Was uns die Krise in Griechenland zeigt

Griechenland bleibt also im Euro-Raum, kein Grexit, keine Vewerfungen an den Finanzmärkten. Es scheint, als hätte man alle Probleme zumindest mittelfristig gelöst und den Währungsraum damit stabilisiert. Portugal, Irland und Spanien laufen soweit rund und auch Griechenland hat mit dem neuen Rettungspaket die nächsten Jahre seine Ruhe. Das dies nicht ganz der Fall ist möchte ich im Folgenden erläutern und ein kleines Fazit zu der „Rettung“ Griechenlands ziehen.

1. Symptome wurden geheilt, nicht die Ursache

Man hat in der gesamten Debatte hinweg erkennen müssen, dass der ökonomische Sachverstand auf allen Ebenen, bei allen Parteien und in ganz Europa ein ganz niedriges Niveau aufweist. Mittlerweile bin ich es ja gewohnt, dass der Großteil der deutschen PolitikerInnen die Ursachen nicht verstehen oder verstehen wollen, weil das fundamental gegen ihre Grundsätze verstoßen würde. Leider ist diese Tendenz auch in der SPD vorhanden. Aber wieso auch die Sozialisten in ganz Europa in der Debatte zu Griechenland nicht darauf hingewiesen haben, dass Deutschland mit ihren Exportüberschüssen genau die Probleme zumindest mit verursacht haben, bleibt mir ein Rätsel. Vielleicht wurde das innenpolitisch durchaus gemacht, aber im Rahmen der Verhandlungen habe ich leider keine Statements darüber gelesen, aggressiv wurde somit Deutschland als vermeintlicher Verhandlungsführer nicht angegangen. Herrn Gabriel kann man in dieser Debatte leider nicht sonderlich ernst nehmen, da er fast stündlich seine Positionen geändert hat und scheinbar nicht so recht weiß, was er will.

Der Währungsraum ist so lange nicht gerettet oder stabilisiert, bis man endlich die wahren Ursachen erkannt hat: Die unglaubliche Ungleichheit in den Handelsbilanzen. Zwar schreibt der Währungsraum im Ganzen leichte Exportüberschüsse, diese sind jedoch sehr ungleich verteilt. Der Exportüberschuss, den Deutschland verzeichnet, ist nichts anderes als ein Aufbauen von Forderungen gegenüber dem Ausland (z.B. ggb. Griechenland) – dies geht so lange gut bis die Solvenz des Gläubigers halbwegs gegeben ist. Wenn jedoch diese Überschüsse Jahr für Jahr ansteigen und somit die Forderungen aufgebaut werden, muss es über kurz oder lang zum Crash kommen. Genau dies ist auch in der Finanzkrise passiert. Leider wurden diese Überschüsse seitdem nicht abgebaut (eher umgekehrt), sondern über Kredite abgesichert. Dies ist nicht nur in Griechenland, sondern in allen anderen Ländern (Irland, Spanien, Portugal) auch passiert. (es gäbe dazu auch kaum eine Alternative, wenn man die Problematik an sich nicht angehen will).

Das bedeutet aber auch, dass es mittelfristig wieder zu Krisen kommen muss. Die Defizitländer kommen aus der Falle Verschuldung / Überschuldung nicht raus, so lange Länder wie Deutschland ihren Fokus auf die Exporte legen und nicht die Importe endlich massiv steigern. Doch wer finanziert die nächste Krise, wenn man am Beispiel Griechenland schon so große Ressentiments spürt? Das ist eine wichtige und spannende Frage, deren Antwort ich unter folgendem Punkt erörtern möchte, da ich glaube, dass die Solidarität mit den Partnerländern peu à peu zu bröckeln beginnt und die langfristig nicht mehr zwangsläufig gegeben ist.


