnütziger Trägerschaft (also Trägerschaften unter sozialen, karitativen Vereinigungen oder kirchlichen Orden), 153 in öffentlicher Trägerschaft (also Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts betrieben von Bund, Land und Kommunen) und 157 in komplett privater Hand, deren Ziel die Erwirtschaftung eines Gewinns darstellt. Blickt man noch tiefer in die Materie hinein und vergleicht die verfügbare Versorgungssituation, dann lässt sich ein verheerendes Bild zeichnen: Während die 153 Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft eine Bettenkapazität von knapp 54.500 Betten in Bayern aufweisen, haben die 157 privaten Krankenhäuser gerade einmal ein Viertel davon und tragen mit 13.850 Betten bei.[1]Ähnlich zeichnet sich dieses Bild im gesamten Bundesgebiet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Die Corona-Krise zeigt nun noch deutlicher, dass weder der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch die bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml (CSU), selbst an den eigens aufgefahrenen Dankesworten und Lobeshymnen an die systemrelevanten Berufe zweifeln: Die vor Kurzem gesetzlich eingeführten Personaluntergrenzen von Pflegekräften wurden infolge von Corona sofort wieder verworfen. Folge: Jetzt müssen die ohnehin schon überforderten Kolleg*innen im Pflegebereich eine bisher noch immer unbekannte aber sicherlich massiv ansteigende Zahl von infizierten Patient*innen behandeln. Zusätzlich hat man bemerkt, dass in der gesamten Bundesrepublik deutlich zu wenig Beatmungsplätze zur Verfügung stehen, woraufhin Spahn schnellstmöglich 10.000 neue Beatmungsgeräte ordern musste.[2]Fraglich ist, welche Personen die beatmeten Patient*innen behandeln sollen, denn der jahrelang um sich greifende Neoliberalismus im Gesundheitssystem in all seinen Facetten (DRGs etc.) hat nicht nur für chronische Unterfinanzierung, sondern auch schlechte Arbeitsbedingungen und damit einem massiven Pflegekräftemangel gesorgt.
Diese und viele weitere Punkte zeigen deutlich auf, in welcher dramatischen Situation sich unser Gesundheitssystem gegenwärtig befindet. Jahrzehntelange neoliberale Politik haben nicht im Ansatz der Gesellschaft geholfen, sondern lediglich im Gesundheitssektor den privaten Konzernen genutzt. Dass die Bundesrepublik selbst den international höchsten Anteil privater Krankenhäuser vorweist, spricht weiter eine klare Sprache. Von Aktienerlösen gar nicht erst gesprochen. Das Gesundheitssystem ist erkrankt am Neoliberalismus und wird nun vor die Herausforderung gestellt, ob es diese Krise überwinden kann. Wir werden sehen und hoffen das Allerbeste.
Wir als Jungsozialist*innen streiten seit jeher gegen jegliche Privatisierungstendenzen und ausufernde kapitalistische Kräfte, die nicht im Geringsten der Allgemeinheit, sondern nur den Wenigen nutzen. Aus unserer Sicht kann es nicht sein, dass Krankenhäuser auf Kosten der Gesundheit von Menschen Gewinne abwerfen. Zudem ist die medizinische Daseinsvorsorge eine klar hoheitliche, staatliche Aufgabe und muss demzufolge auch in deren Verantwortung betrieben und geplant werden. Die Situation zeigt ganz klar: Gesundheitsversorgung in öffentlicher Hand garantiert eine gleichwertige und qualitativ hochwertigere Versorgung für alle und bevorzugt keine besonders profitablen Bereiche, weshalb eine Rekommunalisierung zahlreicher Kliniken für die Allgemeinheit, die Gesundheit und vor allem für das solidarische Miteinander zwingend notwendig ist.
Wollen wir wirklich ernstgemeint „Danke“ sagen, dann reichen keine einfachen Worthülsen, dann müssen konkrete Taten folgen: Die miserable Personalausstattung in den Kliniken ist eine Folge von chronischer Abwehrhaltung gegen eine Besserstellung der Pflegekräfte. Wenn es die CSU mit ihren Dankesworten an die „Bayernhelden“ wirklich ernst meint, dann sollte sie für eine Aufwertung der Pflegeberufe, einer deutlich besseren Bezahlung sowie besserer Arbeitsbedingungen sorgen. Wir brauchen ein Umdenken in unserem Gesundheitssystem, keine warmen Worte. Statt aber die bestehenden, beschriebenen Probleme an der Wurzel zu packen und einzulenken, stellt sich die bayerische Staatsregierung unter Beteiligung von CSU sowie Freien Wählern lieber hin, beruhigt, sagt den medizinisch-systemrelevanten Berufen „Danke“ und verkündet den Kolleg*innen bis zum Ende der Krise das Mittagessen zu bezahlen.[3] BRAVO!
[1]Vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik: Krankenhausstatistik 2017 -Grunddaten, Diagnosen und Kostennachweis. URL: https://www.statistik.bayern.de/mam/produkte/veroffentlichungen/statistische_berichte/a4200c_201700_16595.pdf. Abgerufen am: 02.04.2020.
