Integration bis in den Tod?

Betrachtet man die niederbayerische Sterbe- und Totenkulturnäher, so stellt man sehr schnell fest, dass diese stets gleiche Muster hat und vor allem sehr christlich geprägt ist. So finden wir diesen meist in der Nähe einer Kirche oder freistehend auf Gemeindegrund. Viele Friedhöfe haben Urnen- und Erdgräber, die mit Kreuzen behängt und mit Blumen geschmückt sind. Ein Friedhof so müsste man meinen sei ein Querschnitt der Gesellschaft in Ethnie, Farbe, Abschluss und Lebensweisen, doch dem ist leider nicht so. Für eine der größten Minderheiten, die muslimische, ist es schwierig im niederbayerischen Raum eine angemessene Grabstätte für ihre Verstorbenen zu finden. Wenn man sich die Mühe macht, einmal auf Google den nächsten muslimischen Friedhof zu suchen so findet man einen einzigen der explizit für Muslim*innen gedacht ist. Dieser ist jedoch in Landshut und kann bei Weitem nicht die gesamte niederbayerische Region abdecken, wenn man zum Beispiel aus Mainburg, Passau oder auch Deggendorf kommt. Man sollte meinen das, dass Beerdigen von Verstorbenen die leichtere Aufgabe wäre, neben all dem Schmerz um denVerlust des*der Angehörigen. Bei vielen Verstorbenen Muslim*innen war bzw. ist es bis heute noch so, dass viele die hier in Deutschland 40 Jahre gelebt und gearbeitet haben, nach Versterben ins „Herkunftsland“ gebracht werden und dort nach Islamischem Ritus beerdigt werden.

Dies läuft meist so, dass die Hinterbliebenen des*derVerstorbenen den Imam in ihrer Nähe anrufen und daraufhinder Leichnam überführt wird. Was sagt das über uns? Dass wir nicht einmal den Muslimen*innen die hier bei uns gearbeitet und sich eingebracht haben, das Recht verwirken sich in ihrer Heimat beerdigen zu lassen. Auch wenn die Fanatist*innen der sogenannten Abendländischen Kultur psalmenartig behaupten, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre und vom Leben in kultureller Isolation träumen, obwohl Muslim*innen schon seit Jahrhunderten in Europa Kultur und Wissenschaft mitprägen. Sie haben einenPlatz in Deutschland, den ihnen auch Horst Seehofer oder die AfD nicht absprechen kann. Begriffe wie Mashallah oder AMK haben längst unsere Sprache geprägt und wurden sogar zu Jugendwörtern des Jahres gewählt. Türkisches, libanesisches, afghanisches Essen hat Einzug in unsere Küchen gehalten, Musikproduzent*innen mit muslimischen Hintergrund werden in Film und Fernsehen gezeigt. Auch wenn auch hier sehr deutlich wird, dass Muslim*innen im öffentlichen Leben viel zu wenig repräsentiert werden. Es ist also längst überfällig, dass auch wir im ländlichen Niederbayern die Existenz derer anerkennen die Teil der Gesellschaft sind, auch in ganz grundlegenden Angelegenheiten wie Bestattungen.

Es gibt auch ein positives Beispiele, bei denen derzeit daran gearbeitet wird in kleinen Gemeinden einen muslimische Friedhof zu errichten. Doch das reicht nicht aus. Als Zeichen der Anerkennung sollte man die bayerische Sargpflicht für diese Minderheit lockern und ihnen hier keine Steine in den Weg legen. Selbst Gemeinden können durch Veränderung der Friedhofssatzung schon ihren kleinen Teil dazu beitragen, um eine Veränderung anzustoßen.

Und in einer Sache ist es egal an was man glaubt, sterben müssen wir alle einmal.

Bei ca. 300.000 Kirchenaustritten pro Jahr müssen auch wir uns zukünftig Überlegen was man mit denen Macht die nicht auf einem Friedhof vergraben werden wollen, weil sie nach Jahren des Kirchen Austritts vollkommen den Glauben an die Kirche verloren haben. Auch diesen Menschen muss eine würdevolle nicht kirchliche Bestattung gewährleistet werden können.

Ich persönlich würde mir wünschen, dass es einmal Grabstätten gibt auf denen Menschen aller Glaubensrichtungen gemeinsam mit Menschen ohne Konfession beerdigt werden und dies unseren interkulturellen Austausch fördern und die Augen für die Bedürfnisse unserer Mitmenschen öffnet. Trauern tuen wir alle, und zu zweit oder mehrt, trauert es sich leichter. Über die Anerkennung des „Anderen“ stärken wir das Zusammengehörigkeitsgefühl in unserer Gesellschaft, und packen eventuell die nächsten Hürden des Zusammenlebens leichter. Manchmal sollte man sich trauen einen Schritt nach vorne zu gehen und für andere Einzustehen die sich vielleicht nicht selber helfen können.

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