Unsere Kommunen müssen atmen können – gestärkt durch die Pandemie
„Wir müssen uns auf massive Einbußen bei den Einnahmen einstellen“ und „die freiwilligen Leistungen der Kommune gehören auf den Prüfstand“ sind aktuell weitestgehend die hauptsächlichen Reaktionen konservativer Kommunalpolitiker*innen auf die aktuelle Covid-19-Pandemie. Mit verantwortungsvoller und nachhaltiger Politik hat dieses Ansinnen allerdings wenig gemeinsam. Ich bin davon überzeugt, dass mit sozialdemokratischen Antworten die Frage „wie kommen wir gemeinsam aus der Krise“ beantwortet werden können.
Die Einnahmen der Kommunen in Form der Grundsteuer A und B, der Gewerbesteuer, des Einkommenssteueranteils und dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer wird wegen der aktuellen Covid-19-Pandemie deutlich geringer ausfallen. Damit die Kommunen aber auch weiterhin handlungsfähig bleiben, müssen pandemie-bedingte Schlüsselzuweisungen erfolgen. Hier haben sich der Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland solidarisch zu erweisen. Gleiches gilt für die benötigte Kreisumlage und die Bezirksumlage, die ebenfalls mit Landes- und Bundesmitteln auf einem Niveau der vergangenen drei Jahre liegen müssen.
Unsere Wertegemeinschaft muss sich einig sein, dass die Folgen der Covid-19-Pandemie weder auf dem Rücken der Bürger*innen, noch der Kommunen ausgetragen werden dürfen, noch die Großkonzerne erneut mit steuerfinanzierten Rettungsaktionen, wie dies nach der Finanzkrise 2009 erfolgte, mit einem blauen Auge weiterhin in einen kapitalistischen Wettbewerb verfallen können.
Der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Verhinderung des sozialen Abstiegs durch den Verlust von Wohnung und PKW haben jetzt oberste Priorität. Menschen müssen in den nächsten Monaten auch weiterhin vor Ort konsumieren können. Dies gelingt nur, wenn Angebote (Freizeit, Mode, Essen und Trinken, Bildung, Kultur) nicht wegen Liquiditätsproblemen von der Bildfläche verschwinden, bzw. die Nachfrage wegen massiver finanzieller Einbußen (Jobverlust, Auftragseinbußen, usw.) wegbricht.
Weiterhin besteht ein erheblicher Bedarf bei der Schaffung von gefördertem, bspw. mit senioren- und behindertengerechtem Wohnen, Schüler*innen- und Azubiwohnheimen und generationenübergreifenden Wohnprojekten. Die aktuelle und mittelfristige Wohnbaupolitik muss endlich der räumlichen Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken.
Wir haben es aus meiner Sicht verschlafen, Vorreiter bei der Digitalisierung zu sein. Um jungen Startups und etablierten Unternehmen auch weiterhin Perspektiven zu bieten, müssen wir eine kommunale Infrastruktur zur Verfügung stellen, die gemeinsam genutzt werden kann. Mit Hochleistungsservern, offen zugänglichen Arbeitsräumen und schnellem Datennetz. Die aktuelle Ausgangsbeschränkung hat zudem gezeigt, wie weit sich eSports und gaming bereits etabliert hat.
Im Bereich der Energieversorgung müssen wir mutige Wege beschreiten und die dezentrale Energie- und Wärmeerzeugung vorantreiben.