[2]Vgl. Süddeutsche Zeitung: Dräger will Klarheit bei Verteilung von Beatmungsgeräten. URL: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/medien-luebeck-draeger-will-klarheit-bei-verteilung-von-beatmungsgeraeten-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200327-99-498003. Abgerufen am: 02.04.2020.
[3]Vgl. Bayerische Staatsregierung: Bericht aus der Kabinettssitzung vom 24. März. URL: https://www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-24-maerz-2020/#a-6. Abgerufen am: 02.04.2020
Wer wir sind, wer wir sein wollen, zu wem wir aufschauen und welche Ziele wir haben, sind Fragen, mit denen wir Menschen uns schon immer beschäftigen. So geben wir uns selbst unmögliche Aufgaben oder leben Idealen hinterher, die wir niemals erreichen können. Wirklich Niemals?
In den Anfängen unserer Bundesrepublik war der Glaube an ein vereintes, friedliches und tolerantes Europa nur ein idealistischer Gedanke in den Köpfen einiger. Nach einem Krieg, nach einem Völkermord, nach purem gelebtem Hass, gab es zwar Hoffnung, aber keiner wusste, wie diese auszusehen hat. Keiner wusste wohin die Reise geht.
Als Strafe für den Krieg wurde unser Volk geteilt. Die einen lernten die Freiheit der Demokratie kennen, während die anderen den Kommunismus versuchten umzusetzen. Es entstand der Klassenfeind. Der Feind im Osten. Der Feind im Westen. West gegen Ost. Ost gegen West. Dieses Bild prägte die folgenden Jahrzehnte.
So stand die Welt eher vor einem 3. Weltkrieg, der noch zerstörerischer gewesen wäre, als der letzte. Friede wäre fast nur eine Hoffnung geblieben.
Der Klassenfeind beider Weltanschauungen war wohl das Feindbild ganzer Generationen, obwohl uns nur eine Mauer trennte. Diese Mauer wurde Sinnbild für den errichteten Hass zwischen Menschen, die eigentlich ähnliche Wünsche, Hoffnungen und Gedanken hatten. Wie oder ob wir diesen Hass, je überwinden konnten, kann man nicht genau sagen.
So ist es die Verallgemeinerung, das Vorurteil und auch manchmal die Angst vor der Fremde, welche selbst nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ noch immer hohe Mauern zwischen einer mit Vielfalt gekennzeichnete Gesellschaft stellen. Es ist keine Hautfarbe, keine Religion, keine Nationalität, keine Lebensweise, keine Sexualorientierung, die dafür sorgt, dass Menschen „böse“ werden. Es ist der Mensch selbst, der sich von Vorurteilen über das Fremde zu einem Rassisten entwickelt. Die Angst seine sozialen Status, seine Identität zu verlieren bestärkt nur den Prozess. Doch so ist es stehts die Vielfalt, die einem Volk seine Identität verleiht.
So haben wir seit der Flüchtlingskrise eine Neiddebatte. Statt zu sehen, dass wir durch diese Krise nicht weniger oder mehr Geld besitzen, sagt das populistische Geschwätz etwas anderes. Der Unmut, die Existenzangst von Menschen wird hier schamlos ausgenutzt. Wir als SPD/JUSOS müssen hier vorangehen und ein offenes, freies Deutschland für jeden fordern. Ein Deutschland, wo sich jeder Mensch mehr als nur die günstigsten Nahrungsmittel leisten kann. Ein Deutschland indem es jedem möglich ist, in Würde zu leben. Jeder Mensch in Armut ist einer zu viel.
Doch statt als Gesellschaft zusammen zu halten, den Schwachen zu unterstützen, reden unsere „Leistungsträger“ nur von dem Konzept des Fleißes. „Wer hart an sich arbeitet und für den Erfolg kämpft, wird auch Erfolg haben.“ Doch wo es Gewinner gibt, sind auch immer Verlierer.
Der größte Fehler scheint der Mensch zu sein, denn wir können nicht einschätzen, wir können nicht objektiv bewerten. Doch trotz dieser großen Fehler fällt eine einzige Tatsache im Verlauf der Geschichte immer wieder auf: je größer die Dunkelheit, je größer der Hass, desto größer wird das Licht, desto größer wird die Liebe.
Demokratie ist eine Staatsform, die nicht einfach da ist, die nicht einfach für immer da sein wird, wenn wir uns nicht bemühen. Demokratie ist lebendig, so ist ihre wohl größte Schwäche auch ihre größte Stärke. Das Volk. Wir!
Lasst uns alle einen Schritt aufeinander zugehen. Lasst uns gemeinsam unsere Zukunft erarbeiten. Lasst uns kämpfen für ein solidarisches, vielfältiges, großartiges, friedliches und tolerantes Europa, Deutschland, Bayern.
Am Ende müssen wir das Licht sein, das sich gegen die Dunkelheit auflehnt, das den Menschen den Weg zeigt.
Vielfalt statt Einfalt muss unser Motto lauten. Vielfalt statt Einfalt.
