GroKo? NoGo!
Nach zwei Monaten, dutzenden Sonderierungsgesprächsversuchen, gefühlten 500 Talkshows und 2000 Zeitungsartikeln zu Lindner, Kohleausstieg, Merkel und „staatspolitischer Verantwortung“ hat sich also – entgegen aller Erwartungen – immer noch keine neue Regierung gebildet. Die Bild-„Zeitung“ schimpft, die abgebrochenen Sonderierungsgespräche wurden schon zur Staatskrise hochgeschrieben und man könnte meinen, das Ende der Demokratie in Deutschland sei nun wieder einmal kurz bevorstehend. Das Damoklesschwert namens „Neuwahlen“ hängt über dem Bundestag und die Welt blickt gebannt und besorgt nach Berlin.
Und wer soll’s nun richten? Natürlich die SPD, in dem sie sich wieder einmal in eine Große Koalition mit der Union begibt. Die Stimmen mehren sich, die die SPD in erneuter Regierungsverantwortung sehen wollen – und damit auch Angela Merkel und die CDU im Parlament stützen wollen.
Aber kann das wirklich die Lösung sein? Kann die Antwort auf die Frage, wer denn nun die neue Regierung bilden soll, wieder dieselbe wie vor vier Jahren sein?
Sieht man sich die Lage des Gros der Menschen in Deutschland an, könnte man die GroKo 2013-2017 für einen vollen Erfolg halten. Die Wirtschaft läuft, die Anzahl der Erwerbstätigen erreicht ständig neue Rekordhochs, auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten steigt Jahr um Jahr. Der Haushalt weist Rekordsteuereinnahmen und satte Überschüsse aus, Neuverschuldung ist mittlerweile nicht nur auf Bundesebene zum Fremdwort geworden, die Staatsfinanzen stehen also so gut da wie lange nicht mehr. An der Aussage „Deutschland geht es gut“ ist mehr wahres als falsches dran – entsprechend erklärt sich auch das große Verlangen, eine erneute GroKo für die beste Option zu halten. Klar, ein bisschen planlos wirkte diese Regierung zuweilen schon, hier und da gab es Zwist, sogar der Bruch der Koalition geisterte durch die Medien. Große Ideen für die Zukunft hingegen? Fehlanzeige. Stattdessen gab es eine Politik des Verwaltens, garniert mit kleinen, aber feinen, sozialdemokratischen Projekten wie dem Mindestlohn und der Rente mit 63. Das Argument, nur in der Regierung könne man überhaupt Veränderungen bewirken, führt die Union ad absurdum.
Obwohl die SPD-Forderungen im Koalitionsvertrag richtig waren, gingen sie doch nicht weit genug. Und wenn die Christdemokraten eine der Vereinbarungen wirklich nicht mittragen mochten? Nun, dann zerschossen sie sie einfach, wie das nicht durchgesetzte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit unterstreicht. Die CDU/CSU ist der sprichwörtliche Mercedes-Fahrer mit Stoffdackel in der Hutablage, der gemütlich mit 75 km/h auf der unübersichtlichen Landstraße fährt – während man selbst es so unfassbar eilig hätte. Man kommt nicht vorbei, ärgert sich und resigniert irgendwann.
Die SPD muss allerdings, wenn sie bei zukünftigen Wahlen wieder um den Titel als stärkste Kraft mitspielen will, mehr bieten als nur die Steigbügelhalterin der Kanzlerin zu sein. Es braucht Antworten auf viele wichtige Fragen, auf den Wohnraummangel in vielen deutschen Städten und die stark gestiegenen Mieten. Auf die Sorge vieler Menschen um ihren Arbeitsplatz, den sie durch die Digitalisierung bedroht sehen. Auf den Wunsch vieler Eltern, einen kostenlosen Kita-Platz vor Ort zur Verfügung zu haben und ihre Kinder in gut ausgestattete Schulen schicken zu können.
Die Union verschließt sich diesen Fragen, wie die Sondierungsgespräche hinreichend gezeigt haben. Sie hat mehr Interesse am Wohl einzelner Unternehmen und Großspender, als am Wohl der Menschen in Deutschland und in Europa. Fragen des Umweltschutzes können nicht einfach mit dem Verweis auf Arbeitsplätze vom Tisch gefegt werden. Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen mit dem Ausbau des Glasfasernetzes als erledigt ansehen zu wollen, ignoriert die Arbeitsplatzsorgen vieler Menschen im Land. Und wer – auch wenn es sich hierbei natürlich um Landespolitik handelt – sich ansieht, wie Schwarz-Gelb in NRW das Sozialticket für den ÖPNV streicht, erkennt, dass die Union nicht für eine soziale und gerechte Politik steht.
Der Blick der SPD muss sich wieder nach links richten, in Richtung Grüne und Linke – und gemeinsam gilt es, Konzepte für die Zukunft zu schmieden, welche Antworten finden auf die drängenden Fragen der Menschen. Es braucht die Perspektive auf eine Rot-Rot-Grüne Regierung, heute wohl mehr als je zuvor. Denn der Wunsch nach einer Politik, die sich für Gerechtigkeit und Solidarität, für Umweltschutz und Menschlichkeit einsetzt, kann nicht einfach ignoriert werden. Die SPD muss jetzt standhaft bleiben, sich nicht einreden lassen, sie müsse (anders als CDU/CSU) Verantwortung übernehmen. Eine erneute Große Koalition wird der SPD erneut nachhaltig schaden – alleine schon weil sie Rot-Rot-Grün in sehr weite Ferne rücken lässt.