Nach dem Landesparteitag – Wie weiter mit der SPD?
Die Gegenkandidatur von Walter Adam kann zu einer echten Chance für eine lebendige demokratische Debattenkultur in der bayerischen SPD werden. Sicher ist das zur Stunde noch nicht. Dringend notwendig wäre sie in jedem Falle. Denn auch wenn die Kandidatur von Adam ad-hoc erfolgte und den üblichen Gepflogenheiten widersprach: Wirklich überraschen konnte sie niemanden, der mit offenen Ohren in die Partei hineingehört hat in den letzten Monaten. Denn Walter Adam hat mit seinen Positionen den Nerv einer breiten SPD-Basis getroffen. Eine Mehrheit der SPD-Mitglieder hat vor eineinhalb Jahren für die Große Koalition gestimmt, weil signifikante soziale Verbesserungen für viele Millionen Menschen konkret sichtbar gemacht und durchgesetzt werden konnten. Wie es etwa mit dem Mindestlohn und dem Rentenpaket mustergültig durchexerziert wurde. Doch wachsen bei vielen Sozialdemokraten die Befürchtungen, dass sich zumindest Teile der SPD-Spitze mit der Juniorrolle de facto abgefunden haben statt mit Wucht und Empathie für einen grundlegenden wirtschafts- und sozialdemokratischen Politikwechsel zu kämpfen. Und zwar auch bei vielen SPD-Mitgliedern, die für den Koalitionsvertrag gestimmt haben. Gründe für eine Abkehr von der neoliberalen Spielanordnung gibt es zuhauf: die Austeritätspolitik der Kanzlerin steht kurz vor dem Scheitern, die Kluft zwischen Arm und Reich wächst trotz Mindestlohn und die anvisierten „Freihandelsabkommen“ wecken eher Ängste bei den Menschen als Hoffnungen. Um nur einige zu nennen. Es ist der Vertrauensbildung dabei wenig förderlich, wenn die aus der Partei entwickelten Positionen und Vorstellungen an entscheidender Stelle von der SPD-Spitze immer wieder unterlaufen werden (Vorratsdatenspeicherung, Freihandelsabkommen). Statt einer technokratischen und intransparenten Top-Down-Politik muss die politische Kommunikation genau umgekehrt laufen: Von unten nach oben. Dann lohnt sich auch die streitbare und lebendige Auseinandersetzung um die beste Strategie. Und – untrennbar damit verbunden – um das beste Personal. Das Wälzen von Koalitionsoptionen ist zur Stunde dagegen vollkommen verzichtbar. Schon gar die Öffnung einer Koalitionsoption mit der CSU zur Unzeit, ohne jede Not (nach allen Umfagen braucht die CSU gar keinen Koalitionspartner und wenn, dann hätte sie auch noch die Qual der Wahl) und – vor allem – ohne jede plastische Vorstellung davon, was denn der CSU in einer derart undankbaren Konstellation an zentralen SPD-Positionen konkret abverhandelt werden kann. Um die reine Lehre geht es dabei längst nicht mehr. Eine der Edelfedern der Republik, der SZ-Journalist Heribert Prantl, beschreibt die Kernaufgabe der heutigen SPD dagegen mit einem treffenden Bild: Mindestlohn oder das Rentenpaket sind verdienstvoll. Aber es sind eben nur „einzelne Stückchen aus einem ansonsten verloren gegangenen sozialdemokratischen Puzzle“ (SZ vom 20.03.2015). Es kommt jetzt darauf an, dass Puzzle insgesamt wieder zusammenzufügen. Ein sozialdemokratischer Politikentwurf jenseits der Merkel’schen Alternativlosigkeit. Darum muss jetzt gerungen werden.