Die Tour de France 2019, 176 Fahrer, ca. 3400 km, 30 Berge der höchsten Kategorien (gemessen an der Steigung), kurz gesagt das größte, schwerste und spektakulärste Radrennen der Welt. Und besonders dieses Jahr ist es wieder spannend, einer der Top Favoriten verletzt sich kurz vor der Tour und auch im Verlauf der Tour bleiben die Abstände der Top fünf sehr eng.
Wer sich jetzt denkt, nicht noch ein Beitrag zu Doping im Radsport sei ganz unbesorgt, denn darum soll es in diesem Text nicht gehen. Als ich mir einige Etappen der diesjährigen Tour angesehen habe, sind mir einige Sachen aufgefallen, die mir früher nicht so ins Auge gefallen sind und damit meine ich nicht dass das Team „Sky“ jetzt „Ineos“ heißt (erinnerte mich etwas an „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix“). Nein, mir ist dieses Jahr einmal aufgefallen, wie stark die Tour von weißen Europäern dominiert wird. Daher habe ich mir die Frage mal gestellt, wie rassistisch der Radsport und der Sport generell ist und wie sexistisch er ist. Unter den 176 Fahrern ist nur der Franzose Nataneal Berhane als schwarzer Fahrer dabei. Woran liegt das? Diese Frage haben sich auch andere Zuschauer*innen der Tour gestellt und diese dem Kommentatoren-Team der ARD gestellt. Man merkte geradezu, wie unangenehm die Frage diesen war und wie sie die ganze Zeit versuchen, nichts Rassistisches von sich zu geben. Ihr Erklärung war, dass der Radsport in Ländern mit einem großen Anteil von schwarzer Bevölkerung nicht so beliebt ist und daher auch nur wenige Fahrer zu Verfügung stehen, um sie zu den großen Radsportrennen zu bekommen. Doch dies klingt für mich mehr nach einer Ausrede und nach einem Versuch, das unangenehme Thema und Kritik an der ohnehin die letzten Jahre stark in Mitleidenschaft genommenen Tour zu vermeiden. Ein Problem dürfte sein, dass die Tour mehr als andere Sportereignisse kapitalistisch verwertet wird. Die Teams werden von wenigen Firmen gestellt und werden dann auch nach diesen benannt. Somit steht im Vordergrund, was die Firma möchte und nicht die Bemühung um eine möglichst vielfältiges Feld. Wäre es Firmen wichtig auch schwarze Fahrer in ihrem Team zu haben, dürfte das kein Problem sein auch hier passende Fahrer zu finden und auch Jungprofis aufzunehmen und diese dann aufzubauen.
Ein zweiter Punkt ist die Frage, warum es die meisten Radsportrennen ausschließlich für Männer gibt. Frauen werden bei der Tour zwar gerne gesehen, aber wenn dann am Straßenrand oder für das obligatorische Küsschen links und Küsschen rechts für die Sieger der verschiedenen Kategorien. Zwar gab es in der Vergangenheit schon mehrfach einen Versuch, zumindest ein vereinfachtes, kürzeres Rennen für die Radsportlerinnen zu organisieren, doch wie man sieht ohne langfristigen Erfolg. In diesem Jahr versucht es eine Gruppe von Frauen, auf dieses Thema wieder mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Unter dem Slogan „donnons des elles au vélo“ („setzen wir sie aufs Rad“) fahren diese der Tour voraus, um sich der Presse zu zeigen und auch um zu demonstrieren, dass auch sie diese Distanz überwinden können.
Dass die Frauenfeindlichkeit aber nicht nur ein Problem der Tour und des Radsports ist, zeigt auch das jüngste Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS. Dieser Urteilte über Caster Semenya, eine südafrikanische Läuferin. Diese hat nach Ansicht der Richter*innen einen zu hohen Testosteronwert und darf daher nicht bei Wettkämpfen starten, es sei denn, Semenya senkt ihren Testosteronwert durch Medikamente. Dieses Urteil ist insoweit auch ein Novum, da jetzt auch ein ganz natürlicher Vorteil den Sportler*innen weggenommen werden soll. Zum Vergleich: Es wird wohl niemand fordern, dass Usain Bolt die Beine operativ kürzen lassen müsse, da diese von der Norm abweichen würden und er so einen Vorteil gegenüber den anderen Läufern habe.
So zeigt sich im Ganzen, dass die Sportwelt noch viel Verbesserungspotential hat und gerade was Diskriminierung sowohl auf der Grund der Ethnie als auch des Geschlechts angeht. Zu guter Letzt auch noch etwas Positives von der Tour. Die diesjährige Tour wird zum ersten mal von einem Kolumbianer, Egan Bernal gewonnen. Bis zum ersten schwarzen Tour-Gewinner dauert es hoffentlich nicht weitere 106 Auflagen.
In vielen Kommunen in Bayern ist derzeit ein Thema beherrschend- die Aufstellung für die Kommunalwahlen nächstes Jahr. Nachdem unsere Partei in den letzten Wahlen keine großen Erfolge feiern konnte, stellt sich die Frage, wie bei den Kommunalwahlen dieser Trend umgekehrt werden kann.
