Überlegungen zu einem zukunftsfähigen Verfassungsschutz
Die Causa Maaßen brachte dem Bundesamt für Verfassungsschutz erneut einen Skandal ein. Bezweifelte der Präsident der Behörde doch die Echtheit von Videos, welche von Hetzjagden bei den Ausschreitungen in Chemnitz Ende August diesen Jahres zeugten. Das lange hin und her um seine Absetzung als Präsident und die teils kruden Bezichtigungen von linker Seite werden Hetze gegen seine Person betrieben, schadeten nicht nur dem Ansehen seiner Person, sondern auch dem seiner Behörde. Einer Behörde welche ohnehin schon seit etlichen Jahren im Mittelpunkt zahlreicher „Skandale“ steht, erwähnt seien hier als Beispiele nur der Fall des NSU oder das Verbotsverfahren gegen die NPD. Im Zuge jener Skandale werden immer wieder Stimmen und Rufe nach Reformen laut, welche von der Gründung einer Superbehörde mit polizeilichen Befugnissen oder dem unterstellen des Nachrichtendienstes unter die Polizei, bis hin zu seiner Abschaffung reichen. Man wäre jedoch schlecht beraten eine jener beiden Extrempositionen umzusetzen. Denn zum einen wäre die Schaffung einer Superbehörde nicht mit dem rechtlich verankerten Trennungsgebot zwischen Nachrichtendienst und Polizei in Einklang zu bringen, zum anderen würde diese Maßnahme gegen die Grundidee der Gründung des deutschen Verfassungsschutzsystems kurz nach dem zweiten Weltkrieg verstoßen, welche es war mit diesem zu etablierenden System keine neue GESTAPO zu schaffen. Das andere Extrem, nämlich die gänzliche Abschaffung des deutschen Verfassungsschutzsystems würde den extremistischen Kräften und Terroristen jeder couleur Tür und Tor öffnen. Das Problem des deutschen Verfassungsschutzsystems ist nicht der Nachrichtendienst an sich, sondern es liegt an drei wesentlichen Faktoren: 1) dem Einfluss der Tagespolitik auf die Behörde in Verbindung mit einem zu hohen Erfolgsdruck 2) einer Überbürokratisierung der Behörde und ein Mangel an Expertise im Personal und 3) die negativen Auswirkungen der bisherigen Reformen auf die Behörde.
- Der Verfassungsschutz sollte zur Bedrohungslage durch Extremisten und Terroristen Langzeitanalysen anstellen und jene Phänomene und Erscheinungen genauestens auf ihre Strukturen und Absichten hin beleuchten. Dies gilt vor allem für Organisationen und Parteien, deren extremistisches und demokratiefeindliches Gedankengut offengelegt werden soll. Die Politik ist jedoch mehr daran interessiert schnelle Ergebnisse zu bekommen, um politische Erfolge vorweisen zu können. So fungiert der Verfassungsschutz mittlerweile als Hilfsscheriff der Polizei und soll statt ganzer Organisationen und Szenen vermehrt Einzelpersonen beobachten und sofort aktiv werden sobald sich die Möglichkeit zur Festnahme bietet. Eine genauere Durchdringung des Phänomens ist somit nicht möglich und der Druck führt dazu, dass unter anderem die Auswahl der menschlichen Quellen nicht mehr so sorgfältig getroffen werden kann wie sie es sollte. Vor allem kleine Außenstellen und Landesbehörden werden dadurch häufig überfordert, wie es beim Fall des NSU in Thüringen beispielsweise der Fall war
- Es gibt eine Überbürokratisierung in der Behörde. Zum einen werden fast ausschließlich bei Personalaufstockungen Juristen eingestellt und keine mit extremistischen Phänomenen vertrauten Geisteswissenschaftler. Zum anderen sorgen immer neue Regulierungen und Dokumentationspflichten dafür, dass die Behörden die meiste Zeit mit sich selbst beschäftigt sind. Besonders gravierend sind hier die häufig kontrovers diskutierten Regelungen und Gesetze zum Datenschutz, welche dafür sorgten, dass extra eine Rechtsabteilung mit Schwerpunkt Datenschutz im Bundesamt gegründet wurde. Hier werden teils notwendige Informationen häufig aus Angst gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen häufig nicht gespeichert. Letztlich helfen solche Regelungen extremistischen Kräften und insbesondere Kriminellen enorm, da sie die Behörde an sich aufgrund diverser Bestimmungen berechenbar machen. Zum einen in ihren rechtlichen Möglichkeiten was die Überwachung angeht und zum anderen was das speichern und auswerten von Daten angeht.[1]
- Die bisherigen Reformen der Behörde waren nicht zielführend. Anfang der 2000er Jahre führte das Erstarken des neoliberalen Denkens dazu, dass in den Verfassungsschutzbehörden gnadenlos Stellen wegrationalisiert wurden und Abteilungen zusammengelegt wurden. Bestes Beispiel hierfür ist die Zusammenlegung der Abteilungen für Links- und Rechtsextremismus, wobei wohl jedem klar sein sollte, dass es sich hierbei um zwei völlig unterschiedliche Erscheinungsformen handelt welche auf unterschiedliche Art und Weise analysiert werden müssen. Was am Ende zu einer Fehlgewichtung der Bedrohungslage führen kann. So hatte man Ende der 90er und im Laufe der 2000er Jahre die Bedrohung durch den Rechtsextremismus deutlich unterschätzt.
Nun was wäre notwendig, um eine zukunftsfähigen Verfassungsschutz zu schaffen. Es müssten wirkliche Reformen her mit einer deutlichen Verstärkung des analytischen Bereichs und ein nicht zu eng gefasster rechtlicher Rahmen für die Behörde, sodass sie ihre Aufgaben noch vollends erfüllen kann. Dies gilt auch für den Bereich des Datenschutzes. Denn bei aller Vorsicht und Sorge die man einer zu „mächtigen“ nachrichtendienstlichen Behörde entgegenbringen kann, handelt es sich hier noch um ein Instrument, welches den demokratischen Staat in Deutschland im Zuge des Systems einer „wehrhaften Demokratie“ schützen soll. Jedoch bring man solchen Behörden meist zu viel Misstrauen entgegen und vergisst dabei, dass der Feind ganz woanders sitzt, es sind die Extremisten und Terroristen, welche eben jenen demokratischen Staat und damit in Verbindung die gesamte Ordnung in Deutschland beseitigen wollen oder entgegen der Verfassung verändern wollen. Zudem sollte man dem Verfassungsschutz seinem Kerngeschäft nachgehen lassen, der Beobachtung und Analyse von Szenen, Parteien und Organisationen, auch über einen längeren Zeitraum hinweg. Denn für schnelle Ermittlungen und Festnahmen ist letztlich die Polizei zuständig und das ist auch gut so, denn eine Behörde nach Art der GESTAPO oder der Stasi möchte in diesem Land wohl niemand mehr. Unter diesen Prämissen, könnte man die Arbeit des Verfassungsschutzes wieder auf ein angemessenes Niveau heben und er hätte auch in Zukunft seine Existenzberechtigung.
[1]Vgl. GRUMKE,Thomas/ van Hüllen, Rudolf: Der Verfassungsschutz-Grundlagen, Gegenwart, Zukunft? Berlin, u.a. 2016, S. 188f.