2. Die Solidarität und der europäische Gedanke verschwinden zusehends

Vielleicht täusche ich mich hier, aber man bekommt das Gefühl, dass die Solidarität, der europäische Gedanke stückweit verloren geht. Dies erkenne ich nicht nur in der Medienlandschaft, sondern auch bei einigen PolitikerInnen. Mir geht es v.a. um den Ton, mit dem man die Verhandlungen mit Griechenland geführt hat. Auf beiden Seiten sank von Tag zu Tag das Niveau, mit dem man den europäischen Partner(n) begegnet ist. Varoufakis stand im Mittelpunkt, der sicherlich die ein oder andere verbale Entgleisung brachte, aber mir mit der Dauer nur noch leid getan hat, weil es von Anfang an klar war, dass die europäischen Partner nicht willens waren, einen Kurswechsel zu vollziehen. Man sprach von zerstörtem Vertrauen (Schäuble) von einer schlechten Regierung (Martin Schulz) oder Erpressern (Varoufakis). Vor allem, dass kurz nach der Wahl von SYRIZA die Attacken der Gläubiger losgingen, hat mich zutiefst erstaunt und beunruhigt.

Ich verstehe einfach nicht, wieso man die Lage in Griechenland nicht sachlich analysiert hat. Folgende Tatsachen waren doch nicht zu übersehen:

Griechenland hat in den letzten Jahren so viel gespart wie kein Land jemals zuvor.
Die Wirtschaft ist in sich zusammengebrochen und hat die Prognosen des IWF deutlich verfehlt
=> Wieso denkt der IWF nicht über seine eigenen Instrumente mal nach? (nur mal so nebenbei bemerkt)

Die Menschen leiden, die Kranken – und Arbeitslosenversicherung wurden massiv gekürzt, die Arbeitslosenquote blieb trotzdem sehr, sehr hoch, was nicht anders zu erwarten war.

SYRIZA wollte einen Kurswechsel – wieso konnten oder wollten das Schäuble, Merkel, Schulz und Co. das nicht zumindest verstehen? Wieso hat man von Anfang an keine Verhandlungen auf Augenhöhe signalisiert, dass man schon einen guten Kompromiss finden wird. Eine Debatte in herzlicher Atmosphäre angeboten. Ist Ihnen bzw. war Ihnen die Schicksale der Menschen so egal, dass Sie einzig und allein auf ein paar Zahlen schauen (Schuldenquote…)?

Mir kommen folgende Punkte hier in den Sinn:

Sie wollten ein Exempel statuieren, in dem Sinne, dass andere Länder (Spanien, Portugal, Irland, vllt Frankreich & Italien?) ja nicht dieselben Forderungen aufstellen. Es wurde somit ein Umfeld des Abschreckung aufgebaut mit der Unterstützung der baltischen Staaten sowie u.a. Finnland.

Wir haben recht und die anderen nicht: Neoliberale Politik scheint immer noch en vogue zu sein, trotz der Krisen, die diese verursacht haben. Es passt nicht in ihr Weltbild, dass Sparen nicht zum Erfolg führt. Auch aus dem Grund durfte es keinen Richtungswechsel geben.

SYRIZA – mittlerweile glaube ich sogar an die Verschwörungstheorien, dass die konservativen Mächte in Europa eine „so“ linke Regierung wie SYRIZA nicht tolerieren wollten. Die Erpressungen der letzten Tage waren hier einfach zu eindeutig.  All das zusammen lässt mir keine großen Hoffnungen auf eine goldene Zukunft in Europa. Vor allem macht es mich rasend, dass es keine etablierte Partei mehr gibt, die sich aufopferungsvoll und ganzheitlich für ein starkes Europa einsetzt (in Deutschland u Europa) und auch im Europa es immer mehr Parteien und somit Anhänger gibt, welche die EU in der jetzigen Form nicht mehr wollen, aus dem Grund, weil sie glauben, alleine stünde man besser da. Aber das ist nicht so. Man sieht es in der SPD teilweise an, welche Angriffe hier gesteuert wurden, die Union war noch nie die Partei der großen EU-Fanatiker (auch wenn Kohl hierfür groß gekämpft hat) – in den anderen Ländern sieht es leider nicht besser aus. Da darf es keinen wundern, wenn in der Bevölkerung der Unmut immer größer wird, flankiert durch eine desaströse Pressearbeit, die sich von der Kritik an der EU scheinbar höhere Auflagen versprechen. Wie soll in diesem Umfeld positive Stimmung für Europa entstehen und zwar in den bereiten Schichten der Bevölkerung…?
Was ist nur aus dem europäischen Gedanken geworden, fernab von jeglichen ökonomischen Wachstumsversprechungen?
Der Gedanke daran, dass man einfach näher zusammengerückt ist, sich füreinander einsetzt, um das Beste für jedermann zu erreichen.