Es ist an der Zeit, dass die Wahllisten die Vielfalt in unsere Partei abbilden. Die Analysen des Wahlverhaltens nach der letzten Europawahl haben es wieder einmal in aller Deutlichkeit gezeigt- der SPD gelingt es nicht mehr, junge Menschen zu überzeugen. In der Altersgruppe der unter 25 Jährigen setzten nur noch 8 % der Wähler*innen ihr Kreuzchen bei unsere Partei.
Ein Hauptgrund für dieses desolate Ergebnis ist natürlich unser derzeitiges Unvermögen, unsere Inhalte und Positionierungen den Wähler*innen näher zu bringen.
Daneben ist es jedoch unverkennbar, dass sich gerade junge Wähler*innen sich von der SPD einfach nicht mehr vertreten fühlen. Bei einem Blick auf die Entwürfe für die die Listen zur Kommunalwahl, die derzeit in manchen Kommunen zirkulieren, überrascht das nicht. Bei einem Altersdurchschnitt von gefühlt knapp über 60 Jahren ist es nachvollziehbar, dass viele Wähler*innen es nicht als die Kernkompetenz der SPD ansehen, die Interessen gerade junger Bürger*innen zu vertreten.
Dieser Schluss ist jedoch nicht unbedingt zutreffend. In unsere Partei gibt es viele, gerade auch ältere Mitglieder, die immer offen für die Ideen und Anregungen von uns Jusos sind und durchaus bereit sind, diese in der täglichen Politik umzusetzen. Hier möchte ich besonders auf die interessante Zusammenarbeit zwischen Jusos und der AG 60 + verweisen.
Wie können wir diese generationenübergreifende Zusammenarbeit besser nach außen kommunizieren?
Unerlässlich ist es dabei, die Vielfalt der Gesellschaft und unsere Partei auch auf unseren Wahllisten abzubilden. Gerade jetzt, wo wir uns hier in Bayern auf die Kommunalwahlen nächstes Jahr vorbereiten.
Um junge Menschen wieder anzusprechen, ist es jedoch nicht ausreichen, eine oder einen Juso auf Platz 15 der Liste zu setzen. Zum einen deckt die Juso-Mitgliedschaft eine Altersspanne zwischen 14 und 35 Jahren, ab. Auch diese Vielfalt in Lebensrealitäten und Erfahrungen müssen sich in den Listen wiederfinden. Zum anderen muss unseren Vertreter*innen auch die Möglichkeit gegeben werden, auf aussichtsreichen Positionen zu kandidieren. Nur auf diese Weise kann plausible gezeigt werden, dass die SPD auch die Interessen dieser Generation angemessen vertritt.
Daneben gilt es natürlich auch anderen, bis jetzt noch unterrepräsentierten Gruppen auf den Listen angemessen vertreten werden. Dies gilt insbesondere auch für Frauen*, Menschen mit Migrationshintergrund, Arbeiter*innen und all die anderen Menschen, die in ihrer Pluralität die SPD zu einer wahren Volkspartei machen.
Andrea Nahles ist als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurücktreten. Schade eigentlich, oder?
Ein Blick in ihren Lebenslauf offenbart sie als die „perfekte“ Sozialdemokratin. Als katholisches Arbeitermädchen vom Land wuchs sie bereits in jungen Jahren in den Parteistrukturen auf und legte eine vorbildliche Karriere hin: Sie begann als Juso -Vorsitzende, wurde im Jahre 1998 in den Bundestag gewählt, 2009 zur Generalsekretärin ernannt. Anschließend übernahm sie das Ministerium für Arbeit und Soziales und 2018 übernahm sie schlussendlich den Posten als Fraktions- und Parteivorsitzende. Seit 30 Jahren ist Andrea nun in der Partei, kennt die Strukturen und ihre Mitglieder, weiß wie man die Flügel innerhalb der SPD auf Linien bringt und genießt auch eine breite Bekanntheit in der Bevölkerung. Da lag der Gedanke nicht fern, sie als die erste weibliche Parteivorsitzende vorzuschlagen.
Als Parteivorsitzende nahm sie sich große Ziele – vielleicht zu große – vor, denn spätestens die diesjährigen verlorenen Landtagswahlen und insbesondere die Europawahl haben Nahles auf den Boden der Tatsachen geholt. Die Sozialdemokratische Partei scheint keine attraktive, geschweige denn eine wählbare Partei mehr zu sein.
