Vom CEO und Realityshow-Produzenten zum Präsidenten – The American Nightmare
Die US-Wahlen sind vorbei und das Absurde ist Realität geworden. Nun, da der erste Schock verdaut ist, stellt sich langsam die Frage der Konsequenzen für die USA und die gesamte Welt. Fest steht: Die Gesellschaft der USA wird sich verändern. Arm gegen reich, weiß gegen schwarz, ungebildet gegen gebildet. Der Wahlkampf hat tiefe Wunden gerissen. Die Gräben zwischen den Menschen dürften eher größer als kleiner werden. Welche Folgen die Präsidentschaft von Donald Trump für die Weltwirtschaft und internationale Beziehungen haben wird, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen. Aber klar ist schon eines: Der für viele wohl schmutzigste Wahlkampf seit langem zeigt seine gesellschaftlichen Auswirkungen bereits jetzt. Sein erstes Opfer ist die Moral.
Was aussieht wie reiner Slapstick ist leider ein Bürgerliches Trauerspiel. Der designierte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika versuchte erst gar nicht, seine Reden mit einem konkreten und stringenten politischen Fahrplan zu füllen, sondern polterte populistische Parolen gegen Frauen und Minderheiten. Somit machte er munter den Weg frei für Rassismus, Sexismus und Chauvinismus. Der Wahlkampf ist geprägt von einer Flut an Hass und Beleidigungen und hat die gewohnten Umgangsformen mit den Füßen getreten: Es ist wieder salonfähig geworden, zu fordern, Menschenrechte wie Religionsfreiheit auszusetzen, Bürger*innen auf Grund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts zu diskriminieren und die politischen Gegner*innen zu bedrohen („Lock her up“¹). Das Wahlergebnis zeigt, dass ein Präsidentschaftskandidat wie Trump keine moralische Vorbildfunktion mehr haben und für keine gemeinsamen Werte mehr stehen muss, um die Unterstützung der Wähler*innen zu bekommen.
Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch in Deutschland erkennen. Üble Beleidigungen („Volksverräter“² und Goebbels-Vergleiche³) sind auf Pegida-Demonstrationen zum täglich Brot geworden, und im Internet schreiben Nutzer völlig enthemmt Hass-Kommentare en masse⁴. Es scheint, als wären alle Dämme gebrochen und jeglicher Rspekt vor dem politischen Gegner dahin. Unter den neuen Umgangsformen und dem Populismus leidet auch die politische Debatte nachhaltig, indem sie immer weniger auf Fakten basiert, sondern auf Ressentiments, Abgrenzung und Hetze.
Diese Entwicklung ist ein gefährlicher gesellschaftlicher Rückschritt, weil sie uns vergessen lässt, auf was unsere Welt und unser Zusammenleben aufgebaut ist: auf Menschenrechten, gegenseitiger Achtung und dem Diskurs.
Jetzt könnte man meinen, eine Präsidentschaft Trumps sei gar nicht so problematisch, immerhin sei er ja demokratisch legitimiert. Das amerikanische Volk bekomme, was es gewählt habe und in vier, spätestens acht Jahren, könne jemand die Mauern wieder einreißen, die bis dahin – nicht nur an der mexikanischen Grenze – aufgebaut worden sein werden. Außerdem habe sich der Gewinner der US-Wahlen in seiner Siegesrede versöhnlich gezeigt und versprochen, ein Präsident aller US-Amerikaner zu sein und die Wunden der Spaltung zu heilen⁵.
Doch so einfach ist es nicht. Trumps Wahlkampf hat der Menschlichkeit nachhaltig geschadet und hat eine Wut entfacht, die so schnell nicht verglühen wird. Geschickt hat er erkannt, die Ängste der Menschen, die sich zurückgelassen und benachteiligt fühlen, zu kanalisieren. Aus dem melting pot, dem friedlichen Verschmelzen von Kulturen und dem Überwinden von Barrieren in den USA, ist ein Brand geworden, der immer weiter um sich greift. Denn wenn die reichsten 0,1% der US-Amerikaner*innen 22% des Gesamtvermögens besitzen, und damit genauso viel wie die ärmsten 90%⁶, dann ist der American Dream gestorben, dann ist die soziale Ungerechtigkeit unerträglich. Als Reaktion darauf macht sich eine Abneigung breit gegen alle, die anders sind und denen die Trump-Wähler jegliche Unterstützung des Staates missgönnen: Migrant*innen, Frauen, die LGBTI*-Community. Auf der Welle des Wutausbruchs der Abgehängten ließ sich Trump ins Weiße Haus tragen.
Hillary Clinton, die das Löschwasser für die sozialen Probleme gehabt hätte, konnte die Menschen nicht erreichen. Mindestlohn, Frauenrechte, Investitionen in Bildung und Infrastruktur konnten in einem emotional geführten Wahlkampf nicht genug Wähler*innen mobilisieren. Natürlich sprachen auch einige Argumente gegen Clinton als Präsidentin, aber die Wahl zeigt, wie schnell Rechte von Minderheiten und Werte wie Toleranz gegen die irrsinnigen Versprechen eines Demagogen von einem wieder erstarkten Amerika mit einem verdoppelten Wirtschaftswachstum eingetauscht werden. Wo ist der gesellschaftliche Zusammenhalt, wenn man bereit ist, für einen winzig kleinen Funken Hoffnung und Protest, die Sicherheit und Anerkennung kompletter Menschengruppen herzugeben? Und wo bleibt die Solidarität, wenn der Egoismus den sozialen Frieden gefährdet? Ist die Anerkennung von Menschenrechten in den Vereinigten Staaten, die die Menschenrechte als eines der ersten Länder in ihrer Verfassung festgeschrieben haben, zu selbstverständlich geworden, um noch darum zu kämpfen? Oder zählen die Werte im Angesicht von wirtschaftlichen Problemen nicht mehr?
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in den USA entwickeln wird und welche Wahlversprechen der unberechenbare Präsident umsetzten wird. Hoffen wir auf einen glimpflichen Ausgang statt einem Horrorszenario.
Eine Lehre aus dem Wahlausgang kann man auf jeden Fall jetzt schon für die Bundestagswahl in Deutschland 2017 ziehen: Wenn populistische Parteien Hass predigen und verschiedene sozial-benachteiligte Gruppen gegeneinander ausspielen, liegt es in der Verantwortung aller, dem entschieden entgegenzutreten, keine Gruppe zurückzulassen und die soziale Ungerechtigkeit und Chancenungleichheit wirksam zu bekämpfen.
¹ http://edition.cnn.com/2016/07/29/politics/donald-trump-lock-her-up/ (aufgerufen am 13.11.2016)
² http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-10/pegida-demonstrationen-dresden-einheitsfeier-kritik-polizei (aufgerufen am 13.11.2016)
³ http://www.deutschlandfunk.de/nach-beleidigungen-gegen-maas-ermittlungen-gegen-pegida-chef.1818.de.html?dram:article_id=335749 (aufgerufen am 13.11.2016)
⁴ mehr zu diesem Thema: „Danke Merkel?“ vom 5. Sept 2016 (http://blog.jusos-niederbayern.de/?p=236)
⁵ https://www.tagesschau.de/ausland/trump-rede-105.html (aufgerufen am 13.11.2016)
⁶ http://www.economist.com/news/finance-and-economics/21631129-it-001-who-are-really-getting-ahead-america-forget-1 (aufgerufen am 13.11.2016)