Die aktuelle Krise zeigt uns auch sehr deutlich, dass wir den öffentlichen Raum aufwerten müssen. Gemeinsam mit einem leistungsfähigen ÖPNV und einem guten Radwegenetz kann so endlich auch vermehrt auf den eigenen PKW verzichtet und die Umwelt geschont werden. Der öffentliche Raum steht besonders für junge und ältere Menschen nicht an allen Orten in geeigneter Form zur Verfügung. Junge Menschen brauchen Platz, um sich mit Freunden zu treffen, sich auszupowern oder auch einfach einmal laut sein zu dürfen. Sportplätze, Treffpunkte und soziale Angebote sollen hierbei zielgruppenorientiert zur Verfügung stehen. Ältere Menschen benötigen barrierearme Wege und Plätze und die Möglichkeit der sozialen Treffpunkte im öffentlichen Raum (Parkbänke, Cafés, Sportmöglichkeiten)
Eine gute Öffentliche Daseinsvorsorge ist für die Menschen ganz klar die Existenzfrage für das Leben in Kommunen. Sie muss für alle bezahlbar und zugänglich sein und dennoch darf es keine Qualitätseinbußen zugunsten einzelner Profitinteressen geben. Diese Bereiche müssen besonders durch die Erfahrungen in der Covis-19-Pandemie noch krisenfester etabliert werden. Neben der medizinischen Grundversorgung muss auch das staatliche Gesundheitswesen durch die öffentliche Hand sichergestellt werden. Die aktuelle Situation lehrt uns außerdem, dass in diesem Sektor zukünftig keine Profite mehr gemacht werden dürfen.
Unser Rohstoff ist die Bildung. Daher hat die Kommune dafür zu sorgen, dass der Zugang von der KITA bis zur weiterführenden Schule wohnortnah gewährleistet wird. Die Bereiche in der Erwachsenenbildung, die in den vergangenen Jahrzehnten einem kapitalistischen Wettbewerb unterzogen wurden, müssen zukünftig wieder in kommunaler Hand geführt werden. Wissenschaft und Forschung muss aus meiner Sicht Antworten auf die Fragen der Menschen finden und nicht der Wirtschaft dienen. Die deutsche Forschung wird sich in den kommenden Jahren verstärkt um kommunale Anliegen kümmern müssen. Hierfür benötigen wir Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsstandorte auch in den ländlichen Räumen.
Unsere aktuelle Situation zeigt uns noch deutlicher als jemals zuvor, dass das Verwirklichen einer inklusiven Gesellschaft unser Hauptanliegen sein muss. Junge Familien stehen hierbei im Fokus und stellen die tragende Säule unserer Gesellschaft dar. Dies erreichen wir verstärkt durch kostenneutrale Betreuungs- und Bildungsangebote. In unseren Kommunen sollen sich Freelacer*innen auch weiterhin beruflich verwirklichen können. Hierfür müssen wir zukünftig die Möglichkeiten schaffen, dass wir die Kriterien für Kreditvergaben verändern. Regionale Banken und Sparkassen können hier einen Beitrag leisten. Für kreative Menschen schaffen wir genügend Raum zur Entfaltung ihrer Ideen. Eine enge Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand ist hierfür verstärkt anzuwenden. Ältere Menschen werden bei uns mit Achtung und Wertschätzung behandelt, denn sie haben wertvolle Arbeit und Dienste verrichtet. Daher ist die Einführung einer Grundrente ab dem 01.01.2021 eine absolute Verpflichtung für unsere aktuelle Bundesregierung. Die vielen Ehrenamtlichen tragen in besonderer Weise zum Gelingen unserer inklusiven Kommune bei. Die Finanzierung ist hierbei auch während Krisenzeiten sicherzustellen. Menschen mit geringem Einkommen benötigen auch weiterhin ein kostenneutrales Bildungs- und Freizeitangebot. Migrant*innen bereichern unsere Kommune, benötigen allerdings individuelle Unterstützung. Diese darf nicht dem Rotstift zukünftiger Finanzplanungen zum Opfer fallen. Menschen mit körperlichen, psychischen und/oder geistigen Beeinträchtigungen sehen wir als vollwertige Bürger*innen unserer Gesellschaft. Diese Zielgruppe leidet ganz besonders unter den Aktuellen Problemen, die mit der Covid-19-Pandemie verbunden sind. In unserer inklusive Stadt stellen wir ein menschenwürdiges und passgenaues Hilfsangebot an die vorderste Stelle. Unser Sozialstaat muss die finanzielle Ausstattung hierfür garantieren.