Im Zuge dessen kam, vor allem auch ihr gegenüber, viel Kritik aus den eigenen Reihen und erste Sturzgerüchte machten den Umlauf. Nach ihrem Rücktritt begann in den Medien eine für mich irritierende Feminismusdebatte. Man(n) hätte Nahles anders behandelt, weil sie eine Frau ist und dies sei der wahre Grund ihres Rücktritts. Diesen Gedanken will ich nicht komplett abstreiten, da durchaus einige einen anderen Umgang mit ihr pflegten aufgrund ihres Geschlechts. Aber wir reden hier immer noch von einer ehemaligen Juso-Vorsitzenden, die weiß wie man auf den Tisch haut und seinen Willen durchgesetzt bekommt. Nicht selten ist sie mit sturen Forderungen vorangegangen und hat sich selten von ehemaligen Parteivorsitzenden wie Sigmar Gabriel einschüchtern lassen. Fraglich ist, wieso man bei ihr als Frau meint, dass „nicht der politische Stress, sondern die Verwundung der Seele den Ausschlag“[1]ihres Rücktritts gab, während der Rückzug von Martin Schulz als das Ziehen der „politischen Konsequenzen“ verkauft wurde.
Ich bin der Meinung, dass Andrea Nahles, unabhängig von ihrem Geschlecht, das alte Gesicht der SPD repräsentiert. Es herrscht große Unzufriedenheit bezüglich der veralteten Strukturen der Partei, die immer noch vorhanden Hintertürgespräche der hohen Funktionäre und das Postengeschachere, welches untereinander und oftmals stillschweigend vereinbart wird. Diese Ära muss mit dem Rücktritt von Nahles ein Ende finden. Es wird Zeit einen neuen, jungen und frischen Wind von unten wehen zu lassen.
Hätte mir noch vor wenigen Jahren jemand erzählt, dass die SPD bald das Asylrecht verschärfen wird, um Abschiebungen schneller durchführen zu können, hätte ich das dieser Person mit Sicherheit nicht geglaubt. Vergangenen Freitag ist aber genau das im Bundestag passiert und für mich und für viele andere bleibt die Frage nach dem „Warum?“ offen. Schon vorher wurden von Seiten der SPD fragwürdige Dinge mitgetragen – wie beispielsweise das Asylpaket II – doch jetzt wurde eindeutig eine Grenze überschritten.
Zuerst einmal sollten wir einen Blick in den Gesetzesentwurf werfen und schauen, was da überhaupt genau beschlossen wurde. Das große Ziel, das mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ – einem Teil des Migrationspakets, welches aus insgesamt sieben Gesetzesentwürfen besteht – erreicht werden soll, ist, bereits angeordnete Abschiebungen durchzusetzen. Dabei wurden in vielen Bereichen des Asylrechts Änderungen – oder vielmehr Verschärfungen – beschlossen. Grundsätzlich muss gesagt werden, dass gegen derartige Gesetzespakete erst einmal nichts einzuwenden ist. Hier hat man sich aber auf eine ganz pragmatische Rechnung eingelassen: auf dem Rücken einer Minderheit werden vermeintliche Verbesserungen – z.B. im Bereich der Erwerbsmigration – für andere rausgeholt. Als ethisch korrekt kann man so ein Vorgehen wahrlich nicht bezeichnen.
Neuer Duldungsstatus
Neu ist der Status einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ für jemanden, der ein „Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine [sic!] Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt“. Diesen sogenannten „Identitätstäuscher*innen“ drohen diverse Strafen, wie z.B. ein Arbeitsverbot oder Bußgelder.
Sozialleistungen
Auch im Bereich der Sozialleistungen soll es zu Kürzungen kommen. Geflüchtete, die schon in einem anderen Land der EU unter internationalem Schutz stehen, sollen keinerlei Sozialleistungen erhalten, wenn dieser Schutz weiterhin besteht. Lediglich hilfsbedürftige Personen sollen für zwei Wochen Unterstützung bis zu ihrer Ausreise erhalten.
Abschiebehaft
Asylbewerber*innen, deren Gesuch auf Asyl abgelehnt wurde, können jetzt in regulären Haftanstalten in Ausreisegewahrsam genommen werden. Das Gesetz sieht zwar vor, die Asylsuchenden gesondert innerhalb der JVA unterzubringen, dennoch ändert sich nichts an der Tatsache, dass Menschen, die keinerlei Straftat begangen haben, inhaftiert werden können. Und noch schlimmer: nicht nur Erwachsene, sondern auch Familien und Kinder können von derartigen Regelungen betroffen sein.
Kriminalisierung von Helfer*innen
Die Verschärfungen beziehen sich aber nicht nur auf die Geflüchteten selbst. Mitarbeiter*innen von Behörden und Beratungsstellen, die Asylsuchende vor Abschiebungen warnen und Informationen oder Details zu Zeit und Ort preisgeben, machen sich strafbar. Und auch ehrenamtliche Helfer*innen können in Ausnahmefällen strafrechtlich wegen Beihilfe belangt werden, wenn sie Beamt*innen dazu anstiften, Informationen in Bezug auf das Dienstgeheimnis herauszugeben.
