Nahe der „Politischen Todeszone”

Umfragen sind keine Wahlen, dennoch geben sie meistens ein gutes Meinungsbild ab. Und dieses Meinungsbild sagt aktuell 3% für die SPD in Sachsen und damit unter der gefürchteten 5% Hürde. Was es heißt dieser Hürde näherzukommen, haben wir hier in Bayern bei der letzten Landtagswahl erlebt. In Niederbayern waren wir noch knapp über der Hürde, in meinem Heimatlandkreis darunter. Bei diesen Ergebnissen holte die SPD bayernweit aber noch 8,4%. Und schon da schrieb die Tagesschau, dass sich “die bayerischen Sozialdemokraten langsam der politischen Todeszone” nähern. 

Nun sagt die neueste Umfrage voraus, wenn jetzt wieder Landtagswahl wäre, dass die SPD nur noch 6% erreichen würde und damit wäre man ungemütlich nahe an der Todeszone.

Also was läuft schief? Das lässt sich natürlich nicht pauschal sagen, man kann aber anhand der bayerischen Landtagswahl einige Aspekte gut erkennen.

Berlin bestimmt immer mehr den politischen Diskurs. Gleichzeitig rücken lokale Themen mehr und mehr in den Hintergrund, da sie von bundespolitischen Themen verdrängt werden. Die Landtagswahl war dem Gefühl nach keine Wahl über die politischen Geschicke in Bayern, denn die konservativen Parteien haben es geschafft, die Wahl zu einem Referendum über die Arbeit der Bundesregierung zu machen. So haben sie es erfolgreich geschafft, nur mit der Position gegen Berlin, unzufriedene Wählerstimmen zu bekommen, auch wenn sie selbst keine eigenen Lösungen präsentieren können, geschweige denn bessere. Deswegen war man als Bayern-SPD den Entscheidungen aus Berlin ausgeliefert, ohne diese groß beeinflussen zu können. Gleichzeitig hat man auch gar nicht versucht, etwas Abstand zur Bundespolitik zu gewinnen. Man hat sich trotz schlechter Umfragewerte hinter Berlin gestellt, mit allen Konsequenzen. Dies traf vor allem die Kandidierenden, die trotz eines unermüdlichen Einsatzes sich nicht aus dem Schatten von Berlin befreien konnten.

Unter diesen Voraussetzungen lässt sich nur ein erfolgreicher Wahlkampf führen, wenn man mit einem bekannten und beliebten Spitzenkandidaten eigene Themen setzen kann.

Das ist aber Florian von Brunn nicht. Obwohl er seit mehreren Jahren sowohl Fraktionsvorsitzender als auch Co-Vorsitzender der Bayern-SPD ist, also die Spitzenämter der SPD in Bayern innehat, ist er weitestgehend unbekannt und konnte somit den Wahlkampf von sich aus kaum gestalten geschweige denn bestimmen.

Trotz dieser offensichtlichen Defizite war der Wahlkampf vollständig auf von Brunn zugeschnitten. Seine Person wurde vollständig in den Vordergrund gerückt, gefühlt teilweise sogar zu einem Heilsbringer stilisiert, die inhaltlichen Forderungen gingen zu großen Teilen unter. An dieser Stelle eignen sich zwei wunderbare Beispiele. Zum einen der Slogan “Bayern braucht von Brunn”. Warum? Wer diesen Mann nicht kennt, kann sich diese Frage durchaus stellen. Gleichzeitig schwingt an dieser Stelle etwas Größenwahn und Arroganz mit, da auch keine Gründe für diese Aussage genannt werden, nicht ein kleinster Teil Inhalt ist dabei. Das zweite Beispiel ist das halbe Gesicht. Die Plakate bildeten die rechte Gesichtshälfte von von Brunn und die linke einer anderen, zum Thema des Plakats passenden Person ab. Davon gab es drei Ausfertigungen, doch in keiner entstand auch nur der Hauch einer Symbiose zwischen den Hälften, sodass beim Anblick nur Verwirrung über den Sinn entstand und man sich am liebsten abwandte. Auf den Slogan muss man nicht eingehen, er hat das gleiche Problem wie im ersten Beispiel.

Ein perfekter inhaltlicher Wahlkampf könnte all diesen negativen Kräften eventuell noch entgegenwirken. Leider waren die Kernthemen der SPD im Wahlkampf, nämlich Energie, Kitaplätze, Pflege und Mieten, weit entfernt von den Hauptsorgen der Wählerinnen und Wählern. Laut Umfragen waren dies nämlich Migration, Energie und Klimawandel. Die einzige Schnittmenge bildet also der Themenbereich Energie, der aber von allen Parteien besetzt wurde und von der Bundespolitik grundsätzlich aktuell negativ an der SPD haftet.

Die anderen bei Bereiche spielten bei dieser Wahl kaum eine Rolle, dementsprechend konnten auch inhaltlich kaum neue Wählerinnen und Wähler von den anderen Parteien gewonnen werden.

Es bleibt noch der Elefant im Raum, Hubert Aiwanger und sein Flugblatt. Es ist ein Thema, das diesen Wahlkampf stark geprägt hat und zu großer Wahrscheinlichkeit für das gute Abschneiden der freien Wähler verantwortlich ist. Mit Aufkommen der Affäre wurde sofort und vehement der Rücktritt von Aiwanger gefordert, es blieb immer der Beigeschmack, dass es nicht um den Antisemitismus, sondern rein um das eigene politische Kapital ging. Es war nur der Versuch, CSU und Freie Wähler auseinander zu bringen, damit nur die SPD als Koalitionspartner bleibt und so Florian von Brunn ins Ministeramt kommt.

Abschließend lässt sich also festhalten: man musste bei der Wahl gegen starken Gegenwind aus der Bundespolitik ankämpfen. Wegen eines Spitzenkandidaten, der mangels Bekanntheit nicht überzeugen konnte, und eines inhaltlichen Wahlkampfs, der an zentralen Themen vorbei ging, konnte man diesem Wind nicht standhalten. Dies führte zum historisch schlechtesten Ergebnis in Bayern.

Aktuelle Umfragen sehen uns nun schlechter abschneiden, als bei der Landtagswahl. Das ist aber nur ein aktueller Stand und ist nicht in Stein gemeißelt. Das Potenzial für bessere Ergebnisse ist, man muss es nur mit einem überzeugenden Spitzenkandidaten und einem inhaltlich scharfen und relevanten Wahlkampf abzurufen.

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