Queer-Sein ist keine Krankheit. Queer-Sein ist das Leben!

Nun ist es endlich soweit: Die Bundesregierung hat es endlich geschafft das Thema der „Konversionstherapie“ für Menschen einer nicht-heteronormativ-sexuellen Identität auf die Tagesordnung zu setzen. Mit einem halbherzigen Verbots-Entwurf.

Bis heute existiert innerhalb der Psychotherapie die Annahme, dass Homo- wie Transsexualität heilbar wäre. Dabei verfolgen die sogenannten Reparativ- oder Konversionstherapien das Ziel, die jeweilige sexuelle Neigung abzulegen und damit ein ach so wunderbar heterosexuelles Potential zu entfalten. Wie wir alle wissen sind es vor allem religiöse Gruppen, die Homosexualität weiterhin als Krankheit und Sünde verstehen und sich gleichzeitig einen darauf runterholen: Im Buch der absoluten Wahrheit – der Bibel – wird dabei Homosexualität nicht nur als Sünde, sondern sogar als Todsünde beschrieben. Das scheint für viele weiterhin Grund genug zu sein Homosexualität als etwas Unnatürliches und Widerliches anzusehen. Die wohl für jede betroffene Person amüsanteste Stelle im bereits von mir verherrlichten Werk ist folgende (Wer sich dazu berufen fühlt diese nicht nur widerliche Position persönlich zu lesen: 3. Buch Mose, 20,12!):

„Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben; Blutschuld lastet auf ihnen.“

Ich muss zugeben: Mir selbst lief es ziemlich kalt den Rücken hinunter, während ich diese Stelle gelesen habe. Aber nicht, weil ich es in der Bibel gelesen habe, sondern weil genau solche Positionen bis heute von Menschen öffentlich vertreten werden und mit aller Gewalt versucht wird mithilfe von Therapien diese Menschen von der Absolutheit der heterosexuellen Norm zu überzeugen. In ihren Augen ist eine andere sexuelle Identität ein klares Zeichen von Schwäche und sei nur auf eine schwierige Kindheit sowie ein gestörtes Verhältnis zum Vater zurückzuführen. Im Rahmen einer Undercover-Reportage des Westdeutschen Rundfunks wurde dabei der Ablauf einer möglichen Therapie umfassend aufgedeckt: So wird beispielsweise im Rahmen einer Vergangenheitsbewältigungstherapie versucht, Möglichkeiten der Aufarbeitung der eigenen Kindheit zu finden. Im weiteren Schritt solle nun möglichst viel Zeit investiert werden um mit möglichst männlichen Männern in Kontakt zu treten und männliche Arbeiten zu erledigen. Zum mehr oder wohl eher weniger krönenden Abschluss gilt es nun Frauen zu treffen und mit ihnen Geschlechtsverkehr zu haben. Zeitgleich werden diese kruden Therapien noch religiös begleitet, da Homosexualität ja schließlich nicht von Gott gewollt sei und lediglich eine psychologische Fehlentwicklung darstelle. Von zusätzlichen anderen Späßen wie unter anderem Dämonenaustreibungen will ich gar nicht erst reden.

Dass diese widerlichen Versuche der Umpolung mehr Schaden anrichten als helfen, dürfte allen klar sein: Den Betroffenen werden Schuld, Selbsthass und Scham indoktriniert, zahlreiche Therapierte fallen danach schließlich noch tiefer und treiben sich selbst in den Suizid. Seit sehr langer Zeit wird sowohl national wie international vonseiten wissenschaftlicher und medizinischer Verbände auf diese Praktiken hingewiesen und was passiert bei uns? In Deutschland findet es nach wie vor statt: Ohne Verbote, ohne Probleme. Bis jetzt?

Am 17. Mai 2019 beschäftigte sich bereits der Bundesrat mit dieser Thematik und setzte mit seinem Beschluss ein deutliches Zeichen: Nach dessen Auffassung sollten „geeignete gesetzliche Regelungen getroffen werden, die „Konversionstherapien“ [zu] verbieten. Zu diesem Zweck sollte zum Schutz Minderjähriger ein gesetzliches Verbot in Form einer Ordnungswidrigkeit festgeschrieben werden.“[1] Eine weitere Betonung liegt darüber hinaus „in besonderer Weise“[2] auf dem Schutz Minderjähriger vor diesen Praktiken.

Ich muss zugeben, für mich ganz persönlich war dieser Beschluss ein absoluter Lichtblick. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Bundesgesundheitsministerium mit einem Referent*innenentwurf für ein neues Gesetz dazu veröffentlicht wurde. Statt den Bundesratsbeschluss weitergehender auszuarbeiten, wurden nur kleinste Schritte des konservativ geführten Ressorts gemacht: So sollen diese Konversionstherapien nach außen hin zwar verboten werden, de facto wird das aber durch die geplanten Ausnahmeregelungen gar nicht möglich sein:

„§2

Verbot der Durchführung von Behandlungen

(1) Es ist untersagt, Behandlungen im Sinne von § 1 Absatz 1

  1. an einer Person unter 18 Jahren durchzuführen oder
  2. an einer Person durchzuführen, deren Einwilligung zur Durchführung der Behandlung unter einem Willensmangel leidet.

(2) Das Verbot nach Absatz 1, Nummer 1 gilt nicht, sofern die Behandlung an einer Person mit vollendetem 16. Lebensjahr durchgeführt wird, die über die erforderliche Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung verfügt.“

Der vorliegende Entwurf sieht dabei unter §2 eine Ausnahmeregelung vor, die ganz klar ein „Weiter so“ der Konversionstherapie und nicht das schlicht notwendige Verbot dieser Machenschaften bedeutet. Dabei werden Minderjährige nicht ansatzweise geschützt, sondern werden weiterhin die kruden Machenschaften unter dem Argument der „Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung“ erfahren müssen. Der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form muss dringend verschärft werden: Wir brauchen kein anteiliges Verbot mit Sonderregelungen, wir brauchen die gänzliche Austrocknung dieses widerlichen Systems.

Dieses geplante Gesetz von Gesundheitsminister Spahn passt mal wieder in das wunderbar konservative Weltbild und zeigt nur eins: Der Kampf gegen die widerlichen Machenschaften der Konversionsversuche beginnt jetzt erst recht! Queer-Sein ist keine Krankheit. Queer-Sein ist das Leben!

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[1] Vgl. https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0101-0200/161-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1

[2] Ebd. Ziffer 6 G

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