Sozialdemokratische Werte, Solidarität und Humanität finde ich bei diesen Änderungen nicht. Und so positionieren sich nicht nur außerparteiliche Organisationen – wie z.B. ProAsyl, die von einem „Hau-ab-Gesetz“ sprechen – gegen das Gesetz und riefen die Bundestagsabgeordneten dazu auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Auch innerparteilich regt sich massive Kritik der Bundestagsfraktion bzw. den Abgeordneten der SPD, die dem Gesetz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zugestimmt haben. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen beispielsweise veröffentlichte auf ihrer Website eine migrationsrechtliche Bewertung des Gesetzesentwurfs. Sie kommen darin zu dem Schluss, dass „die SPD, allen voran die Bundestagsfraktion, den aktuell diskutierten Vorschlag des „Geordnete-Rückkehr“-Gesetzes vehement ablehnen [sollte]. Denn wir geben mit diesem Gesetz grundlegende Werte und Rechte unseres Staates auf, bekämpfen rechtswidrige Zuwanderung nicht und vernichten zugleich Integrationserfolge.“ Auch innerhalb der Jusos regte sich enormer Widerstand. Die AG Migration und Vielfalt der SPD bezeichnete den Gesetzesentwurf in einer Pressemitteilung als „Kriminalisierungs-Einsperr-Rauswurf-Gesetz“ und auch die Jusos forderten die Abgeordneten der SPD im Bundestag öffentlich dazu auf, nicht zuzustimmen.
Die SPD-Bundestagsfraktion selbst veröffentlichte eine Art Rechtfertigung mit dem Namen „Koalition stärkt die Integration und ordnet Rückführungen“. (Wer das gesamte Papier nachlesen will, findet den Link unten in den Quellen.) Der Tenor dieses Schreibens klingt nach „Seid froh, dass wir es noch ein bisschen abgemildert haben, es hätte noch schlimmer sein können.“ Thomas Oppermann (SPD), Vizepräsident des Deutsches Bundestages, spricht sich außerdem für „knallharte Regeln“ im Bereich der Migrationspolitik aus und erweckt somit nicht den Anschein als würde er die Kritik innerhalb der eigenen Partei verstehen geschweige denn ernst nehmen.
Der sächsische Flüchtlingsrat äußerte sich mit einem Statement auf Twitter wie folgt: „Die marginalen Änderungen, die die SPD heute feiert, ändern nichts an der fulminante, nationalistischen Kehrtwende, die die Bundesrepublik in den letzten drei, vier Jahren hingelegt hat.“ Diese Bewertung liest sich sehr drastisch. Aber wenn man darüber nachdenkt, erscheint sie einem doch als richtig. Es scheint, als hätte sie SPD in der Großen Koalition einen Teil ihrer Werte verloren. Mit den Wahlergebnissen – beispielsweise der Europawahl – und Umfragewerte seit Beginn der Amtsperiode im Hinterkopf kann dieser Eindruck nur bestätigt werden.
Quellen:
AJS: Das sog. „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ – eine kurze migrationsrechtliche Bewertung URL: https://asj.spd.de/aktuelles/aktuelles/news/das-sog-geordnete-rueckkehr-gesetz-eine-kurze-migrationsrechtliche-bewertung/05/06/2019/ (letzter Aufruf am 10.06.2019)
Jurik Caspar Iser: Wie Horst Seehofer schneller Abschieben will. URL: www.zeit.de/politik/deutschland/2019-04/abschiebungen-geordnete-rueckkehr-gesetz-horst-seehofer-bundesinnenminister-faq (letzter Aufruf am 09.06.2019).
Jusos Bayern: Aus den Niederlagen lernen – die SPD muss das “Geordnete-Rückkehr-Gesetz” ablehnen. URL: https://jusos-bayern.de/news/aus-den-niederlagen-lernen-die-spd-muss-das-geordnete-rueckkehr-gesetz-ablehnen/ (letzter Aufruf am 10.06.2019)
SPD Bundestagsfraktion: Koalition stärkt die Integration und ordnet Rückführungen. URL: https://www.spdfraktion.de/themen/koalition-staerkt-integration-ordnet-rueckfuehrungen (letzter Aufruf am 09.06.2019).
Spiegel online: 22 Organisationen warnen in einem öffentlichen Brief. URL: www.spiegel.de/politik/deutschland/horst-seehofer-offener-brief-kritisiert-geplantes-abschiebegesetz-a-1270046.html (letzter Aufruf am 09.06.2019).
Spiegel online: Notfalls mit aller Härte. URL: www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-thomas-oppermann-fordert-migrationspolitik-mit-knallharten-regeln-a-1271640.html (letzter Aufruf am 10.06.2019)
Seit nun mehr sieben Wochen gehen auf der ganzen Welt Schüler*innen auf die Straße um für eine bessere, nachhaltigere Klimapolitik zu demonstrieren. Sie rufen: „Wir sind hier wird sind laut weil ihr uns die Zukunft klaut“.
Bei uns in Deutschland haben diese eine ganz eigene Debatte losgetreten, nämlich um die Schuldpflicht. Zumeist aus Union und FDP lautet es, es ist schön, dass die Schüler*innen sich für Politik interessieren, aber sie sollen es doch bitte in ihrer Freizeit tun und nicht während der Schulzeit. Diese Auffassung erscheint etwas bizarr, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass wir in den letzten Jahren sehr viel Unterrichtsausfall hatten und die Unions und liberal geführten Länder sich hervortun, um diesem Trend entschieden entgegenzuwirken, so wichtig scheint der Bildungsauftrag dann doch nicht zu sein.
