Danke Merkel?

Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ist vorbei. Die Entscheidung der Wähler*innen ist mit einer Wahlbeteiligung von 61,6% gefallen. Leif-Erik Holm (AfD) postuliert: „Und vielleicht ist das heute der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels!“ Ich will jetzt aber eigentlich gar nicht darüber schreiben, wie die Wahl gelaufen ist, was einzelne Parteien besser oder schlechter hätten machen können und was passiert wäre, wenn die Variable ‚x‘ anders wäre. Dazu gibt es spätestens morgen genug Zeitungsartikel, Blogeinträge und YouTube-Videos.  Mir liegt ein Thema am Herzen, das vor allem im Vorfeld der Wahl auffällig ist. Wie wird im Internet und in sozialen Netzwerken eigentlich diskutiert?

Vielleicht betrachten wir erst einmal das Ideal einer Diskussion: Wir haben Person A und Person B bis X mit verschiedenen Standpunkten. Jeder legt zuerst seine*ihre Position dar. Danach wird darüber geredet warum und wie und aus welchen Gründen diese Position vertreten wird. Person A versucht Person B zu überzeugen, dass seine*ihre Meinung richtig oder besser ist oder sieht ein, dass es einen Fehler in seiner*ihrer Logik gibt und muss die eigene Position überdenken. Hierbei können sich – auch durch Recherche und gut fundierte Aussagen – neue  Meinungen entwickeln und alte Konzepte verworfen werden. Für viele ist das Wichtigste daran, dass man auch nach einer hitzigen Diskussion noch gemütlich was zusammen trinken kann, ohne sich direkt in die Haare zu bekommen.

Betrachten wir nun Diskussionen im Internet. Die großen Vorteile gegenüber einer Diskussion in der Kneipe, oder an einem anderen Ort im realen Leben, ist die Tatsache, dass man für seine Meinung direkt im Internet Belege und Quellen suchen kann und dass man Überlegen kann, bevor man schreibt. Statistiken zu Gewaltverbrechen, Bevölkerungsentwicklung, Tieren in Zoos, Anzahl der Schultüten im Saarland oder auch Niederschläge aufs Jahr  pro Quadratmeter in Finsterau sind einfach und unkompliziert zu finden. Die Diskussion ist also im Idealfall fundiert und die Diskutierenden haben die Möglichkeit über ihre Antwort nachzudenken und sie gegebenenfalls noch zu ändern. Im echten Leben sähe es doch seltsam aus, wenn ein Diskussionspartner zwei Minuten schweigend da sitzt, während er*sie über eine Antwort nachdenkt.

So schön das alles klingt, ist die Realität doch anders. Eine Diskussion ist nicht mehr der verbale Schlagabtausch zwischen Personen. Jede*r hat seine*ihre vorgefestigte Meinung und weicht von dieser auch keinen Millimeter ab. Man schreibt seine Meinung auf, diskutiert aber nicht. Es gibt keinen Grund nett und sachlich zu diskutieren, man kennt die andere Person sowieso nicht und wird sie im Zweifelsfall niemals treffen. Quellen, die nicht ins eigene Konzept passen, werden als unwahr und vom Staat gelenkt dargestellt, statt die eigene Meinung zu hinterfragen  Aber wieso bitte sollten Tagesschau, Zeit, Süddeutsche und Co lügen, aber Russia Today, Magyar Televízó aus Ungarn und dubiose Websites und Blogs aus dem Internet Recht haben?  Wieso sind alle Menschen, die nicht meiner Meinung sind automatisch uninformiert und doof?

Bei einer Diskussion unter einem Artikel auf der Facebookseite der Passauer Neuen Presse über Sebastian Frankenberger ging es natürlich primär um das vor sechs Jahren initiierte Rauchverbot und die damalige Volksabstimmung. Der eine Teil der Kommentierenden war der Meinung, dass jeder, der vor 6 Jahren nicht bei der Volksabstimmung dabei war, selbst schuld sei und die Möglichkeit zur Mitbestimmung gehabt hätte. Der andere Teil – der gegen ein Rauchverbot in Innenräumen ist – spricht von „Minderheitenpolitik“ und fragt, ob „bei der Wahl denn alles mit rechten Dingen zugegangen sei“. Alles, was nicht ins eigene Bild passt, wird geleugnet oder als Lüge dargestellt.

Wenn ich Facebook-Kommentare lese, rege ich mich sehr oft auf. Aus einfachen Meinungsposts, die aufeinander folgen, sich wiederholen und zumeist in keinem großen Zusammenhang stehen wird mitunter sehr schnell ein „Halt die Fresse, du dummer Nazi!“ oder „Verpiss dich, du Zecke!“. Die Eskalationsstufe ist schnell erreicht und man hat das Gefühl, dass Menschen sich im Internet sicherer fühlen, frei zu schreiben, was sie anscheinend denken. Mittlerweile wird auch unter Klarnamen und mit angegebenem Arbeitgeber munter gehetzt, beleidigt und gedroht. Ich habe Angst, dass diese zunehmende Verrohung auch weiterhin auf das echte Leben übergreift. Dass sich Menschen gegenseitig so weit aufputschen, dass sie im echten Leben Straftaten verüben.

Wir müssen zurückfinden, zu einer angemessenen Diskussionskultur, auch im Internet. Wir müssen wieder lernen, auf die anderen einzugehen und versuchen sie zu überzeugen und sie nicht anzuschreien. Ich will nicht sagen, dass wir rechte Kommentare einfach stehen lassen sollten. Wir müssen sachlich und fundiert dagegenreden, um auch Leser*innen, die nicht mitdiskutieren wollen die Möglichkeit zu geben mitzukommen. Wenn man sich nur gegenseitig beleidigt erweckt es in mir ein Bild von zwei streitenden Kindergartenkindern, die sich mit der Schaufel verprügeln – sowas kann ich nicht ernst nehmen.

Vor allem müssen wir lernen, die Fehler nicht immer beim anderen zu suchen. Statt „DANKE MERKEL!!“ zu schreiben und die Islamisierung des Abendlandes zu predigen, kann man doch einfach mal in seinem Ort schauen, ob es dort die Möglichkeit gibt, mit Asylbewerber*innen in Kontakt zu kommen und sie kennenzulernen. Meistens beißen sie nicht und tragen auch keine Burka. Eine gespaltene Gesellschaft bringt uns nicht weiter. Hören wir also auf uns anzuschnauzen und fangen wir an, aufeinander zuzugehen.  Statt Angst sollten wir Verständnis schaffen. Statt bösen Blicken die Hand reichen und gemeinsam gegen die Bedrohungen in der Welt stehen.

 

Vorheriger PostSchleierhafte Freiheit Nächster Post Panic sells