L!nke Sammlungsbewegung! – Bullshit oder Aufbruch?
Die Verhandlungen um eine große Koalition scheinen gegenwärtig so ziemlich alles zu überschatten. So war unter anderem eine doch auch sehr interessante Forderung der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Sarah Wagenknecht, ziemlich in der politischen Debatte untergegangen. In einem Spiegel Interview vom 13.01.2018 hat die Frau des Ex-Linken-„Stars“ Oskar Lafontaine vorgeschlagen, in der deutschen politischen Landschaft eine große, linke Sammlungsbewegung zu etablieren.[1]
Ja, ich gebe zu, ich habe schon immer eine große Sympathie für eine große linke Bewegung, doch in der ganzen Debatte stelle ich mir die Frage, ob dieses Projekt im Widerspruch zum Anspruch der Parteien auf der linken Seite, die immer wieder in den letzten Jahren für Mehrheiten gekämpft haben, steht. In den vergangenen Legislaturperioden von 2005-2009 und auch von 2013-2017 hat es eine Mehrheit links der Mitte im Parlament gegeben, doch nie fanden sie zusammen. Ob die Gründe in der Abwehrhaltung einiger Mitglieder der Linken liegen oder im rechten, konservativen Lager innerhalb der SPD, dem Seeheimer Kreis: Nie wurde groß über die Möglichkeit einer links-sozialökologischen Regierung gesprochen. Gerade aber in der SPD hat man sich das Leben leicht gemacht und ist mal wieder mit der Union ins Bett gestiegen.
Im Jahr 2005 erreichte R2G insgesamt 51% der Stimmen und hätten mit 327 Sitzen eine doch recht vernünftige Mehrheit gehabt. Auch im Jahr 2013 hätte es die Möglichkeit gegeben, doch die Mehrheit der Mitglieder haben sich bei einem Mitgliedervotum für eine erneute Große Koalition ausgesprochen.
Man sieht an diesen Zahlen doch auch recht deutlich, dass das Problem nicht inhaltlich, sondern meist eher persönlich begründet wird. Die Linken, die grob gesagt eine Abspaltung der SPD ist, wären inhaltlich weiter entfernt als die Union es ist? Ziemlicher Unfug, gerade wenn mensch auch die beiden Wahlprogramme mal miteinander vergleicht. Interessanter ist wohl eher der Umstand, dass man sich wohl einem rot-rot-grünen Bündnis verweigert, weil ein Oskar Lafontaine (seines Zeichens ehemaliger SPD-Vorsitzender) aufgrund der neoliberalen Kurswende unter Schröder aus der SPD ausgetreten ist und eine Konkurrenz-Partei – die Linke – mitgegründet hat. Weiter existiert in unserer Partei auch noch der konservative, neoliberale und karrieristische Seeheimer Kreis um Johannes Kahrs, dem es nicht zu schade ist, für Pöstchen alles zu tun und damit im Zweifel auch ein paar Werte über Bord zu werfen. Gerade was das Thema des Spitzensteuersatzes und auch der Vermögenssteuer angeht, sind es die Seeheimer*innen, die als erstes die Stimme dagegen erheben.
Allerdings muss auch gesagt werden, dass es ein Oskar Lafontaine und eine Sarah Wagenknecht waren, die gerade innerhalb der Linken ein progressives, linkes Bündnis verhindern wollten. Bis heute spürt mensch diesen Geist in der Partei: Statt sich gegen rechtsnationale, konservative und neoliberale Parteien deutlich zu positionieren, nutzt sie jegliche Möglichkeit gegen die Sozialdemokratie zu schießen und damit schlichtweg auch eine potentielle Zusammenarbeit zu verhindern.
An diesen Gegebenheiten und den Zahlen der Ergebnisse und der daraus resultierenden Nichtwahrnehmung einer Koalitionschance auf der linken Seite des Parlaments, sowohl 2005 als auch 2013, lässt die Idee eines irgendwann noch existierenden Bündnisses aus Linke, Grüne und SPD immer weiter entfernt erscheinen. Klar gesagt: Man hat etliche Chancen verspielt. Die SPD hat sich bei diesen Gelegenheiten doch immer und immer wieder für eine Politik des Aussitzens und Stillstands mit der Union entschieden. Und mittlerweile ist es ganz und gar nicht sicher, dass die als möglichen Partner*innen geltenden Parteien, also SPD, Grüne und Linke in ihrer jetzigen Formation und mit ihren jetzigen Führungspersonen eine solche linke Mehrheit in Zukunft und in absehbarer Zeit wollen und erreichen könnten: Die gegenwärtige Parteispitze der Grünen mit ihrer deutlich sichtbaren Neigung zu Schwarz-Grün und das Führungspersonal der SPD, das das Gespenst der „roten Socken“ mittlerweile genauso verinnerlicht hat, wie die Union, wird vermutlich auch künftig Chancen, wie sie 2005 und 2013 gegeben waren, nicht nutzen. Auch die Linken – allen voran eigentlich Wagenknecht und Lafontaine – bewegen sich lieber in der Opposition als in einer Regierung.
Ich persönlich gebe zu, dass ich ein Freund der Idee einer linken Sammlungsbewegung in Form eines linken, progressiven Wahlbündnisses bin. Allerdings wird sowas nur funktionieren, wenn innerhalb dieser drei Parteien kleine bis große Erneuerungsprozesse stattfinden: Gerade in der SPD, in der der Seeheimer Kreis die Szene beherrscht und die führenden Gruppierungen damit erkennbar zufrieden sind, dass die Partei in Regierungssesseln auch dann hockt, wenn sie den Kurs der Regierung nur noch ganz minimal bestimmt, wird sich leider so schnell nichts ändern. Ein Lichtblick hierbei ist allerdings dann doch der vergangene Parteitag: Ganze 44% der mittleren Funktionär*innenebene haben sich am Sonntag gegen eine Aufnahme von Koalitionsgespräche mit der Union ausgesprochen. Eine sehr wichtige Arbeit dahingehend haben – darauf können wir auch ruhig ein großes Stück weit stolz sein – wir Jusos geleistet. Es ist für den Fortbestand der Sozialdemokratie wichtig, dass sich die Mehrheit der Mitglieder gegen eine Große Koalition ausspricht. Es ist endlich Zeit für ein Ende der Minimalforderungen, es ist endlich Zeit für ein Ende einer neoliberalen Politik, es ist endlich Zeit für ein Ende von Großen Koalitionen.
Andernfalls werden wir Sozialdemokrat*innen nicht nur daran Schuld sein, dass der Rechtspopulismus in unserem Land noch weiter zunimmt, sondern dass wir uns damit auch noch selbst unser eigenes Grab schaufeln.
Liebe Genoss*innen, die GroKo wurde abgewählt! Die Bürger*innen haben keinen Bock mehr auf uns, sie wollen endlich in einem gerechteren und einem sich bewegenden Land leben. Dafür brauchen wir linke Mehrheiten und wieder fortschrittliche, soziale und ökologische Politik! Das geht nur, wenn wir jetzt endlich von unseren mittlerweile angeschwärzten Sesseln aufstehen, den Nazis der AfD im Parlament klar den Kampf ansagen und für linke Mehrheiten streiten! Es geht nicht nur um uns! Es geht besonders um die Menschen in unserem Land! Lasst uns mutig sein!
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-sahra-wagenknecht-will-neue-linke-volkspartei-a-1187565.html