Ein Argument, welches oft von den Demo-Befürworter*innen aufgeworfen wird ist, dass in vielen Bildungsgesetzen, meist recht prominent zu Beginn des Gesetzes als Ziel der Bildung genannt wird, dass man die Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen dieser Gesellschaft heranzuziehen. Da zur Mündigkeit der Bürger*innen auch die Wahrnehmung von Grundrechten gehört, dürfte unstrittig sein.
Was mir in der ganzen Diskussion fehlt ist, dass überhaupt nicht darauf geschaut wird, wer hier auf die Straße geht. Die Schüler*innen sind die kommenden Generationen, die dieses Land in Zukunft steuern werden. Die Betonung liegt hierbei auf ZUKUNFT. Der wohl größte Teil der Demonstrant*innen ist unter 18, also nach unserem Recht nicht wahlberechtigt. Für mich ist dies das Hauptargument warum diese jungen Menschen ein höheres Anrecht darauf haben, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren und zwar wann sie wollen und wo sie wollen.
Die Begründung ist recht einfach bedarf aber einem kleinen Exkurs ins Staatsrecht. Nach unserem demokratisch-politischen Verständnis muss jede politische Entscheidung die getroffen wird, auf den Willen des (Wahl) Volkes zurückzuführen sein. Diese Legitimation liegt hauptsächlich in den Wahlen zum Bundestag und dem jeweiligen Landtag die wir in einem festen Turnus abhalten. Die Wahlen dienen hierbei als Kontrolle der Regierung, die je nachdem wie die Wählerschaft entscheidet dann entweder weiterregiert oder von einer neuen Regierung abgelöst wird.
So wird entschieden welche Politik von der demokratischen Mehrheit gewollt (oder zumindest von Nichtwähler*innen hingenommen) ist und welche nicht.
Im Gegensatz zur wahlberechtigten Bevölkerung ist nun die Nicht-Wahlberechtigte zu sehen, also ein Großteil der Demonstrant*innen die Woche für Woche auf die Straße gehen. Kinder und Jugendliche haben nicht die Möglichkeit über das politische Geschick mitzuentscheiden und so z.B. eine ökologischere Politik zu bestimmen. Ihnen bleibt nur der Protest um am politischen Diskurs teilzunehmen und ihrer Meinung gehör zu verschaffen.
Die Bundesregierung ist sich indes uneins. So bequemte sich zu Beginn des aufkommenden Protestes noch Peter Altmaier, seines Zeichens Bundesminister für Wirtschaft und Energie, zu einer Kundgebung in Berlin, jedoch wurde dies recht schnell als von ihm als „Scheißidee“ bezeichnet, weil er nur lauten Unmut der Demonstrierenden zu hören bekam, aber wen wundert das auch. Lösungen sind in der Politik aktuell nicht zu sehen, es wird viel lieber lamentiert, dass man ja die Klimaziele schon noch erreichen wird, dass man doch jetzt mit dem Kohle-Austiegsdeal zum Jahr 2038 einen guten Kompromiss gefunden hätte, der von Vertreter*innen aus Wirtschaft, Gewerkschaft und Umweltschutz ausgehandelt wurde.
Dieser Deal hat nur einen großen Haken, nämlich den, dass das Klima sich blöderweise nicht an Deals hält. Der Klimawandel kommt, wie stark er sich auswirkt kommt auf unser Handeln, jetzt und in den nächsten Jahren an.
Der Umbruch in eine klimafreundliche Wirtschaft kostet Arbeitsplätze und viele Menschen werden es nicht schaffen sich durch Umschulungen am ersten Arbeitsmarkt halten zu können. Das schmerzt besonders die Sozialdemokratie, als starke Arbeiter*innenbewegung, aber das gehört zur Wahrheit dazu. Wenn wir diesen schmerzhaften Weg jetzt nicht gehen wird es umso schwieriger für die kommenden Generationen und diese werden uns zurecht fragen, warum wir nichts getan haben um das zu verhindern, wenn wir doch so lange schon die Anzeichen gesehen und auch erkannt haben was diese bedeuten.
Um es mit Greta Thubergs Worten zu schließen:
„Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute.“
Bleibt niemandem etwas schuldig, abgesehen von der Liebe, die ihr einander immer schuldig seid. Denn wer den anderen liebt, hat damit das Gesetz Gottes erfüllt. Die Gebote gegen Ehebruch, Mord, Diebstahl und Begehren sind – wie auch alle anderen Gebote – in diesem einen Gebot zusammengefasst: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Die Liebe fügt niemandem Schaden zu; deshalb ist die Liebe die Erfüllung von Gottes Gesetz. (Römer 13:8-10)
Wenn ich diese Worte in der heiligen Schrift lese, frage ich mich zurzeit immer öfter: Lese ich meine Bibel falsch oder habe ich alles in meinem Glauben falsch verstanden?
