Die Ampel – der Weg aus dem ewigen Kreisverkehr der Großen Koalition
Zurecht verstehen wir Jusos uns als linkes Korrektiv der SPD. Erfahrungsgemäß hat sie dieses – besonders in Regierungszeiten – auch bitter nötig. Auch wenn es in diesem Text um die guten Errungenschaften des gerade vorgelegten Koalitionsvertrages gehen soll, haben wir Jusos natürlich auch die nächsten Jahre eine große Aufgabe vor uns. Die Gefahr, dass diese Ampelkoalition ein soziales Profil an der ein oder anderen Stelle aus den Augen verlieren könnte, scheint doch nicht ganz unrealistisch. Nur gut, dass die Parlamentarische Linke mit Jessica Rosenthal, Kevin Kühnert und vielen anderen gestärkt in diese Legislaturperiode geht und auch bayerische Juso-Abgeordnete an ihrer Seite stehen.
Nichtsdestotrotz soll es nun wirklich ausnahmsweise mal nicht darum gehen, was bei dieser Koalition nicht so gut zu gelingen scheint (Stichwörter Steuerpolitik, Zwei-Klassen-Medizin, Mietendeckel, Klimaschutz im Sinne des Pariser Klimaabkommens…), sondern was gut gelungen ist und was wir auch durchaus so nach außen kommunizieren können.
Schon der laute Aufschrei von CDU/CSU, AfD und den Kreisen der Springer-Presse zeigt uns doch klar, dass das sogenannte „Links-Gelbe-Bündnis“ (so eine Wortkreation kann auch nur aus der CSU kommen) nicht alles falsch gemacht haben kann mit diesem Koalitionsvertrag.
Nachfolgend also eine kurze sehr subjektive Auswahl an guten Punkten, die jetzt umgesetzt werden sollen.
Zunächst finden sich einige klassisch sozialdemokratische Anliegen in diesem Papier wieder, für die auch wir Jusos intern viel gestritten haben. Der Mindestlohn wird auf 12€ steigen. Das bedeutet eine Gehaltserhöhung für sage und schreibe zehn Millionen Menschen. 10 Millionen! Diese Zahl sollten wir uns immer wieder mal vor Augen halten.
Auch die Ausbildungsgarantie, die Kindergrundsicherung und eine Reform des BAföG werden kommen. Dies ist natürlich nur eine kleine Auswahl wichtiger Projekte, die nun endlich angegangen werden können.
Am deutlichsten wird das „Fehlen“ der Unionsparteien in dieser neuen Koalition aber in der Gesellschaftspolitik. Die Legalisierung von Cannabis wird endlich in Angriff genommen, wirklich jetzt! Und das ist nur eine von vielen guten Nachrichten in diesem Bereich.
§ 219a StGB, das sogenannte „Werbeverbot“, kommt weg! Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein, eine Kommission soll sich mit der Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches beschäftigen und gegen die – leider auch in unserer Region verbreiteten – Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegner*innen sollen wirksame gesetzliche Maßnahmen gesetzt werden. Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität soll ins Grundgesetz aufgenommen und der Begriff der „Rasse“ daraus gestrichen werden. Das Familienrecht wird allgemein modernisiert und das Transsexuellengesetz durch ein Gleichbestimmungsgesetz ersetzt.
Wir dürfen also hoffen, dass sich hier in den nächsten 4 Jahren wirklich mehr zum Positiven verändern könnte als in den letzten 16 Jahren zusammen.
Auch glaubt man es den beteiligten Parteien natürlich eher, dass sie die großen Themen Digitalisierung (Stichworte digitale Verwaltung, digitale Bürger*innenrechte, flächendeckende Versorgung mit Glasfaser usw. usf.) und Umweltschutz (Klimacheck für alle Gesetze, Ausbau erneuerbarer Energien, Verkehrswende, …) tatsächlich vorantreiben wollen, als das bei CDU/CSU der Fall war.
Die Ampel ist alles in allem also wirklich der Weg hinaus aus dem ewig gleichen, nimmer endenden Kreisverkehr der Großen Koalitionen der letzten Jahre. Natürlich werden wir Jusos ihre Arbeit der kommenden Jahre kritisch begleiten müssen und weiter laut widersprechen, wenn wir nicht einverstanden sind. Nichtsdestotrotz lässt das große Ganze hoffen, dass viele wichtige Themen endlich angepackt werden und Deutschland tatsächlich modernisiert wird, wie der Koalitionsvertrag es uns verspricht.
Zu guter Letzt enthält der Koalitionsvertrag auch eine Neuerung, die wir Jusos als klaren Auftrag an uns selbst verstehen sollten: Das Wahlalter soll endlich auf 16 Jahre gesenkt werden. Es wird gerade auch an uns liegen, dass wir die „große Politik“ verständlicher und zugänglicher machen für junge Menschen. Das Ergebnis der Bundestagswahl sollte dahingehend auch ein Weckruf für unsere Partei sein: Schon bei den Erstwähler*innen ab 18 Jahren hat die SPD kaum eine Rolle gespielt. Bei der sog. Juniorwahl, ein Bildungsprojekt an Schulen, wo Schüler*innen ab der 7. Klasse teilnehmen dürfen, holte die SPD in Bayern zur Bundestagswahl nur 14,8 % und belegt damit den vierten Platz, hinter Grünen, FDP und CSU (in dieser Reihenfolge!). Da ganze 558 Schulen in Bayern teilgenommen haben, liegt zumindest eine gewisse Repräsentativität wohl vor.
Auch war die Wahlbeteiligung unter den 18-29-Jährigen einmal mehr die geringste von allen Altersgruppen. Nur 67 % der 21-24-Jährigen sind zur Bundestagswahl wählen gegangen. Demgegenüber stehen 81 % der 60-69-Jährigen. Zwar ist die Wahlbeteiligung unter den 18-29-Jährigen bei den letzten Bundestagswahlen deutlich gestiegen, die Lücke den über 60-Jährigen ist aber weiter viel zu groß.
Es ist folglich ganz klar, dass wir uns in den nächsten Jahren intensiv Gedanken darüber machen müssen, wie sozialdemokratische Politik für „diese jungen Leute“ ganz konkret aussehen sollte und wie wir unsere Generation erreichen können.
Ich bin optimistisch, dass wir das gemeinsam schaffen können. Pack ma‘s!