Frieden! Was war Europa für ein zerstrittener Kontinent – voller Hass und Kriegsgelüsten. Welch Entwicklung dies genommen hat, ist einfach nur fantastisch, auch wenn natürlich nicht alles Gold ist, was glänzt und man hier noch viel verbessern kann. (v.a. die Rolle der EU im nicht-europäischen Ausland)
Internationale Solidarität. Auch wenn im Vertrag von Maastricht festgehalten wurde, dass die Partnerländer nicht für die Schulden anderer aufkommen, hatte ich in der Vergangenheit stets das Gefühl, dass man den Ländern eher hilft als umgekehrt (Aussetzung der 60 % Schuldenquote oder der 3 % Defizitquote). Dieses Gefühl geht immer stärker verloren.

Was wird passieren, wenn in den Ländern Spanien, Portugal oder Irland die nächste Krise kommt? Diese Länder sind jetzt schon überschuldet, die Stabilität ist fragil, weil völlig falsche Ansatzpunkte gewählt wurden. Wenn Frau Merkel sagt, der EURO sei stabiler als zuvor, irrt sie sich leider gewaltig. Aus dem Grund befürchte ich, wird bei der nächsten größeren Krise ein Exempel statuiert – in der Form, dass ein Land aus dem EURO ausscheiden wird. Vielleicht wird das entsprechende Land bzw. deren Regierung freiwillig diesen Weg gehen, da eine Austeritätspolitik noch viel schlimmere Folgen hat.

Ein Beispiel wie es gehen kann geben uns aktuell die Ergebnisse der Verhandlungen mit dem Iran. Hier hat man auch Sachebene, auf Augenhöhe über Monate diskutiert. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass ein Kompromiss hier möglich sein wird? Und doch hat man es geschafft. Man mag zu dem Abkommen stehen wie man will: Ich sehe es ein stückweit positiv, weil Länder, die sich früher aggressiv gegenüber gestanden sind, heute ein friedliches Ergebnis erzielt haben. Und das finde ich geil. (ich weiß, die Rolle mit Israel ist hier schwierig, aber das soll hier nicht das Thema sein)

Ich hoffe die Sozialdemokratie besinnt sich wieder auf die internationale Gemeinschaft, auf die Solidarität mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und besinnt auf ein soziales Europa, das die Zukunft gestalten soll. Wir müssen voran gehen, wir dürfen nicht abwarten, wie antieuropäische Kräfte die Oberhand gewinnen und dieses wunderbare Projekt angreifen & zerstören wollen. Wir als SPD, als SPÖ oder als Sozialisten in Frankreich, haben verdammt nochmal die Verantwortung, dass Europa zusammenhält, damit Protektionismus (wie er in Großbritannien momentan die Bewegung ist) und Abschirmung keine Chance erhält. Wir müssen die Leute überzeugen, dass Wohlstand und soziale Gerechtigkeit nur mit einem starken Europa möglich sein wird. Besinnen wir uns auf unsere Stärken, ansonsten sehe ich für den Euro und der EU schwarz. Und es wird keinem gefallen, was dann passieren wird.

HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT!

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