In unseren Medien wird von der Radikalisierung des Islams gesprochen und davon, dass der Koran von Muslim*innen falsch interpretiert wird. Wer spricht über die falsche Interpretation der Bibel? Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Polen leeren sich bei uns immer mehr die Kirchenbänke, aber trotzdem sind viele noch Mitglied der Kirche und berufen sich gerne auf ihre christlichen Werte, die man und frau unbedingt schützen muss vor der Islamisierung unseres Staates. Sie nutzen ihre Religion und stellen sie als eine Bessere hin als den Islam.
Sollten diese Menschen nicht erstmal über sich selbst und ihren Glauben nachdenken? Ein Mitglied der Kirche zu sein bedeutet nicht gleichzeitig die Normen und Werte Gottes zu leben und zu verstehen und meiner Meinung nach auch nicht, gläubig zu sein. Sich an Ostern und Weihnachten in der Kirche blicken zu lassen, weil das nun mal Tradition ist, bedeutet auch nicht, dass man nun stolz sein kann. Die AfD baut ihre Kampagnen auf den christlichen Grundwerten auf. Die CSU hält gerne ihr Christlich aus dem Namen nach oben. Wenn sie sich selbst so lieben, wie sie andere behandeln, muss man und frau mit ihnen Mitleid haben. Nach meinem Verständnis hat dies aber nichts mit dem obersten Gebot der Bibel zu tun, welches im Anfangszitat dargestellt wird. Liebe fügt niemandem Schaden zu. Vielleicht sollte man den AfD-Mitgliedern einfach ein paar mehr Umarmungen geben und auf den Konferenzen Bibelstunden geben, damit sie das wirklich Christentum für ihre Politik nutzen können. Eine Religion der Liebe für Hass, Diskriminierung und Freiheitseinschränkungen zu nutzen, ist für mich unerklärlich und als offene Gläubige verletzend.
Für mich selber war der Glaube, wie für viele andere, immer ein Auffangnetz. Ich habe mich bewusst entschieden, mich taufen zu lassen und zur Kommunion und Firmung zu gehen. Ich habe mich bewusst entschieden auf eine kirchliche Schule zu gehen. Ich habe mich mit meinem Austritt aber auch bewusst gegen die Institution der Kirche entschieden. Damit habe ich nicht meinen Glauben aufgegeben, aber für mich gab es nicht mehr die Möglichkeit, eine tolerante, offene Sozialdemokratin und Mitglied der Kirche zu sein.
Das Gebäude Kirche ist für mich noch ein Rückzugsort, an dem frau Kraft sammeln kann, beten und eine Kerze für andere anzünden. Pädophilie, Vergewaltigungen und daraus entstehend zerstörte Leben der Opfer ist für mich gegen den Glauben und gegen Menschlichkeit. Eine Institution, die ein Moralkompass für Millionen von Menschen sein will, muss sich dies auch verdienen. In Deutschland sollen sich mindestens 1670[1] Kleriker (Dunkelziffer soll höher sein) von 1946 bis 2014 an 3677 Mitgliedern vergangen haben. Mehr als die Hälfte von den Opfern waren unter 13. Jahre alt. Meistens wurden die Täter nur an andere Orte verwiesen, ohne Konsequenzen. Bis heute wurde den Meisten noch keine Verhandlung gegeben und wenn, waren die Folgen minimal. Die Geschichten sind immer wieder in den Medien, trotzdem glauben die Meisten noch mit Stolz sagen zu können: Ich bin Mitglied der katholischen Kirche.
Der jetzige Papst Franziskus betitelt Homosexualität als Modeerscheinung. Eine einfache Begründung für homophobe Menschen ihren Hass weiterzuleben, denn der Vertreter Gottes ist ja ihrer Meinung. Er verbreitet damit nicht Liebe, sondern unterstützt Personen, die Hass verbreiten.
Der Männerladen Kirche muss reformiert werden. Die Doppelmoral muss gestoppt werden. Keine Religion darf für Ausgrenzung, Anschläge oder Propaganda genutzt werden. Glauben soll für jeden und jede da sein. Wir sind es Gott/Allah/Jahwe/Buddah… schuldig, dass auf dieser Erde wieder Liebe verbreitet wird und die Liebe unsere Entscheidungen beeinflusst. Wir glauben alle an etwas. Etwas was uns helfen soll, in der Dunkelheit des Elends der Erde ein wenig Licht zu sehen. Kein Gott ist perfekt. Keine heilige Schrift ist perfekt. Aber in jedem Glauben ist eines der wichtigsten Gesetze, die Liebe zu sich selbst und zu anderen. In meinem katholischen Glauben bin ich mir aber sicher, dass mein Gott damit nicht meinte nur bestimmte Menschen, sondern jeden Einzelnen und jede Einzelne.
Liebe AfD, CSU, bitte hört auf meinen Glauben zu missbrauchen! Liebe Kirche, lieber Papst, es sind neue Zeiten angebrochen! Liebe Menschheit, Lieben fügt niemanden Schaden zu!
[1] MHG-Studie, Forschungskonsortium Uni Mannheim, Heidelberg, Gießen