Goa, CSU und verfehlte Drogenpolitik

180 Angestellte der Polizei im Einsatz. Menschen durchsucht und verhört und angezeigt. 14 Personen vorläufig festgenommen. Landratsamt und Bürgermeister geben empörte Statements ab, alle lokalen Käseblätter überbieten sich in reißerischen Überschriften. Was war geschehen? Terrorwarnung?  Massenpanik? Ausbruch der Zombieapokalypse? – Weit gefehlt in der Nacht vom 13. Auf den 14. Mai 2017 fand im „Plutonium“ einem bekannten und beliebten Diskoschuppen im ansonsten eher unbekannten und unbeliebten niederbayerischen Straßkirchen eine Goa-Party statt.

 

Für die nicht in der Szene der elektronischen Musik bewanderten Menschen: Goa – manchmal auch Psytrance genannt – ist eine psychedelische Variation elektronischer Musik. Goa-Events stehen (sehr zurecht) unter dem Ruf besonders lang, exzessiv und hippiesk zu sein. Darüber hinaus wird dem dort versammelten Partyvölkchen nachgesagt einen besonderen Hang zum Konsum illegaler psychoaktiver Substanzen, wie Cannabis, LSD oder MDMA aufzuweisen. Es wundert natürlich, dass die Tatsache des Stattfindens dieser Partys im lauschigen Straßkirchen nicht schon weitaus früher die lokale CSU Prominenz auf den Plan gerufen hat, welche dafür bekannt ist, ihr „gesundes Volksempfinden“ durch alternative Jugendkulturen gestört zu sehen. Insbesondere Drogen und deren Konsum empören die konservativen Teile der bayerischen Bevölkerung sehr, manchmal sogar so sehr, dass ihnen vor Empörung die Pöschl-Gletscherprise in das allabendliche Weißbier fällt.

 

Aber zurück zur „Causa Plutonium“: Die Bilanz des Abends kann sich aus Sicht der Polizei und derer, die die Gesetze zu verantworten haben, welche die Polizei durchsetzen muss sehen lassen: Gegen ganze 14 Personen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, wohlgemerkt bei circa 400(!) teilnehmenden Goa-Fans. Was allein das Polizeiaufgebot und die anstehenden Verfahren den Staat kosten werden, steht in den Sternen. Dass eine der angezeigten Personen ihren Konsum psychoaktiver Stoffe einstellen wird, darf mit Fug und Recht angezweifelt werden. An den Geschehnissen im Plutonium lässt sich exzellent die Sinnlosigkeit, ja Absurdität der aktuellen Drogen- und Suchtpolitik festhalten. Mal abgesehen davon, ob erwachsene und mündige Menschen nicht selbst entscheiden sollten, was sie ihrem Körper zuführen wollen und was nicht, die aktuellen Taktiken im Kampf gegen Drogen sind gescheitert. Unsummen werden herausgeschleudert, um eine irrwitzige „Law-and-Order“ Strategie durchzusetzen – die sei es in Bayern, Deutschland oder international – keinen Erfolg bringt. Nehmen wir mal das Beispiel Cannabis: Der Deutsche Hanfverband schätzt die Kosten des Cannabis-Verbots in der BRD auf circa eine Milliarde Euro pro Jahr, die nicht eingenommenen Steuern, die bei einer Legalisierung einzunehmen wären, gar nicht miteinberechnet. Im Jahre 2015 beschäftigten allein 132.745 Konsumentendelikte laut polizeilicher Kriminalstatistik die deutschen Strafverfolgungsbehörden. Trotzdem konsumieren – je nach Schätzung – circa 4 Millionen Deutsche jedes Jahr Cannabis. Wer nicht blind durch die Welt geht, weiß: Trotz der teuren Bemühungen stehen Marihuana und Haschisch nicht am Rande der Gesellschaft. Gekifft wird in allen Alters- Berufs- und Einkommensgruppen.

