Zeit für ein Tierverbot in Zirkussen
Gestern hat Passau, als erste Stadt in Niederbayern, beschlossen, keine Flächen mehr an Zirkusse zu vergeben, welche Auftritte mit Wildtieren anbieten. Den Mut zu diesem begrüßenswerten Schritt hatte der Stadtrat von Regensburg leider nicht – hier scheiterte kürzlich ein ähnlicher Antrag im Stadtrat. Wieso Regensburg und weitere Städte Bayerns gut daran täten, es Passau gleich zu tun, soll nachfolgender Beitrag aufzeigen.
Wieso ein Tierverbot?
Unter der bunten Haube des Zirkuszelts können in Deutschland bislang Aufführungen mit Tieren bestaunt und bejubelt werden. Die als Unterhaltung, teils sogar als Kulturveranstaltung, deklarierte Zurschaustellung von „Kunststücken“ mit Tieren findet jedoch massiv auf Kosten der gehaltenen Tiere statt. Beginnend mit der Dressur, die stets mit Gewalt und Zwang einhergeht und dem Zweck dient, den freien Willen des Tieres schnellstmöglich zu brechen um eine Nutzbarmachung für die Aufführungen zu gewährleisten, steht dem Tier eine grauenhafte Karriere in der Manege bevor. Die hierfür verwendeten Instrumente, wie Maulkörbe, Elefantenhaken, Elektroschocker, Peitschen und Stöcke, verdeutlichen den Ton des Umgangs. Häufig werden, besonders bei Wildkatzen, gleichzeitig Medikamente eingesetzt, um die Handhabung zu erleichtern. Das Prinzip „Zeit ist Geld“ gilt im Zirkus in besonderem Maße: Je schneller ein Tier gefügig und willenlos gemacht werden kann, umso höher die Rendite – und entsprechend erklärt sich auch das Arsenal an Folterinstrumenten, die, im Gegensatz zu einem friedlichen und würdevollen Umgang, ein effizientes Mittel zur raschen Herstellung des gewünschten Zustands, namentlich der Gefügigkeit, darstellen.
Sind die Tiere „dressiert“, was gleichbedeutend mit „gebrochen“ oder „willenlos“ ist, so folgen Auftritte in der Manege. Hier werden unnatürliche Darbietungen gefordert, wie das Stehen von Elefanten auf zwei Beinen oder dem Springen von Wildkatzen durch Feuerringe. Das ständige Johlen des Publikums, die Angst vor dem Dompteur und der Druck, ausgelöst durch Schmerz und Futterentzug, bedeuten für das Tier stets Qualen und Leid. Findet gerade keine Vorstellung statt, so verbringen die Tiere die Zeit in engen Käfigen am Auftrittsort oder auf LKWs. Elefanten, die sonst kilometerlange Wanderungen mit ihrer Herde unternehmen, werden an zwei Beinen angekettet auf engstem Raum gehalten. Natürliches Verhalten wie Klettern, Sprinten, Graben oder schwimmen wird dauerhaft unterbunden. Daraus entwickeln sich unnatürliche Verhaltensweisen, wie das monotone Weben bei Elefanten oder Laufstereotypen bei Wildkatzen. Im Winter, wo meist keine Vorstellungen stattfinden, gestaltet sich das Leben der Tiere nicht besser. Hier verbringen sie die meiste Zeit in Transportverschlägen, Scheunen oder sogar auf LKWs.
Sind die Tiere irgendwann durch Ausbeutung und Druck nicht mehr in der Lage, die geforderte Leistung zu erbringen, so enden sie häufig dauerhaft in den Winterquartieren und damit automatisch auf engem Raum. In manchen Ländern ist es gar möglich, die Tiere an Jagdfarmen zu verkaufen, um dort von einem zahlenden Kunden erschossen zu werden.
All dieses Leid folgt einem Automatismus, aus dem Zirkusse, selbst wenn sie gewillt wären, nicht ausbrechen könnten. Schließlich leiden die meisten der rund 350 Wanderzirkusse in Deutschland an chronischer Geldnot. Entsprechend verfügen sie auch nicht über die finanziellen Mittel, um größere Käfige, schonendere Dressuren oder bessere Nahrungsmittel- und Pflegequalität zu gewährleisten. Folglich ist in einem kapitalistischen System ein tierfreundlicher Zirkus nicht realisierbar, da er dem Prinzip der Gewinnmaximierung und Daseinserhaltung unterliegt. Dies gilt im Übrigen auch für große Unternehmen wie den Zirkus Krone, der eine lange und intensive Tradition der Tierquälerei pflegt.
