Jungsozialistische Ode an einen ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten

Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche soll einmal gesagt haben, dass alle großen Dinge zuerst furchterregende, monströse Masken tragen müssen, um sich später ins Herz der Menschheit einprägen zu können. Zwar kannte Nietzsche weder die bayerische Staatspartei CSU, noch ihren Übervater Franz Josef Strauß – dieses zweifelhafte Vergnügen blieb ihm aufgrund seines Todes im Jahre 1900 verwehrt – nichtdestotrotz wirkt dieses Zitat wie maßgeschneidert auf den Umgang der deutschen und bayerischen Öffentlichkeit mit dem verblichenen „christsozialen“ Idol. Obwohl Strauß‘ „furchterregende, monströse Maske“, z.B. offensichtliche Korruption, seine Sympathie für den chilenischen Faschismus oder das rassistische Apartheidregime in Südafrika, damals wie heute für alle Welt sichtbar war, hat er es doch inzwischen scheinbar geschafft, einen Platz im Herzen der etablierten deutschen Politik zu gewinnen. Ob es die konservative deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel oder der Neo-Faschist Björn Höcke ist, jedermann und jedefrau scheint eine hohe Meinung von „FJS“ zu haben. Es geht allerdings nicht nur um Sympathie für den verstorbenen Landesvater, vielmehr hat sich um dessen Person in den vergangenen Jahren ein immer grotesker werdender Personenkult entwickelt. Es wurden und werden Straßen, Brücken und nicht zuletzt der Münchner Flughafen nach Strauß benannt. Damit und mit zwei an ihn verliehenen Ehrenbürgerwürden, war Strauß und seiner Familie aber anscheinend nach Meinung der CSU noch nicht genug Ehre getan, man musste unter dem Ministerpräsidenten Stoiber seine völlig unfähige Tochter Monika Hohlmeier als Staatministerin für Unterricht und Kultus einsetzen ein Amt in dem diese sieben Jahre konsequent versagte und neben dem völlig gescheiterten G8 zahlreiche andere Schandtaten beging.

Einen neuen traurigen Höhepunkt des irren Personenkults um den verstorbenen Politiker stellte die Forderung des bayerischen Finanz- und Heimatministers Markus Söder im Frühjahr des Jahres 2015 dar, eine Büste des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten zum Andenken an dessen „Verdienste“ in der Walhalla zu platzieren. Daß Strauß – als schwarzer Ministerpräsident mit braunen Einsprengseln – nun neben einer unbestrittenen Heldin wie Sophie Scholl in der Walhalla stehen soll, war Anlass genug für mich und die Genossinnen und Genossen des Bezirksvorstandes der Jusos Niederbayern einen Antrag zu verfassen und diesen der Bezirkskonferenz 2017 zur Abstimmung vorzulegen. Dieser Antrag, der zum Ziel hat dem staatlich geförderten Kult um Strauß endlich ein Ende zu bereiten, wurde ohne Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen und schließlich auch von diversen Medien aufgegriffen, die allerdings nur die Forderung ohne Begründung verbreiteten. Wegen dieser Ausgangssituation wurde ich gebeten auf unserem Blog noch einmal kurz und knapp unsere Kritik an Strauß zu bündeln und für jeden verständlich abzufassen. Da Strauß jahrzehntelang politisch tätig war, muss die Kritik an seinem öffentlichen Wirken im Rahmen eines Blogartikels zwangsläufig verkürzt dargestellt werden, die folgenden vier Punkte haben daher natürlich keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit, wohl aber darauf, den Kern der Kritik an Strauß wiederzugeben.
1. Strauß als einen „Vater des modernen Bayern zu bezeichnen“, wie das diverse CSU-Granden taten, ist blanker Hohn, vielmehr bekämpfte und sabotierte er alle Bemühungen bspw. der sozial-liberalen Koalition ein fortschrittliches Deutschland zu verwirklichen, sei es durch die vehemente Ablehnung der Ostpolitik Willy Brandts oder durch seine Feindschaft gegenüber der in den 1970er-Jahren angestrebten Demokratisierung von Betrieben und Universitäten. In letzterer sah er den „Beginn der Anarchie“ und den Weg in einen „kommunistischen Zwangsstaat“. Auch bei anderen Themen, wie der Verbesserung der Lebenssituation homosexueller Menschen oder der Emanzipation der Frau war Strauß in keinster Weise modern, sondern ein kalter, blasierter Reaktionär.

 
2. Sein Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit der BRD kann als ignorant bis schamlos bezeichnet werden. Zur Aufarbeitung der Verbrechen der Nazi-Diktatur bemerkte Strauß einst: „Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.“ Personen, die nicht wie Strauß selbst als Offizier halfen einen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion zu führen, sondern dem NS-Faschismus den Rücken kehrten, wurden von ihm dafür kritisiert. So griff er z.B. den späteren SPD-Kanzler Willy Brandt für seinen Widerstand gegen den Nationalsozialismus mit der Aussage an: „Eines aber wird man doch Herrn Brandt fragen dürfen: Was haben Sie 12 Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht haben.“ (Willy Brandt musste in den 12 Jahren der NS-Diktatur Deutschland verlassen, um sein Leben zu retten und floh nach Skandinavien.)

 

3. Außenpolitisch müssen Strauß angebliche Verdienste ebenfalls in Zweifel gezogen werden. Er war ein großer Freund des rassistischen Apartheid-Regimes in Südafrika, in Bezugnahme auf die dort herrschende Rassentrennung, bezeichnete er die Abschaffung derselbigen als „unverantwortlich“. Zum Militärputsch gegen die frei gewählte sozialistische Regierung Chiles, dessen Folgen eine jahrelange Diktatur und tausende von Morden und Folterungen waren, meinte Strauß zynisch, nun würde das „Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang“ erhalten.

 

4. Gegen Strauß liegt eine schier endlose Zahl von teils bestätigten teils vermuteten Vorwürfen der Korruption und des Amtsmissbrauchs vor. Hier seien mit der Fibag-Affäre, der Starfighter-Affäre, der Spiegel-Affäre und seinen Verwicklungen in den Steuerhinterziehungsskandal um den millionenschweren Unternehmer Eduard Zwick nur einige der populärsten Exempel genannt.

 

Diese vier Beispiele sollten eigentlich jeden noch so renitenten Strauß-Befürworter eines Besseren belehren. Da die CSU aber keine Partei ist, die für Vernunft und Argumente zugänglich ist, ist nicht mit einem Abrücken von der kulthaften Verehrung von Strauß zu rechnen. Was die CSU allerdings als Partei macht kann einem eigentlich herzlich egal sein. Wenn sie private Gebäude nach ihrem Idol benennen will, ist das ihre Partei-interne Angelegenheit. Wenn allerdings öffentlicher Raum missbraucht wird, damit Franz Josef Strauß und seinem unrühmlichen Wirken ein Denkmal gesetzt wird, ist das nicht in Ordnung und muss endlich ein Ende finden.

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Ein Kommentar zu "Jungsozialistische Ode an einen ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten"

  1. Jonas Lay sagt:

    Zudem kommt noch sein äußerst fragwürdiges Vorgehen gegen die Demonstrant*innen, die gegen eine Wiederaufbereitungsanlage von Atommüll bei Wackersdorf, demonstriert haben.