 

Dass die Zeit für ein Umdenken in Sachen Drogenpolitik gekommen ist, wird zum Glück zunehmend auch in Kreisen der Wissenschaft und der Politik registriert. Der berühmte Wissenschaftler und Nobelpreisträger Albert Einstein bemerkte einst sehr treffend zur Alkoholprohibition in den USA: „Das Ansehen der Regierung wurde durch das Prohibitionsgesetz beschädigt. Weil nichts schädlicher ist für den Respekt vor der Regierung und dem Gesetz als die Verabschiedung eines Gesetzes, das nicht durchgesetzt werden kann.“ In diesem Sinne war der Beschluss der Bayern SPD, sich für eine Legalisierung von Cannabis einzusetzen ein erster Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht schaffen wir eines Tages den Weg in eine Gesellschaft, in der wir es aushalten, dass manche Menschen mit einer Maß Bier und einem halben Hendl auf der Wiesn glücklich werden, andere aber mit einem Joint und Goa-Musik auf einer Party. Für einen Freistaat Bayern wäre diese Toleranz nur angemessen und wünschenswert.

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2 Kommentare zu "Goa, CSU und verfehlte Drogenpolitik"

  1. Axel Richter sagt:

    Vielen Dank für diesen Artikel. Ich bin Goa DJ und Veranstalter aus Halle / Saale, der selbst 10 Jahre in Bayern gelebt hat und genug lächerliche Polizeieinsätze erlebt hat. Ich selbst konsumiere absolut keine Drogen, weder legale noch illegale. Seit 2013 sind in Halle an der Saale sogenannte „Spontan Partys“ erlaubt, wo jede/r Bürger/in unbürokratisch auf öffentlichen Plätzen unkommerzielle Partys veranstalten darf. Ich veranstalte natürlich Goa Partys. Nun könnte man denken, dass unter solchen liberalen Bedingungen, der Drogenkonsum boomt, doch das Gegenteil ist der Fall. Auch von einem Leipziger Veranstalter, der Kommerziell Goa / Elektro Partys veranstaltet, weiß ich, dass Drogen immer weniger konsumiert werden (inkl. legale Drogen) So hat dieser Veranstalter auf seiner letzten Party mehr Club Mate verkauft, als Alkohol. Insofern kann ich mir das Verhältnis 400:14 gut vorstellen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass ein ähnliches „Drogen / Nicht Drogen Verhältnis im ganz normalen Alltag besteht. Goa Partys hatten schon mit Drogenkonsum zu tun. Doch Goa ist weitaus mehr, als Drogen zu konsumieren. Goa ist ein Lifestyle, eine Weltanschauung, wo Drogen nicht zwingend notwendig sind und nach meinen eigenen Beobachtungen, immer mehr zurück gehen.
    Bayern ist ein wunderschönes Land, was ich in den 10 Jahren, die ich dort gelebt habe, in mein Herz geschlossen habe. Leider wird dieses Land von einigen Engstirnigen Personen regiert, die einfach das Potential, was in alternativer Kunst und Kultur schlummert, nicht erkennen wollen. Diese Leute sollten mal nach Halle (Saale) kommen und eine Goa Party, die legal und in Freiheit durchgeführt werden kann, besuchen sowie mit dem Oberbürgermeister, Herr Dr. Wiegand, sprechen, was Halle für Erfahrungen mit diesen „Spontan Partys“ gemacht hat. Vielleicht wird es in Zukunft auch in Bayern und Baden Württemberg (die ähnlich wie Bayern Goa Partys bekämpfen) freie Goa Partys geben. Es würde Bayerns Kultur bereichern. Aktuell finden (laut Goabase.net) 694 Goa Partys in 49 Ländern statt. Bayern kann sich nicht ewig davor verschließen.

  2. Open Mind sagt:

    Diese Aktion werte ich als einen ganz klaren Angriff der CSU respektive des Bürgermeisters auf einen kulturell anders geprägten Menschenkreis. Denn während Jugendliche sich in Dirndl und Lederhosen gern gesehen um ihren Verstand saufen und Gewalt auf bayrisch-kulturell geprägten Veranstaltungen mit hohem Alkoholfluss an der Tagesordnung ist, haben wir hier eine Diskothek, in der ganz klar friedlich gefeiert und ein auf Toleranz basierendes Lebensgefühl vermittelt wurde.
    Verglichen mit anderen Veranstaltungen, für die eine Razzia in dieser Form nicht einmal in Frage kommen würde, gab es derart selten Ausschreitungen, dass man sich wohl mit gutem Recht die Frage stellen darf:

    Ist dieses System in seiner Form wirklich gut, wie es ist?
    Oder leben wir unter einer CSU-Schirmherrschaft der Vorurteile, die sich wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz an uralten Bräuchen festklammert?