Spieglein, Spieglein an der Wand! Wer ist die Feministin im ganzen Land?
Vor kurzem ist der neue Streamingdienst Disney+ herausgekommen. Ich persönlich habe mich sehr darüber gefreut, endlich meine ganzen Lieblingsfilme unter einem „Dach“ zuhaben. Mit diesen Filmen bin ich – wie sicher viele – aufgewachsen. Wenn ich mir aber jetzt die Filme anschaue, als Queerfeministin, schaltet sich mein Hirn ein. Ich stelle mir bei jedem einzelnen Film die Frage: Ist das ein gutes Frauenbild, welches dargestellt wird? Je nach Film kann ich die Frage in meinem Kopf aber unterschiedlich beantworten (Gott sei Dank).
Wir fangen mit den sexistischen Filmen an: Schneewittchen ist hierbei einer, der auf jeden Fall genannt werden muss. Das Original ist von 1937. Dieser Film ist ein Exempel für die Fokussierung auf ein einziges Attribut der Frau: die Schönheit. Und natürlich kann diese Schönheit nur existieren, wenn die Frau dünn und jung ist. Auf andere Charakterzüge wie Bildung und Intelligenz des weiblichen Geschlechts wird hierbei gar nicht eingegangen. Zudem ist der Film das perfekte Beispiel für den Hass zwischen den Frauen, der natürlich entstehen muss. Die böse Stiefmutter, die bösen Stiefschwestern, Feen oder Hexen sind die Inkarnation von Neid und Bösartigkeit. Und diese Inkarnation muss von einer Frau dargestellt werden. Jetzt aber mal ein anderer Film, der dieses Frauenbild auch sehr gut unterstreicht (auch bei Schneewittchen zu finden): Dornröschen. Das schwache weibliche Geschlecht kann nur von einem Mann gerettet werden. Durch den (ersten, und natürlich magischen) Kuss wird sie aus ihrem Schlaf erweckt und gerettet. Dieser Kuss ist von ihrer wahren Liebe, die frau sofort heiraten will. Ähm… ja. So funktioniert eine gesunde Beziehung… nicht. Er will sie nur wegen ihrem Aussehen heiraten und weil sie so hilflos ist, von ihm gerettet wird, ist es die wahre Liebe. Dinge wie sich kennenlernen, diskutieren, streiten und so weiter werden natürlich überbewertet. Dies ist leider kein Einzelfall bei den Disney-Filmen.
In Cinderella ist das Schema deutlich: Geschminkt und hergerichtet erkennt der Prinz sie, in Lumpen und mit Asche im Gesicht ist dies nicht möglich. Das ist ein Vorbild für Frauen, ungeschminkt kann man nicht so hübsch sein wie geschminkt und hergerichtet. Und jetzt mal ernsthaft: wie kann nur ihr der Schuh perfekt passen in diesem ganzen Königreich? Arielle (1989) schafft es zwar eine eigene Meinung zu haben und sich gegen ihren Vater zu stellen (kurzer Hoffnungsmoment), aber dann schockierend: damit sie mit einem Mann sein kann (Liebe auf den ersten Blick), gibt sie diese Stärke auf. Sie verändert sich für einen Mann, da sie glaubt, dass sie auf ihre natürliche Art nicht gut genug für ihn ist.
Disney hat sich aber gewandelt. Schritt für Schritt gibt es auch Filme, die starke Frauenbilder darstellen. Auch wenn der Titel „Die Schöne und das Biest“ sich wieder auf das Äußere bezieht, schafft es dieser Film von 1991 eine neue Richtung einzuschlagen. Natürlich wird Belle als dünne, schöne junge Frau dargestellt; jedoch geben sie ihr ein neues Attribut: Intelligenz. Auch wenn sie im Dorf als komisch angesehen wird, ist sie um einiges stärker als die Prinzessinnen vor ihr: 1. Sie nimmt nicht gleich den ersten Mann Gaston, der sich an sie ranmacht, aber nicht mit ihrer Intelligenz zurechtkommt. 2. Sie gibt dem Biest eine Chance und wow – sie redet auch mit ihm. Es gibt auch die Szene, in der er sie vor den Wölfen rettet – aber ich meine, dass ist eine Lebensrettung. Leider schaffen sie es nicht vollkommen durchzuziehen, weil schlussendlich das Biest natürlich nur ein verwunschener attraktiver Prinz sein kann. Es ist aber ein guter Schritt, um zu zeigen, dass das Innere wichtig ist für eine Beziehung. Diesen Weg hat Disney dann versucht, weiterhin zu nehmen.
