Friedrich vs. Clara

Der folgende Blogbeitrag zeigt ein Gespräch, welches in unserer Gesellschaft leider immer wieder geführt werden muss. In diesem Blogbeitrag diskutieren Clara, eine Feministin und Friedrich, ein weißer, heterosexueller Cis- Mann über Geschlechtergerechtigkeit und Feminismus.

Friedrich: Der Feminismus ist doch längst überfällig. In Deutschland ist doch schon eine Frau Bundeskanzlerin und laut Artikel 3, Satz 2 GG sind alle Männer und Frauen gleichberechtigt. Gleichstellung ist doch schon lange erreicht.

Clara: Der Frauenanteil im Bundestag liegt derzeit bei 31,4 Prozent, so niedrig wie seit 19 Jahren nicht mehr. Frauen wenden im Schnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf, als Männer. Umgerechnet sind das 87 Minuten mehr. Im Schnitt brauchen Männer und Frauen 4 Minuten, um zum Orgasmus zu kommen.  Es kommen aber nur durchschnittlich 33 Prozent der Frauen immer oder fast immer zum Höhepunkt, bei den Männern sind es 80 Prozent.

Friedrich: Die Frauenquote brauchen wir doch nicht, alle Menschen haben doch beruflich die gleichen Chancen.

Clara: Derzeit sind nur 11,5 Prozent der Vorstandsmitglieder der Dax-, MDax- und SDax- Unternehmen weiblich. Durchschnittlich stehen einer Frau in den Führungsetagen dieser Unternehmen also neun Männer gegenüber. Außerdem haben 60 Prozent aller Dax  Unternehmen nicht eine einzige Frau in ihrem Vorstand.  

Friedrich: Männer und Frauen verdienen doch gleich viel.

Clara: Der durchschnittliche Bruttostunden-Verdienst von Frauen war 2019 20 Prozent niedriger als der von Männern. In Westdeutschland ist dieser Unterschied dreimal so groß, wie in Ostdeutschland. Die Alterssicherungsleistung für Frauen war in Ostdeutschland um 29 Prozent und in Westdeutschland um 49 Prozent geringer, als die von Männern. Das liegt einerseits daran, dass Frauen weniger verdienen als Männer, zum anderen verrichten Frauen mehr unbezahlte Carearbeit als Männer.

Friedrich: Alltagssexismus existiert bei uns doch nicht mehr.

Clara: Wenn Frauen auf die Straße gehen, rechnen sie schon mit Blicken, Pfiffen oder Rufen von Männern. Beim Ausgehen müssen Frauen sich Methoden überlegen und Tricks anwenden, weil ein Nein von vielen Männer nicht als Nein akzeptiert wird. Schon am Kleiderschrank überlegen sich Frauen, welche Kleidung sie tragen und wie sie sich schminken, um die Interpretationsfreiheit der Männer so stark wie möglich zu minimieren. Als Frauen müssen wir uns stark überlegen, wie wir uns auf Social-Media präsentieren, um nicht objektiviert oder sexualisiert zu werden.  

Friedrich: Nur Frauen können Feministinnen sein.

Clara: Es darf nicht nur ein Teil der Gesellschaft Feminismus anstreben, sondern alle Menschen müssen für den Feminismus kämpfen. Dadurch sollen auch Rollenklischees durchbrochen werden, denn auch Männer werden vom Patriarchat eingeschränkt. Es muss beispielsweise eine gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Vätern in Elternzeit geschaffen werden. 

Friedrich: Feministinnen hassen Männer.

Clara: NEIN!

Friedrich: Alle Feministinnen sind lesbisch.

Clara: Der Feminismus ist bunt und vielfältig. Menschen, unabhängig von Sexualität, Hautfarbe, Geschlecht und Religionszugehörigkeit, kämpfen für eine gleichberechtigte Welt.

Friedrich: Feministinnen lehnen alles ab, was weiblich ist.

Clara: Jede Feministin ist ein eigenes Individuum und entscheidet selbst über ihren Körper, ihre Einstellungen und ihre Ansichten.

Friedrich: Die Frauen wollen sich doch nur nicht mehr um ihre Kinder kümmern, ihr seid doch alle Rabenmütter.

Clara: In der Auffassung unserer Gesellschaft gibt es nur Rabenmütter oder Hausfrauen. Ab der Jugend werden Frauen bei Übelkeit regelmäßig nach einer Schwangerschaft gefragt. In den Zwanzigern beginnt es mit Nachfragen über Verlobung und Hochzeit (nicht alle Frauen haben sich ihre Traumhochzeit schon ausgemalt). In Vorstellungsgesprächen ist es bittere Realität, dass Frauen nach dem Wunschzeitpunkt einer Schwangerschaft gefragt werden. Die Gesellschaft möchte bestimmen, dass Frauen Kinder haben müssen, wie sie diese erziehen und wann sie diese bekommen sollen. Das Muttersein ist die Entscheidung jeder einzelnen Frau.

Friedrich: Abtreibung ist Kindesmord.

Clara: NEIN! Frauen sollen über ihren Körper selbst bestimmen können. Dabei soll und darf der Staat sich nicht einmischen. Keine Frau trifft die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch leichtfertig. Gerade deshalb sollte diese Entscheidung respektiert werden, denn die Frauen können auch noch länger an physischen und psychischen Folgen leiden. Bei Schwangerschaften von Minderjährigen übernehmen 80 Prozent der Männer höchstens finanzielle Verantwortung und die Frauen stehen mit dem Kind alleine da. Etwa ein Drittel der Frauen haben bei der Begründung über den Schwangerschaftsabbruch unter anderem ihre Partnerschaftssituation angegeben. Bei zwei Drittel hat diese Situation die Entscheidung nicht beeinflusst.

„Kein Mann ist mehr unantastbar. Für diejenigen, die gewöhnt sind, dass sie aufgrund ihres männlichen Geschlechts eine herrschende Rolle spielen und Privilegien haben, fühlt sich diese neue Gleichberechtigung wie Unterdrückung an.“

Susanne Kaiser, Autorin

Lukas Reichhardt, Kim Seibert

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