Feminismus und Außenpolitik? Feministische Außenpolitik!

Dieser Tage ist es wieder so relevant wie seit sehr langer Zeit nicht mehr in Europa: Wir haben Krieg. Wir haben einen schrecklichen und mörderischen, putinschen Angriffskrieg auf unsere Freundinnen und Freunde in der Ukraine. Einen Krieg, in dem es um toxische, patriarchale und geopolitische Allmachtsfantasien eines Einzelnen geht. Einen Krieg, in dem besonders Frauen und Kinder die Hauptopfer sind. Es sind gerade diese Personen, die vor diesen schrecklichen, männlichen Machenschaften fliehen müssen. Diese Menschen brauchen unseren Schutz und unsere uneingeschränkte Solidarität. 

1. Feminismus als zentraler Teil jungsozialistischer Außen- und Sicherheitspolitik

Diplomatie und vorherige Versuche einer Deeskalation der Lage haben keine Wirkung gezeigt, Putin setzt auf das System Krieg und nationale Armeen in Europa und auf dem Gebiet der NATO werden wieder massiv aufgerüstet, was – vollkommen nachvollziehbar – eine logische Konsequenz aus den egoistischen und widerlichen Machenschaften des russischen Präsidenten ist. Doch dazu gehört gerade auch die Wahrheit: Dass Putin diese Macht hat, diese schreckliche Aggressivität an den Tag legt und sich demzufolge die Verbündeten der Ukraine logischerweise abhängig machen musste, ist und bleibt die Folge toxischer Männlichkeit und patriarchaler Strukturen und deren Akzeptanz in den internationalen Beziehungen bis heute.

Das System dieser Politik basiert auf der politikwissenschaftlichen Denkweise des sogenannten Realismus. In einer Denkweise, in der wir egoistische Staaten haben, die ein individuelles Interesse der jeweiligen, individuellen Dominanz des Staates haben. Man kann sagen: Sie wollen eine Art Anarchie dauernd existierender Interessenskonflikte geprägt von Dominanz, Militarisierung und Aufrüstung statt Menschen-, und soziale Rechten oder Diplomatie. Seit Jahrzehnten fordern gerade feministische Organisationen einen Umbau dieses Systems, ein Umdenken der Staaten auf internationaler Ebene, eine Reform des Sicherheitsrats, die Verbannung von nuklearen Waffensystemen, mit denen jetzt aber einer der fünf Vetomächte des Sicherheitsrats droht: Nämlich Russland. Und nein, vermeintliche Gegenreaktionen wie auch der Versuch der nuklearen Abschreckung anderer Staaten führt bei Putin kein Stück zu dem Erfolg, der nach Ansicht vor allem vieler weißer Männer die vermeintlich wahre und einzig effektive Maßnahme wäre. Wir müssen uns im Klaren sein: Wenn Menschen – und dabei vor allem Männer! – erst einmal die Möglichkeit der Macht über Zerstörung haben, dann geben sie diese nicht mehr auf. 

Gerade auch in der deutschen Diskussion zeigt sich heute ganz klar das Antlitz dieses Systems: Von Aufrüstung zu sprechen, Waffenlieferungen und das Sondervermögen für die Bundeswehr politisch als Zeitenwende – sozialdemokratischer und – deutscher Außen- und Sicherheitspolitik anzuführen, reproduziert genau dieses Machtsystem weiter. Ja, es gibt derzeit dazu durchaus kontroverse Diskussionen, aber es ist in Stücken nachvollziehbar, dass gerade jetzt in dem akuten Fall der Notwehr seitens der Ukraine Waffen aus der Bundesrepublik geliefert werden. Aber es ist doch auch ganz klar, dass die unkritische Glorifizierung der Militarisierung mehr als nur ein großes Problem darstellt. Es schmerzt gerade aus meiner persönlichen jungsozialistischen Sicht, dass die feministische Peacekeeping-Politik innerhalb der Außen- und Sicherheitspolitik und das damit verbundene Infragestellen dieser internationalen, männlichen Machtstrukturen bis tief in die progressive, deutsche Parteienlandschaft kaum Gehör findet. Dabei sind es vor allem – aber auch mit einigen Ausnahmen – primär cis-männlich gelesene Personen, die Waffenlieferungen und Aufrüstungsdebatten positiv sehen und emotional anführen wie auch verteidigen. Ganz selbstkritisch betrachtet sollten es doch gerade die internationalistischen, sozialistischen und feministischen Verbände sein, die die herkömmliche auf neoliberalen Paradigmen basierende Außen- und Sicherheitspolitik grundlegend infrage stellen sollten. Es sollte doch klar gemacht werden, dass der Sicherheitsbegriff innerhalb dieses Gefüges unfassbar beschränkt ist auf militärische und nationalstaatliche Sicherheit. Aus jungsozialistischer Sicht gesprochen sollte aber eine (feministische) Außenpolitik klar machen, dass das was Grenzen sicher hält bei weitem nicht das ist, was Menschen wirklich sicher hält. Wir müssen bei jeder Diskussion um Verteidigung, Aufrüstung, internationaler Sicherheit auch immer vor allem die soziale Perspektive mit betrachten: Menschen brauchen Zugang zu sauberem Wasser, sie brauchen Zugang zu Bildung und sie brauchen ein Dach über dem Kopf. Sorgen Waffen dafür? I doubt it.