Eine Prinzessin, die eine eigene Meinung und Selbstbestimmung geprägt hat, ist Jasmin von Aladdin. Trotz des Wunschs des Vaters einer Zwangsheirat lehnt sie die Bewerber ab. Auf der einen Seite schafft sie das Reich von ihrem Vater zu übernehmen und somit das Recht zu ändern. Auf der anderen Seite kann sie den Mann nach längerem Kennenlernen aus Liebe heiraten. Ein Film, der noch einmal das Thema Zwangsheirat annimmt, ist Merida. Und hell yeah! Das ist eine Prinzessin nach feministischem Geschmack. Sie hat eine eigene Meinung und als es einen Wettbewerb um ihre Hand gibt, spricht sie sich nicht nur dagegen aus. Sie nimmt ihren Bogen und ist Teil ihres Wettbewerbs. Und da wir immer noch bei Disney sind: sie gewinnt und somit auch ihre Freiheit.
Welche Filme haben mein feministisches Herz noch höherschlagen lassen?
2010 kommt der Film „Rapunzel-neu verföhnt“ heraus. Auch wenn die alte Geschichte dieser Prinzessin in die Kategorie der sexistischen Stories passt, ist dieser Film überraschend. Sie lässt sich nicht einfach von einem Blick des Mannes verführen, sondern nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand und muss nicht von dem Mann gerettet werden, weil sie ganz einfach singt: „I’ve got a dream!“. Sie verteidigt sich selbst, verführt die Räuber nicht durch ihr Aussehen, sondern weil sie sich für deren Träume interessiert.
„Küss den Frosch“ war 2009 ein Film von Disney, der die Geschichte schrieb, da Tiana die erste afro-amerikanische Prinzessin zeigt (Ja, krass, so spät). Sie träumt davon ihr eigenes Geschäft zu eröffnen, und zwar ohne Hilfe eines Mannes. Sie stellt eine selbstständige, starke Frau dar, die ihre Prinzipien hat. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand und erfüllt sich ihren Traum. Auch wenn sich Disney bessert, sieht man einen roten Faden: eine Frau braucht immer einen Mann. Aber auch dieses falsche Bild versuchen sie zu ändern.
In „Frozen“ schaffen sie aber endliche eine Prinzessin, die ohne eine Romanze auskommt. Elsa. (Yeaaaah!). Und sie sieht sogar, dass es komisch ist, dass ihre Schwester Anna einen Mann heiraten will, den sie seit gefühlt 1 Stunde kennt. Durch den Song „Let it go“ hat sie auch noch eine starke Botschaft an alle Frauen: Sei du selbst! Sie zeigen eine weibliche Hauptrolle, die man klar und deutlich als feministisch benennen kann.
Du willst noch mehr feministische Filme? Dann betrachte doch das Häschen bei Zoomania nicht nur als Häschen, sondern als Frau (sonst ist er auch sehr gesellschaftskritisch). Sieh dir die starken Frauen Moana oder Pocahontas aus dem gleichnamigen Filmen an. Auch wenn der Film „Hercules“ sich um den Halbgott Hercules dreht, Megara ist eine eigenständige Frau. Ein Film, der bereits vor über 20 Jahren (1998) eine starke Frau zeigt, ist Mulan. Ich muss sagen, ganz persönlich, mein Lieblingsdisneyfilm. Sie hinterfragt ihre Geschlechterrollen und kritisiert die Ansichten der Männer, was sie sich in ihrer Frau wünschen. Am Anfang des Filmes soll sie sich in das Schema der Frau in ihrer Kultur zwängen, doch schlussendlich übertrifft sie der Erwartungen der Gesellschaft.
Nun aber: Spieglein, Spieglein an der Wand! Wer ist die Feministin im ganzen Land?
Ich glaube, dass kann man nicht genau sagen. Pluspunkt ist, dass sich Disney gewandelt hat. Es hat zwar lange gedauert, aber sie gehen in eine gute Richtung. Mein Text soll jetzt nicht bedeuten, dass man die sexistischen Filme nicht mehr anschauen darf. Man sollte sie jedoch mit Bedacht und Kopf eingeschaltet anschauen. Disney ist für viele wie für mich mit der Kindheit und schönen Erinnerungen verbunden. Nicht nur die Geschichten, sondern auch die Musik und Lieder sind Meisterwerke. Doch wie vieles in unser jetzigen Gesellschaft, haben die Disneyfilme Verfilmungen, die man mit Vorsicht genießen sollte.
Auch wenn sie sich bessern, gibt es noch viele Punkte, die man kritisch betrachten muss. Fragt euch doch bei dem nächsten Filmeabend:
Habe ich schon eine Prinzessin gesehen, die nicht einen Körper wie eine sehr schmale Sanduhr hat? Habe ich schon ein homosexuelles Paar gesehen? Welche Attribute werden den Männern (fast) immer zugeschrieben?