One step forward – two steps back
Trumps Deregulierungspläne und deren Gefahren
Präsident Trump bricht Rekorde. Kein Präsident zuvor konnte in nur acht (!) Tagen eine Ablehnung durch die Mehrheit der US-Bürger*innen erringen.
Das war’s aber auch schon mit positiven Nachrichten, generell fällt es einem schwer, überhaupt Lichtblicke in dieser Präsidentschaft zu erkennen. Die Posse um die Grenzmauer zu Mexiko, widersprüchliche, teils grenzdebile Aussagen („this so-called judge“), Verunsicherung weit und breit – und seit neuestem werden auch noch hunderte Millionen Menschen systematisch aufgrund ihrer Herkunft und/oder Staatsangehörigkeit diskriminiert. Bei so vielen Geschehnissen und so wenig Licht, um sie zu betrachten, fällt eines der neuen Trump-Dekrete fast unter den Tisch. Die Rede ist von der am 30. Januar veröffentlichten Executive Order „Reducing regulation and controlling regulatory costs“.
Wortwörtlich steht in diesem Dekret: „It is important that for every one new regulation issued, at least two prior regulations be identified for elimination.“1 Aus meiner Sicht, der eines in Deutschland großgewordenen Sozialdemokraten, ist die Sache recht klar: Regulierung muss Verbraucher*innen vor Unternehmen und Unternehmen vor sich selber schützen. Aus der Sicht Trumps ist die Sache noch klarer: Verbraucher*innen sind egal und Unternehmen können sich selber schützen.
Besonders gilt dies aus der Sicht des amtierenden US-Präsidenten für die Finanzbranche, welche nun bald das zehnjährige Jubiläum der eigens geschaffenen Finanzkrise 2007 feiern darf. Eine der größten, heute aktiven Regulierungsmaßnahmen ist der sog. „Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protect Act“. Der Dodd-Frank-Act wurde 2010 unter Barack Obama verabschiedet, um zu verhindern, dass sich die Wall Street erneut ihr eigenes Grab schaufeln und erneut die amerikanische Gesellschaft mitreißen würde: Alleine zwischen 2007 und 2009 verdoppelte sich die Arbeitslosenquote, das Median-Haushaltseinkommen sank drastisch und die Armutsquote stieg zwischenzeitlich auf über 15%. Auch an den amerikanischen Unternehmen ging die Krise natürlich nicht spurlos vorbei, so gingen 2008 mit Chrysler und General Motors gleich zwei der größten Automobilhersteller bankrott und mussten mit staatlichen Mitteln gerettet werden. Im Rahmen der wohl notwendigen Rettungsmaßnahmen, vor allem im Bankensektor, zahlte die US-Regierung alleine bis 2011 über 1,6 Billionen US-$ aus. Aktuellere Befunde ergeben noch monströsere Zahlen: Stand 2015 sollen über 16,8 Billionen US-$ an Staatshilfe genehmigt worden sein, davon rund 4,6 Billionen US-$ auch ausbezahlt.2 Umso zynischer wirken in Anbetracht dieser Auswirkungen die Boni-Zahlungen innerhalb der Geldhäuser. Ein Bericht des Generalstaatsanwalts von New York, Andrew M. Cuomo, zeigt dies eindrucksvoll. Während die neun größten Banken New Yorks insgesamt mehr als 32 Milliarden US-$ an Boni verteilten, mussten ihnen gleichzeitig Staatshilfen im Wert von über 175 Milliarden US-$ bewilligt und Verluste von über 80 Milliarden US-$ ausgewiesen werden.3
Die verheerenden Auswirkungen der Finanzkrise haben der Politik und der Gesellschaft mehr als eindrucksvoll vor Augen geführt, wie dringend notwendig die Regulierung der Finanzmärkte war und ist. Aber auch hier gilt wieder, die getroffenen Hunde bellen. Die Bankenlobby arbeitet seit Jahren mit Nachdruck daran, bestehende oder geplante Regularien entweder außer Kraft zu setzen oder aber stark abzuschwächen. Insbesondere das Argument, den Geldhäusern brächen die Gewinne weg wegen zu vieler gesetzlicher und aufsichtsrechtlicher Anforderungen, genießt große Beliebtheit in der Branche. Das mag aus kurzfristiger Betrachtungsweise ein Stück weit auch stimmen. Die Finanzhäuser sind unter anderem in der Kreditausgabe und im Wertpapiergeschäft stark eingeschränkt worden, dies führt zwangsläufig zu sinkenden Erträgen. Will man jedoch Boni-Exzesse auf der einen und gigantische gesamtwirtschaftliche Schäden auf der anderen Seite verhindern, braucht es eine Stabilisierung der Finanzmärkte – sprich Regulierung: Reduzierung von Kreditausfallrisiken, verbesserte Risiko-Kalkulationsmodelle, Aufbau von Eigenkapital, Abschwächen von Domino-Effekten, etc., etc.
Dies ist nur eine handvoll notwendiger Maßnahmen, aber sie sind auf Dauer unerlässlich und bilden in jedem Fall das Fundament stabiler Märkte. Eine realitätsfremde „two for one“-Regelung, wie sie Trump erlassen hat, will dieses Fundament wiederum untergraben. Das Dekret dient einzig und alleine den Unternehmen, nicht den Verbraucher*innen oder der Gesellschaft. Im Gegenteil, es scheint, als wolle man die Fehler der Vergangenheit erneut begehen – ohne die Risiken überhaupt zu erwähnen.
Die Gefahr, welche von den Finanzmärkten ausgeht, ist nur schwer beziffer- oder gar messbar. Niemand kann eine Krise vorhersagen, niemand kann wissen, wann eine Preisblase platzt. Das verschlimmert die Situation, weil sie im Fall der Fälle schnelles und korrektes Handeln erfordert. Besonders das „korrekte Handeln“ stellte seit 2007 viele Institute vor gewaltige Probleme. Eines aber ist sicher: Die nächste Krise kommt. Niemand kann wissen, wann und wo sie startet, geschweige denn was der Auslöser sein wird. Aber wir können heute schon ihre Intensität und ihre Auswirkungen bekämpfen, durch eine starke und effektiv umgesetzte Finanzmarktregulatorik. Dies haben Trump und sein Kabinett wohl nicht gelernt – was wenig verwundern dürfte bei Wall Street Größen wie Steven Mnuchin, Jay Clayton und Gary Cohn.