Dennoch wäre es theoretisch möglich, entsprechende gesetzliche Vorschriften zu verabschieden, welche die Ausbeutung von Zirkustieren einschränkt und Tierquälerei unterbindet. Wieso dieser Ansatz keine Lösung des Problems darstellt, zeigt der folgende Absatz auf.
Keine wirksamen Kontrollmechanismen
In Deutschland wird die Haltung von Zirkustieren durch die örtlichen Veterinärämter überprüft. Da sich Zirkusse jedoch meist nur kurz am selben Standort aufhalten, ist eine flächendeckende Überprüfung durch Ämter unmöglich. Mit einem Standortwechsel geht meist auch ein Wechsel der zuständigen Behörde einher, was Kontrollen massiv erschwert. Gleichzeitig verfügen die meisten Behörden über keinerlei ausgebildetes Fachpersonal, das für die ordnungsgemäße Kontrolle von Wildtieren geeignet wäre. Und selbst bei erfolgter Kontrolle wird häufig von Maßnahmen wie der Beschlagnahmung von Tieren abgesehen, da es kaum Auffangstationen für Zirkustiere gibt und nur wenige Zoos bereit sind, die meist verhaltensgestörten Tiere bei sich aufzunehmen. Die Ohnmacht ist den Veterinär*innen selbst bewusst, weshalb sich die Bundestierärztekammer auch für ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen ausspricht.
Die Unwirksamkeit der Kontrollen kann auch daran abgelesen werden, dass Elefanten beispielsweise im Mittel nur die Hälfte ihres natürlichen Lebensalters erreichen, wenn sie in Gefangenschaft im Zirkus ihr Dasein fristen müssen.
Entsprechend stellen gesetzliche Vorschriften keine Lösung des Problems der Tierquälerei in Zirkussen dar, solange sie nicht generell ein Verbot von Tieren in Zirkussen bedeuten.
Andere haben es bereits verstanden
Es ist bei Weitem keine Selbstverständlichkeit, dass Tiere in Zirkussen erlaubt sind. In Dänemark, der Niederlande, Österreich, Belgien, Costa Rica, Israel, Paraguay und vielen weiteren Ländern herrscht ein Wildtierverbot für Zirkusse. In Griechenland, Honduras, Bolivien, Zypern und Kroatien sind Tieraufführungen in Zirkussen generell verboten. Demnach weisen einige Länder der Welt eine deutlich fortschrittlichere Gesetzgebung auf als Deutschland. Sie alle haben erkannt, dass Tierquälerei in diesen Unternehmen nicht kontrolliert oder sanktioniert werden kann. Entsprechend wurden die logischen Konsequenzen gezogen. Dieser Weg steht auch Deutschland offen.
Im Übrigen sprach sich der deutsche Bundesrat bereits 2003, 2011 und 2016 für ein Wildtierverbot in deutschen Zirkussen aus. Ein entsprechendes Gesetz wurde von der Bundesregierung dennoch nicht erlassen.
In Bayern sprach sich die CSU-Landtagsfraktion gegen ein entsprechendes Verbotsgesetz aus, da es die Berufsausübungsfreiheit der Zirkusbetreiber beeinträchtigen würde. Wie weit es mit dem Verständnis über die Freiheit der Zirkustiere bei der CSU offenbar ist, kann daran abgelesen werden.
Entsprechend ergibt sich die Notwendigkeit, sich auf Bundesebene für ein Verbot von Tieren in Zirkussen einzusetzen. Im Übrigen sollte man sich hierbei nicht nur auf Wildtiere beschränken, da artgerechte Unterbringung, gute Behandlung und Gewährleistung von Kontrollen auch bei heimischen Tieren nicht garantiert werden können. Bis dahin steht es den Städten, Kreisen und Kommunen frei, es Passau gleich zu tun. Das Echo der Bevölkerung ist im Übrigen positiv: Rund zwei Drittel der Bürger*innen befürworten ein solches Verbot.