2. Die Fortschrittskoalition, der Krieg und das Ende progressiver Außenpolitik-Vorhaben

Die Ampel hat sich in ihrem Koalitionsvertrag ganz klar zu ihrer Außenpolitik verständigt und dabei Fortschritt und einen Paradigmenwechsel hin zu einer feministischen und partizipativen Außenpolitik ganz weit vorne mit angestellt. Man möchte meinen, dass es aber dann auch zu diesem Punkt gehört glaubhaft zu vermitteln, dass langfristig Militarisierung zu weiteren Konflikten, zu mehr Gewalt und zu weiteren möglichen völkerrechtswidrigen Aggressionen führen kann. Eigentlich gilt es dabei vor allem auch aus der deutsch-historischen Perspektive heraus vielmehr auf Multilateralismus und die Stärkung des Völkerrechts zu setzen und im Zuge dessen eine effektive Rüstungskontrolle zu erwirken. Stattdessen lässt sich die Fortschrittskoalition von der Union und Friedrich Merz aber vollkommen vor den Karren spannen und wirft jegliche bisherige Erfolge im Sinne einer eher auf Diplomatie setzenden Außen- und Sicherheitspolitik komplett über Bord und schlägt eine 180-Grad-Wende ein. Teilweise werden in der jetzigen Debatte immer mehr auch all jenen antimilitaristisch eingestellten Menschen Naivität vorgeworfen, die auch schon seit vielen Jahren – und bis heute – die Menschenrechtsverletzungen und Aggressionen von autoritären Machthabern (sic!) wie Putin hinweisen, während es doch vor allem auch eben die Anklagenden waren, die trotz der Krim-Annexion vor Jahren, trotz massivsten Menschenrechtsvergehen die Kriegskassen der Aggressoren füllten und Energieversorgungsabhängigkeiten eingingen.

Gerade auch wir als junge Menschen müssen begreifen, dass Militarisierung als Lösungsstrategie nur ein Boden für ausgrenzende, rassistische und nationalistische Tendenzen ist. Als jungsozialistische, internationalistische, feministische und antifaschistische Menschen ist es zudem aus meiner ganz persönlichen Sicht unsere politische Verantwortung innerhalb der SPD ein linkes Peacekeeping-Korrektiv zu sein und patriarchale, machtstrebende Systeme infrage zu stellen. Es liegt auch an uns das innerhalb der Partei zu artikulieren, die Position der Partei kritisch zu hinterfragen und nicht alles im vorauseilenden Gehorsam uneingeschränkt zu unterstützen. Wir müssen es sein, die in jeder Situation – ob in Friedens- oder Konfliktzeiten – „menschliche Sicherheit“ in den Vordergrund zu stellen, in der es nicht um die Sicherheit eines konstruierten Nationalstaats geht, sondern um die Schutzbedürfnisse der Menschen. Dem Schutz vor Kriegen und Krisen. Dem Schutz vor Ausbeutung, Unterdrückung, Klimakatastrophen und Krankheiten. Es sollte unser aller Aufgabe sein: Frieden schaffen ohne Waffen.

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